Fall: Das Pflichtexemplar

Der B ist Verleger im Bundesland Hamburg. Er verlegt bibliophile Bücher in geringen Auflagen (in der Regel etwa 40 -100 Stück), die zum Teil auch Originalgrafiken enthalten. Aufgrund der aufwändigen Produktion dieser Bücher kostet ein Buch circa EUR 700,- aufwärts.
Dem B wird aus der Presse bekannt, dass das Bundesland Hamburg ein neues Pflichtexemplargesetz (HmbPflExG) erlassen hat. Dessen § 7 lautet:

Der Senator der Behörde für Kultur und Medien kann durch Ausführungsverordnung bestimmen, dass von jedem im Geltungsbereich dieses Gesetzes erscheinenden Druckwerk ein Belegstück kostenlos an die von ihm bestimmte zuständige Bibliothek abgeliefert wird.

Die hierzu ergangene Ausführungsverordnung (HmbPflExVO) bestimmt in § 1 Abs. 1:

Von jedem Druckwerk, das innerhalb des Landes Hamburg erscheint, hat der Verleger, soweit (..) nicht befreit, ein Stück (Pflichtexemplar) unentgeltlich und auf eigene Kosten je nach dem Verlagsort an nachstehende Bibliotheken abzugeben: (..)

Der B war der Ansicht, dass diese Vorschrift nicht rechtens sein könne, jedenfalls treffe sie ihn unverhältnismäßig hart. Gleichwohl sandte er ein Exemplar zweier von ihm kurz zuvor verlegter Bücher an die in der Verordnung vorgesehenen Bibliotheken, wobei er sich die Rückforderung vorbehielt. Die zuständige Behörde erteilte ihm daraufhin einen Bescheid, dass die übersandten Bücher als Pflichtexemplare entschädigungslos einbehalten würden. Hiergegen legte der B fristgerecht Widerspruch ein, der jedoch ohne Erfolg blieb. Im Rahmen der von ihm daraufhin fristgerecht erhobenen Anfechtungsklage trug er vor, die entschädigungslose Ablieferungspflicht des § 7 HmbPflExG verstoße gegen das Grundgesetz. Im übrigen seien die einbehaltenen Werke keine Druckwerke im Sinne des Pressegesetzes. Das zuständige Verwaltungsgericht war davon überzeugt, dass § 7 HmbPflExG verfassungswidrig ist. Es setzte daher das Verfahren aus und legte § 7 HmbPflExG dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 I GG zur Überprüfung der Gültigkeit dieser Norm vor.

Wie entscheidet das Bundesverfassungsgericht?



Das Bundesverfassungsgericht wird dem Antrag des Verwaltungsgerichts auf Überprüfung des § 7 HmbPflExG stattgeben, wenn er zulässig und begründet ist.

A. Zulässigkeit
Der Antrag müsste zulässig sein.

I. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht müsste zunächst für die Überprüfung der Gültigkeit des § 7 HmbPflExG zuständig sein. Nach Art. 100 I GG ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für grundgesetzwidrig hält. Hier hält das zuständige Verwaltungsgericht § 7 HmbPflExG für verfassungswidrig. Es müsste ferner bei der Entscheidung auf die Gültigkeit des § 7 HmbPflExG ankommen (Vorlagegrund). Dies ist der Fall, wenn das vorlegende Gericht bei Ungültigkeit der vorgelegten Norm anders entscheiden müsste, als bei deren Gültigkeit. Im vorliegenden Fall erfüllt B die Voraussetzungen von § 7 HmbPflExG. Für den Fall, dass diese Vorschrift verfassungswidrig wäre, wären die gegenüber B ergangenen Einbehaltungsbescheide mangels wirksamer Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig und daher vom Verwaltungsgericht aufzuheben, im Falle der Gültigkeit der Norm ggf. zu bestätigen. Von daher kommt es hier auf die Gültigkeit der Norm für die Entscheidung an.
Damit liegen die Voraussetzungen des Art. 100 I GG (konkrete Normenkontrolle) vor, so dass sich die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 100 I GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG ergibt.

II. Vorlagegegenstand
Es müsste sich bei § 7 HmbPflExG um einen zulässigen Vorlagegegenstand handeln. Gemäß dem Wortlaut des Art. 100 I GG kommen nur “Gesetze” als Vorlagegegenstand in Betracht. Hierzu gehören alle formellen, nachkonstitutionellen Gesetze, so dass § 7 HmbPflExG (als formelles Gesetz) ein zulässiger Vorlagegegenstand ist, nicht jedoch § 1 I HmbPflExVO, als (bloß) materielles Gesetz.

III. Vorlageberechtigung
Ferner müsste für die Vorlage zum Bundesverfassungsgericht die Vorlageberechtigung gegeben sein. Vorlageberechtigt ist nach Art. 100 I GG ein “Gericht”. Gerichte im Sinne dieser Vorschrift sind all diejenigen sachlich unabhängigen Spruchstellen, die in einem formell gültigen Gesetz mit den Aufgaben eines Gerichts betraut und als Gerichte bezeichnet sind. Dies ist für die Verwaltungsgerichte (vgl. etwa § 2 VwGO, § 13 GVG) der Fall. Damit ist auch die Vorlageberechtigung des Verwaltungsgerichts gegeben.

VI. Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit
Das vorlegende Gericht müsste gemäß Art. 100 I GG das vorgelegte Gesetz “für verfassungswidrig halten”. Bloße Zweifel an der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes genügen insoweit nicht. Vielmehr bedarf es einer Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit des vorgelegten Gesetzes. Im vorliegenden Fall war das Verwaltungsgericht davon überzeugt, dass § 7 HmbPflExG verfassungswidrig ist, so dass das Erfordernis der Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit des vorgelegten Gesetzes hier gegeben ist.

V. Begründung
Das vorlegende Gericht müsste ferner gemäß § 80 II BVerfGG die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht begründen. Die Begründung muss angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Mangels gegenteiliger Angaben ist hier von der Einhaltung dieser Voraussetzungen auszugehen.

Der Antrag des Verwaltungsgerichts ist daher zulässig.

B. Begründetheit
Das Bundesverfassungsgericht erklärt § 7 HmbPflExG gemäß § 82 I i.V.m. § 78 BVerfGG für nichtig, wenn es zu der Überzeugung kommt, dass diese Norm mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Norm formell und materiell verfassungsgemäß ist.

I. Formelle Verfassungsmäßigkeit
Zunächst ist zu prüfen, ob § 7 HmbPflExG formell verfassungsgemäß ist. Dazu müssten beim Erlass dieser Norm die Zuständigkeit (Gesetzgebungskompetenz), Verfahren und Form gewahrt worden sein.
Fraglich ist insofern allein die Gesetzgebungskompetenz des Hamburgischen Landesgesetzgebers. Grundsätzlich ist die Gesetzgebung Sache der Länder, vgl. Art. 70, 30 GG. Fraglich ist, ob eine Ausnahme nach den Art. 71 ff. GG vorliegt. Das Pflichtexemplarrecht könnte dem Urheber- oder Verlagsrecht im Sinne des Art. 73 Nr. 9 GG unterfallen, so dass gemäß der Art. 71, 73 GG eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorläge. Damit das Pflichtexemplarrecht dem Urheber- oder Verlagsrecht zuzurechnen wäre, müsste es dem jeweiligen Regelungsbereich der entsprechenden Gesetze unterfallen. Dafür dass dies der Fall ist, spricht, dass § 7 HmbPflExG an den auch im Urheber- und Verlagsrecht einschlägigen Begriff des Druckwerks anknüpft. Insoweit ist aber zu beachten, dass sich die Frage der Zuständigkeit des Gesetzgebers jedoch nicht nach dem gewählten Anknüpfungspunkt, sondern nach dem Gegenstand des Gesetzes beantwortet. Nach § 7 HmbPflExG kann die Pflichtabgabe aber nur für ein "erscheinendes" Druckwerk angeordnet werden; das Recht des Urhebers nach § 12 UrhG, zu bestimmen, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird (ob es also bspw. überhaupt “erscheint”), bleibt demnach unangetastet, so dass der Regelungsbereich des Urheberrechts durch § 7 HmbPflExG nicht betroffen ist.
Die Abgabepflicht des § 7 HmbPflExG greift auch nicht in die vom Verlagsrecht (§ 1 VerlG) geordneten privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Verleger und Verfasser ein, denn sie begründet eine davon unabhängige öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Verlegers.
Unterfällt damit § 7 HmbPflExG weder dem Urheber- noch dem Verlagsrecht, so liegt keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 9 GG vor. Mangels anderer im Betracht kommender Bundeskompetenzen unterfällt die Regelung des Pflichtexemplarrechts der Länderkompetenz nach Art. 70 GG.
Bedenken gegen die formelle Verfassungsmäßigkeit des § 7 HmbPflExG bestehen damit nicht.

II. Materielle Verfassungsmäßigkeit
§ 7 HmbPflExG müsste ferner auch materiell verfassungsgemäß sein. Die in dieser Vorschrift vorgesehene entschädigungslose Abgabepflicht von Büchern könnte gegen die in Art. 14 GG verbürgte Eigentumsgarantie verstoßen.

1. Schutzbereich
Dies setzt eine Betroffenheit des Schutzbereichs voraus. In persönlicher Hinsicht stellt Art. 14 I GG ein Jedermann-Grundrecht dar, so dass sich B insoweit auf dieses Grundrecht berufen kann.
In sachlicher Hinsicht schützt Art. 14 I GG das Eigentum. Eigentum in diesem Sinne ist die Summe aller vermögenswerten Position, die dem Einzelnen durch die Rechtsordnung zu gewiesen sind und die diesem eine private Nutzungs- und Verfügungsbefugnis einräumen.

Im vorliegenden Fall wird der B durch die Herstellung der Bücher deren Eigentümer (vgl. § 950 BGB). Dieses Eigentum des B an den hergestellten Büchern wird durch die Pflicht zur unentgeltlichen Abgabe von einem Exemplar pro gedrucktem Band belastet, so dass der Schutzbereich des Art. 14 I GG auch in sachlicher Hinsicht betroffen ist.

2. Eingriff
Es müsste auch ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen. Dies ist nach dem sog. modernen Eingriffsbegriff bei jeder nicht ganz unerheblichen Verkürzung des Schutzbereichs der Fall. Bezogen auf Art. 14 I GG ist dies insbesondere Fall, wenn die Möglichkeit des Eigentümers, seine Eigentumsrechte auszuüben, beeinträchtigt wird. Durch die entschädigungslose Abgabepflicht verliert B insbesondere das Recht, mit den Büchern nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auf diese auszuschließen (vgl. § 903 BGB). Darin liegt eine Beeinträchtigung der Ausübung der Eigentumsrechte des B und damit ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 I GG.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff müsste verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dies wäre dann der Fall, wenn er Ausdruck der Schranke des Art. 14 I GG ist.

a) Bestimmung der Schranke
Art. 14 I GG verfügt über zwei unterschiedliche Schranken. Dies ist zum einen der sich aus Art. 14 I 2 GG ergebende einfache Gesetzesvorbehalt für Inhalts- und Schrankenbestimmungen bzgl. des Art. 14 I GG. Zum anderen besteht für die Enteignung gemäß Art. 14 III GG ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt. Für die Bestimmung der Schranke kommt es mithin auf die Art des Eingriffs an.
Insoweit ist zwischen Enteignung (wiederum differenziert nach “klassischer Enteignung” und “Aufopferungsenteignung”) und sog. Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu unterscheiden.
Hinsichtlich der insoweit erforderlichen Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung ist umstritten, nach welchen Kriterien die Abgrenzung zu erfolgen hat. Nach der sog. Sonderopfertheorie soll eine Enteignung vorliegen, wenn einer Gruppe im Verhältnis zu einer anderen Gruppe ein besonderes Opfer abverlangt wird. Demgegenüber verlangt die sog. Schweretheorie für die Annahme einer Enteignung, dass der Regelungsadressat für sich genommen schwer betroffen ist. Ganz herrschend ist die sog. formelle Theorie, die danach differenziert, ob der Gesetzgeber eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder eine Enteignung wollte. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Indiz für eine gewollte Enteignung sind das Vorhandensein einer Entschädigungsregelung und ein konkret-individueller Zugriff auf das Eigentum in Gestalt eines Eigentumsentzugs. Indiz für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung ist die abstrakte-generelle Neuregelung eines Rechtsgebiets oder Teilrechtsgebiets.
§ 7 HmbPflExG enthält keine Ermächtigung für die Exekutive, durch Einzelakt auf ein bestimmtes von ihr benötigtes Vermögensobjekt zuzugreifen, sondern begründet in abstrakt-genereller Weise eine Naturalleistungspflicht in der Form einer Abgabe. Sie ist vor diesem Hintergrund als Inhalts- und Schrankenbestimmung anzusehen. Sie ruht auf der Gesamtheit der zu einer Auflage gehörenden und im Eigentum des Verlegers stehenden Druckstücke (Druckwerk). Dieses Eigentum am Druckwerk ist schon bei seiner Entstehung mit der Verpflichtung zur Ablieferung eines Exemplars belastet. Die Pflichtexemplarregelung ist somit eine objektivrechtliche Vorschrift, die in abstrakt-genereller Form den Inhalt des Eigentums am Druckwerk als der Gesamtheit aller Druckstücke bestimmt (vgl. BVerfGE 57, 137).

Handelt es sich damit bei § 7 HmbPflExG um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, so ist Schranke des Art. 14 GG hier ein einfacher Gesetzesvorbehalt.

b) Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage
Die zur Konkretisierung des einfachen Gesetzesvorbehalts in Betracht kommende Rechtsgrundlage (§ 7 HmbPflExG) müsste auch ansonsten verfassungsgemäß sein. Insoweit stellt sich hier die Frage, ob der Landesgesetzgeber befugt war, zur näheren Inhalts- und Schrankenbestimmung eine Verordnungsermächtigung an die Exekutive zu erlassen. Ferner müssten die weiteren verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, wie insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Rechtsgrundlage gegeben sein.

aa) Zulässigkeit einer Verordnungsermächtigung/Bestimmtheit
Zu prüfen ist zunächst, ob die im Rahmen von Art. 14 I 2 GG vorzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung in der Weise zur näheren Ausgestaltung delegiert werden darf, dass der Gesetzgeber die Exekutive im Wege einer Verordnungsermächtigung hierzu ermächtigt. Dies erscheint fraglich, weil nach Art. 14 I 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums "durch die Gesetze" bestimmt werden.
Allerdings leitet sich daraus keine generelle Pflicht des Gesetzgebers ab, den Inhalt der Rechtsstellung des Eigentümers bis ins letzte Detail selbst zu regeln. Mit Blick auf die elementare freiheitssichernde Bedeutung des Art. 14 I 1 GG ist er aber gehalten, die Voraussetzungen, unter denen der Gebrauch des Eigentums beschränkt werden darf, durch eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte Ermächtigung selbst festzulegen.
Der Inhalt der durch § 7 HmbPflExG erteilten Ermächtigung ergibt sich unmittelbar aus dieser selbst. Danach ist die Ablieferung von Belegstücken in Hamburg erscheinender Druckwerke an bestimmte Bibliotheken zu regeln. Die Regelung kann vom zuständigen Senator im Rahmen der ihm eingeräumten Befugnis getroffen werden.
Der Zweck der Ermächtigung des § 7 HmbPflExG besteht darin, das gesamte innerhalb des Landes erscheinende Schrifttum vollständig zu sammeln, der Öffentlichkeit bereitzuhalten und der Nachwelt zu überliefern.
§ 7 HmbPflExG gibt dem Verordnungsgeber überdies auch hinsichtlich des Ausmaßes und der Grenzen der von diesem zu treffenden Regelung hinreichende Direktiven. So geht aus § 7 HmbPflExG hervor, dass eine Ablieferungspflicht nur für in Hamburg erscheinendes Schrifttum und hier wiederum nur für ein Belegstück eines jeden Druckwerks zugunsten einer vom Verordnungsgeber zu bestimmenden Bibliothek angeordnet werden darf. Zudem ist die Ermächtigung auch in bezug auf die Frage der Vergütung hinreichend bestimmt, denn § 7 HmbPflExG besagt, dass der Senator die Ablieferung des Pflichtexemplars unter völligem Ausschluß einer Kostenerstattung anordnen kann (vgl. BVerfGE 57, 137).
Damit sind die Voraussetzungen, unter denen das Eigentum beschränkt werden darf, durch § 7 HmbPflExG im vorstehenden Sinne hinreichend bestimmt, so dass gegen die Verordnungsermächtigung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

bb) Weitere verfassungsrechtliche Anforderungen
Bei dem Erlass von Inhalts- und Schrankenbestimmungen hat der Gesetzgeber sowohl der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 I 1 GG als auch dem Sozialgebot des Art. 14 II GG in gleicher Weise Rechnung zu tragen. Er hat dabei die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Das Maß und der Umfang der dem Eigentümer von der Verfassung zugemuteten und vom Gesetzgeber zu realisierenden Bindung hängt hiernach wesentlich davon ab, ob und in welchem Ausmaß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. Dem entspricht es, wenn Eigentumsbindungen stets verhältnismäßig sein müssen. Darüber hinaus ist der Gleichheitssatz als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip zu beachten (vgl. BVerfGE 57, 137).

(1) Verhältnismäßigkeit des § 7 HmbPflExG
§ 7 HmbPflExG müsste mithin verhältnismäßig sein. Dies wäre der Fall, wenn § 7 HmbPflExG einen legitimen Zweck verfolgte sowie geeignet, erforderlich und angemessen wäre.

(a) Legitimer Zweck
Zunächst müsste § 7 HmbPflExG einen legitimen Zweck verfolgen. Druckwerke sind Teil des geistigen und kulturellen Geschehens und als solche als kulturelles Gemeingut anzusehen. Insoweit ist Ziel des § 7 HmbPflExG die innerhalb des Landes Hamburg erscheinenden Druckwerke zu sammeln, der Öffentlichkeit bereitzuhalten und der Nachwelt zu überliefern, um so einen möglichst geschlossenen Überblick über das geistige Schaffen im Lande Hamburg zu bieten und diesen und die einzelnen Werke allen Interessierten zugänglich zu machen.
Gerade mit Blick auf die besondere soziale Bedeutung von Druckwerken stellt dieses Ziel einen legitimen Zweck dar.

(b) Geeignetheit
§ 7 HmbPflExG müsste ferner geeignet, das heißt, dem Zweck förderlich, sein. Durch die Abgabepflicht des § 7 HmbPflExG wird sichergestellt, dass die im Land Hamburg erschienenen Druckwerke vollständig erfasst werden und so der Öffentlichkeit und der Nachwelt als kulturelles Erbe zur Verfügung stehen. Damit ist die Vorschrift dem Zweck förderlich und mithin geeignet.

(c) Erforderlichkeit
§ 7 HmbPflExG müsste ferner erforderlich sein, das heißt, es dürfte kein milderes Mittel gleicher Eignung geben. Vorliegend kommen als mildere Mittel sowohl eine entgeltliche Abgabepflicht, als auch die Abgabepflicht von Kopien des Druckwerks in Betracht. Eine entgeltliche Abgabepflicht änderte jedoch nichts daran, dass der Verleger des Druckwerks sein Eigentum an demselben verlöre und wäre daher nur insofern milder, als er dafür eine Entschädigung erhielte. Diese Entschädigung führt indes zu einer erheblichen Belastung des öffentlichen Haushalts und wäre von daher gegenüber der unentgeltlichen Abgabepflicht nicht gleich effektiv.
Im Hinblick auf die Abgabepflicht von Kopien des Druckwerks verhielte es sich so, dass der Verleger Eigentümer des Originals bliebe, was ggü. der Abgabe der Originals milder wäre. Jedoch würde der entscheidende Zweck der Erhaltung der (Original-) Druckwerke in ihrem kulturell besonders bedeutsamen Originalzustand nicht erreicht, so dass eine Abgabepflicht von Kopien nicht gleich effektiv wäre. Nach allem ist die Regelung des § 7 HmbPflExG damit auch erforderlich.

(d) Angemessenheit
Ferner müsste § 7 HmbPflExG auch angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne) sein. Dazu müssten Zweck und Mittel im wohl abgewogenem Verhältnis zueinander stehen.
Insoweit ist eine Abwägung zwischen dem dargelegten öffentlichen Interesse an der öffentlichen Erhaltung und Zugänglichmachung kultureller Güter im Bereich der Druckwerke und den privaten Interessen des Verlegers an der Erhaltung seines Eigentums vorzunehmen. Dabei stellt es mit Blick auf die soziale Bedeutung von Druckwerken ein legitimes Anliegen dar, die literarischen Erzeugnisse dem wissenschaftlich und kulturell Interessierten möglichst geschlossen zugänglich zu machen und künftigen Generationen einen umfassenden Eindruck vom geistigen Schaffen früherer Epochen zu vermitteln (s.o.). Diesem kulturpolitischen Bedürfnis kann nur durch eine Ablieferungspflicht zugunsten öffentlicher Bibliotheken sinnvoll Rechnung getragen werden (s.o.). Dabei darf bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht außer acht bleiben, dass die Allgemeinheit mit der Errichtung und Unterhaltung der Staatsbibliotheken einen bedeutenden Beitrag zur Erreichung des mit dem Pflichtexemplarrecht verfolgten kulturpolitischen Zieles leistet. Sie trägt damit ihrerseits der sozialen Bedeutung und Funktion von Druckwerken angemessen Rechnung. Unter diesen Umständen stellt die unentgeltliche Abgabe eines Belegexemplars je Druckwerk eine zumutbare, den Verleger nicht übermäßig und einseitig treffende Belastung dar, wenn der damit verbundene wirtschaftliche Nachteil nicht wesentlich ins Gewicht fällt. Davon kann bei der Mehrzahl der periodischen und nicht periodischen Literatur ausgegangen werden, wenn sie in größerer Auflage hergestellt wird (vgl. BVerfGE 57, 137).
Anders verhält sich dies aber, wenn diese allgemeine Ablieferungspflicht bei unterschiedslosem Ausschluß einer Kostenerstattung auch diejenigen Druckwerke erfaßt, die mit großem Aufwand und zugleich nur in kleiner Auflage hergestellt werden. Die Pflicht zur unentgeltlichen Abgabe von Belegstücken solcher Druckwerke stellt im Gegensatz zu den Billig- und Massenproduktionen eine für den Verleger deutlich ins Gewicht fallende Belastung dar, die durch die Sozialbindung des Eigentum (Art. 14 II GG) nicht mehr zu rechtfertigen ist. Insoweit wäre es unangemessen, wenn der Verleger eine solche Belastung im Interesse der Allgemeinheit alleine tragen müsste. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass die besondere soziale Bedeutung, die künstlerisch, wissenschaftlich oder literarisch besonders wertvollen und daher in der Herstellung regelmäßig sehr teuren Druckwerken im Blick auf Art. 14 II GG zukommt, nicht losgelöst von deren Entstehung gesehen werden kann. Druckwerke dieser Art haben, was bereits in der niedrigen Auflage seinen Ausdruck findet, häufig nur einen kleinen Abnehmerkreis. Die Zahl potentieller Käufer ist gering und der Absatz in aller Regel nicht gesichert. Der Verleger geht mit der Herstellung eines solchen Werkes im Vergleich zu den normalen verlegerischen Aktivitäten ein wesentlich erhöhtes wirtschaftliches Risiko ein. Erst durch seine private Initiative und Risikobereitschaft wird es möglich, künstlerisch, wissenschaftlich und literarisch exklusives Schaffen der Öffentlichkeit zu erschließen. Dem Verleger zusätzlich noch die erheblich überdurchschnittlichen Herstellungskosten für ein Pflichtexemplar aufzubürden, widerspricht damit auch vor diesem Hintergrund dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Belange des betroffenen Eigentümers mit denen der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich zu bringen und einseitige Belastungen zu vermeiden. Die Abwägung zwischen der Intensität der Belastung des Verlegers und dem Gewicht der zu ihrer Rechtfertigung anzuführenden Gründe ergibt daher, dass bei wertvollen Druckwerken mit niedriger Auflage eine kostenlose Pflichtablieferung die Grenzen der Angemessenheit überschreitet (vgl. BVerfGE 57, 137).
Die Regelung des § 7 HmbPflExG Ist damit insgesamt nicht verhältnismäßig.

(2) Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes, Art. 3 I GG
§ 7 HmbPflExG könnte zudem auch dem allgemeinen Gleichheitssatz, der auch im Rahmen des Art. 14 I 2 GG zu beachten ist, widersprechen, da diese Regelung die einzelnen Verleger unterschiedlich stark belastet.

(a) Vergleichspaar
Für das vorliegen einer Ungleichbehandlung müsste sich zunächst ein Vergleichspaar bilden lassen. Insofern ist zu beachten, dass eine allgemeine Ablieferungspflicht mit generellem Vergütungsausschluss (beispielsweise je nach Auflagengröße) in ihrer praktischen Auswirkung innerhalb des Kreises der Verleger zu Belastungen von erheblich unterschiedlicher Intensität führt.
Teile des Vergleichspaares sind damit diejenigen Verleger, die durch die Abgabe des Pflichtexemplars eher gering bis gar nicht getroffen werden und diejenigen Verleger, bei denen, wie im vorliegenden Fall, sich die Abgabe des Pflichtexemplars als eine erhebliche Belastung darstellt.

(b) Ungleichbehandlung
Es müsste ferner eine Ungleichbehandlung zwischen den Parteien des Vergleichspaares bestehen. Diese Ungleichbehandlung ergibt sich hier aus dem Umstand, dass sich die Abgabe des Pflichtexemplars für manche Verleger so gut wie nicht auswirkt, während sie für andere eine ganz erhebliche Belastung darstellt.

(c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
Die Ungleichbehandlung müsste verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dazu bedarf es der Verfassungsmäßigkeit des Mittels, der Verfassungsmäßigkeit des Zwecks sowie ggf. der Verfassungsmäßigkeit der Zweck-Mittel-Relation (Verhältnismäßigkeit). Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Mittels an sich sowie des Zwecks bestehen nicht. Der Verfassungsmäßigkeit der Zweck-Mittel-Relation bedarf es nur bei einer besonderen Belastungsintensität für den Betroffenen. Indizien für eine solche besondere Belastungsintensität sind etwa das gleichzeitige Betroffensein eines Freiheitsgrundrechts und eine “Unvermeidbarkeit” für den Betroffenen. Diese Indizien sind hier gegeben, so dass es vorliegend auch auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ankommt.
Insoweit ist hier zu beachten, dass die Regelung des § 7 HmbPflExG nicht auf der Seite der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Ungleichbehandlung vornimmt, sondern insofern vielmehr eine unterschiedlose Gleichbehandlung vorliegt, die aber zu unterschiedlichen Auswirkungen (unterschiedlichen Belastungsintensitäten) führt. Insoweit gilt, dass auch im Bereich von Inhalts- und Schrankenbestimmungen die ungleichen Auswirkungen einer an sich gleichmäßigen Regelung zu berücksichtigen sind. Der Gleichheitssatz gebietet in diesem Fall, die Elemente der inhaltsbestimmenden Regelung so zu ordnen, dass einer unterschiedlichen Inanspruchnahme der Eigentümer und damit dem unterschiedlichen Gewicht ihrer Belange gegenüber den Belangen der Allgemeinheit hinreichend differenziert Rechnung getragen wird und einseitige Belastungen vermieden werden (vgl. BVerfGE 57, 137).
§ 7 HmbPflExG ermächtigt demgegenüber zum Erlaß einer Pflichtexemplarregelung, der es im Blick auf die von ihr erfaßten, in eigentumsrechtlicher Hinsicht sehr verschiedenartigen Sachverhalte an der gebotenen differenzierten Ausgestaltung mangelt, so dass hier eine Ungleichbehandlung vorliegt, die verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist.

§ 7 HmbPflExG ist nach allem materiell verfassungswidrig. Die Vorlage des Verwaltungsgerichts ist damit auch begründet.

C. Endergebnis/Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die konkrete Normenkontrolle ist zulässig und begründet. Grundsätzlich erklärt das Bundesverfassungsgericht verfassungswidrige Normen gemäß §§ 82 i.V.m. 78 BVerfGG für nichtig. In bestimmten Fällen stellt es indes nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz fest. Im vorliegenden Fall ist § 7 HmbPflExG für eine Vielzahl von Fällen (bspw. bei einer großen Auflage eines Buches) nicht verfassungswidrig, sondern vielmehr verfassungsgemäß. Für den Gesetzgeberbesteht vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, die Verfassungsgemäßheit der Regelung für die nicht verfassungsgemäßen Konstellationen durch Ausnahmen bzw. Einzelfallregelungen herzustellen. Vor diesem Hintergrund wäre eine vollständige Nichtigkeitserklärung nicht zielführend. Vielmehr bietet sich die Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz an, die ein Anwendungsverbot der Norm bewirkt und den Gesetzgeber zur baldigen Herstellung einer der Verfassung gemäßen Gesetzeslage verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht wird daher die Unvereinbarkeit des § 7 HmbPflExG mit dem Grundgesetz feststellen.