<h2 id="aufbau-der-prüfung---polizeirechtliche-generalklausel-§-11-npog">Aufbau der Prüfung - Polizeirechtliche Generalklausel, § 11 NPOG</h2>
<p>Die polizeirechtliche Generalklausel ist in § 11 NPOG geregelt. Beispiel: A läuft mit verdrehten Augen und erhobener Waffe Richtung Bank. Geschildert wird die Situation eines Banküberfalls. P ist Polizist und ruft: „Halt!“ Hier ist die Rechtmäßigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes zu prüfen.</p>
<h3 id="i.-ermächtigungsgrundlage">I. Ermächtigungsgrundlage</h3>
<p>Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes setzt zunächst eine Ermächtigungsgrundlage voraus.</p>
<h3 id="spezialgesetz">1. Spezialgesetz</h3>
<p>Bevor auf die polizeirechtliche Generalklausel des § 11 NPOG zurückgegriffen werden kann, ist zu erörtern, ob nicht eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage greift. Beispiele: §§ 8, 14 NVersG. Solche spezialgesetzlichen Regelungen kommen im obigen Beispielsfall nicht in Betracht.</p>
<h3 id="standardmaßnahmen-§§-12-ff.-npog">2. Standardmaßnahmen, §§ 12 ff. NPOG</h3>
<p>Weiterhin ist zu prüfen, ob sogenannte Standardmaßnahmen gemäß den §§ 12 ff. NPOG vorliegen, da auch diese die polizeirechtliche Generalklausel verdrängen. Standardmaßnahmen sind ganz besonders bestimmte Ermächtigungsgrundlagen im grundrechtssensiblen Bereich. Beispiel: Sicherstellung, Betreten und Durchsuchen von Wohnungen.</p>
<h3 id="generalklausel-§-11-npog">3. Generalklausel, § 11 NPOG</h3>
<p>Greift weder eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage noch eine Standardmaßnahme, ist die polizeirechtliche Generalklausel zu prüfen.</p>
<h3 id="ii.-formelle-rechtmäßigkeit">II. Formelle Rechtmäßigkeit</h3>
<p>Die polizeirechtliche Generalklausel setzt in ihrer formellen Rechtmäßigkeit zunächst voraus, dass die Vorschriften für die Zuständigkeit, das Verfahren und die Form eingehalten worden sind. Grundsätzlich sind die allgemeinen Ordnungsbehörden zuständig, also diejenigen ohne Uniform. Die spezielle Zuständigkeit der Polizei folgt aus § 1 II 1 NPOG. Hiernach ist die Polizei dann zuständig, wenn es um eine unaufschiebbare Maßnahme geht, wenn also eine effektive Gefahrenabwehr durch die allgemeinen Ordnungsbehörden nicht möglich ist. Beispiel: Maßnahmen, die besonders schnell und/oder vor Ort erfolgen müssen. Im obigen Beispielsfall ist der Polizist nach §  1 II  NPOG zuständig.</p>
<h3 id="iii.-materielle-rechtmäßigkeit">III. Materielle Rechtmäßigkeit</h3>
<p>Weiterhin fordert die polizeirechtliche Generalklausel, dass auch die materielle Rechtmäßigkeit gegeben ist.</p>
<h3 id="voraussetzungen">1. Voraussetzungen</h3>
<p>Es müssen mithin die Voraussetzungen des § 11 NPOG geprüft werden.</p>
<h3 id="a-schutzgut">a) Schutzgut</h3>
<p>Die polizeirechtliche Generalklausel erwähnt als Schutzgut die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung.</p>
<h3 id="aa-öffentliche-sicherheit">aa) Öffentliche Sicherheit</h3>
<p>Im Beispielsfall sind das geschriebene Recht und Individualrechtsgüter als Teil der öffentlichen Sicherheit betroffen.</p>
<h3 id="bb-öffentliche-ordnung">bb) Öffentliche Ordnung</h3>
<h3 id="b-gefahr-§-2-nr.-1-npog">b) Gefahr, § 2 Nr. 1 NPOG</h3>
<p>Weiterhin verlangt die polizeirechtliche Generalklausel eine Gefahr für das Schutzgut. Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, vgl. § 2 Nr. 1 NPOG. Im obigen Fall spricht alles dafür, dass A die Bank alsbald überfallen wird und die genannten Schutzgüter betroffen sind.</p>
<h3 id="c-ordnungspflichtigkeit-§§-6-8-npog">c) Ordnungspflichtigkeit, §§ 6-8 NPOG</h3>
<p>Zuletzt fordert die polizeirechtliche Generalklausel die Ordnungspflichtigkeit des Betroffenen. Dies wird auch „Polizeipflichtigkeit“ oder „richtiger Störer“ genannt. Nach den §§ 6-8 NPOG geht es darum, dass der richtige Störer herangezogen wird. Beispiel: Gehen aufgrund von Baumängeln Gefahren vom Haus des B aus, darf nur gegen B vorgegangen werden, nicht gegen einen willkürlichen Dritten. Im obigen Fallbeispiel zum Banküberfall ist A Verhaltensstörer gemäß § 6 NPOG. Es können folglich nur gegenüber A Maßnahmen ergriffen werden.</p>
<h3 id="rechtsfolge-ermessen">2. Rechtsfolge: Ermessen</h3>
<p>Die polizeirechtliche Generalklausel räumt der Polizei auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen ein. Dieses Ermessen hat zwei Bezugspunkte, das Entschließungsermessen und das Auswahlermessen.</p>
<h3 id="a-entschließungsermessen-ob">a) Entschließungsermessen (“Ob”)</h3>
<p>Zum einen räumt die polizeirechtliche Generalklausel ein Entschließungsermessen ein. Im Rahmen des Entschließungsermessens geht es um das „Ob“ des Einschreitens. Veranlassung zu dessen Erörterung besteht nur in wenigen Fällen, beispielsweise wenn die Behörde sich durch ein bestimmtes Vorverhalten in der Vergangenheit selbst gebunden hat und wegen Art. 3 I GG nicht handeln darf. Beispiel: Nichteinschreiten in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen in der Vergangenheit. Gleiches gilt, wenn eine Behörde in der Vergangenheit ein konkretes Verhalten genehmigt hat und später eine andere Behörde dieses Verhalten untersagt. Die Genehmigung der ersten Behörde entfaltet dann eine Bindungswirkung für die später handelnde Behörde.</p>
<h3 id="b-auswahlermessen-wie">b) Auswahlermessen (“Wie”)</h3>
<p>Die polizeirechtliche Generalklausel räumt zudem ein Auswahlermessen ein. Dies betrifft das „Wie“ des Einschreitens, und zwar bezüglich der Störerauswahl und hinsichtlich der Mittelauswahl.</p>
<h3 id="aa-störerauswahl">aa) Störerauswahl</h3>
<p>Der Prüfungspunkt der Störerauswahl wird nur dann relevant, wenn es mehrere Störer gibt. Beispiel: A schüttet giftiges Dioxin auf das Grundstück des B. Fraglich ist, gegen wen hier vorgegangen werden muss.</p>
<h3 id="bb-mittelauswahl">bb) Mittelauswahl</h3>
<p>Bei der Mittelauswahl geht es um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, vgl. Art. 20 III GG. Die Maßnahme nach § 11 NPOG muss somit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.</p>


Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritt.

Öffentliches Recht

Polizeirechtliche Generalklausel, § 11 NPOG

<h2 id="überblick---standardmaßnahmen-§§-12-ff.-npog">Überblick - Standardmaßnahmen, §§ 12 ff. NPOG</h2>
<p>Die Standardmaßnahmen sind in den §§ 12 ff. NPOG geregelt. Im Rahmen der Standardmaßnahmen kann hinsichtlich der Vollstreckung eine grundlegende Unterscheidung getroffen werden. Es existieren Standardmaßnahmen ohne und Standardmaßnahmen mit Vollstreckungselement.</p>
<h3 id="i.-ohne-vollstreckungselement">I. Ohne Vollstreckungselement</h3>
<p>Standardmaßnahmen ohne Vollstreckungselement erschöpfen sich darin, zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu ermächtigen. Beispiel: Platzverweis, § 17 NPOG. Danach kann eine Person vom Platz verwiesen werden. Geht die Person dennoch nicht, regelt § 17 NPOG nicht, dass diese Person weggetragen werden darf oder auf ähnliche Weise vom Platz geschafft wird. Daher erschöpft sich der Platzverweis als Teil der Standardmaßnahmen ohne Vollstreckungselement darin, zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu ermächtigen. Er ist jedoch lex specialis zur polizeirechtlichen Generalklausel.<br>
Standardmaßnahmen mit Vollstreckungselement ermächtigen neben dem Erlass eines Verwaltungsaktes auch dazu, die Maßnahme selbst durchzuführen.</p>
<h3 id="ii.-mit-vollstreckungselement">II. Mit Vollstreckungselement</h3>
<p>Die Standardmaßnahmen mit Vollstreckungselement konkurrieren deshalb mit dem Vollstreckungsrecht. Beispiel: Sicherstellung, § 26 NPOG. § 26 NPOG ermächtigt als Teil der Standardmaßnahmen mit Vollstreckungselement die zuständige Stelle nicht nur zum Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern auch zum Zugriff auf die Sache, also gewissermaßen zur Vollstreckung des Verwaltungsaktes. Gleiches gilt für das Betreten und Durchsuchen von Wohnungen. § 24 NPOG ermächtigt auch zum tatsächlichen Betreten der Wohnung. Wenn Standardmaßnahmen ein Vollstreckungselement aufweisen, sind sie lex specialis gegenüber dem Vollstreckungsrecht, § 64 NPOG. An dieser Stelle ist jedoch genau zu prüfen, in welchem Umfang die Standardmaßnahme ein vollstreckungsrechtliches Element aufweist. Beispiel: Der Staat klopft bei A an die Tür und bittet um Einlass. A öffnet kurz die Tür, um sie nach Erblicken der Beamten sofort wieder zuzuschlagen. Daraufhin treten die Beamten die Tür ein, um die Wohnung zu betreten und zu durchsuchen. Fraglich ist, ob § 24 NPOG auch das Eintreten der Tür erfasst. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Bereits nach dem Wortlaut meint ein „Betreten“ nicht das „Eintreten“, sondern lediglich, dass man in die geschützte Räumlichkeit gelangt, ohne etwas zu beschädigen. Weiterhin spricht auch die Systematik für diese Auslegung. Standardmaßnahmen sind ganz besonders bestimmte Ermächtigungsgrundlagen im grundrechtssensiblen Bereich. Dies legt eine enge Auslegung nahe, da Standardmaßnahmen genaue Regelungen des Gesetzgebers sind, in denen normiert ist, was unter welchen Voraussetzungen getan werden darf. Hinsichtlich des Eintretens der Tür muss somit auf die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften zurückgegriffen werden. Bezüglich des späteren Betretens und Durchsuchens ist § 24 NPOG hingegen einschlägig.</p>



§ 11 NPOG

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