Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 ff. AEUV
Aufbau der Prüfung - Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 ff. AEUV
Die Warenverkehrsfreiheit ist in den Art. 28 ff. AEUV geregelt. Auch bei der Warenverkehrsfreiheit gilt der allgemeine Aufbau für Grundfreiheiten. Die Warenverkehrsfreiheit wird somit in drei Schritten geprüft: Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung.
I. Schutzbereich
Die Warenverkehrsfreiheit setzt zunächst voraus, dass der Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit betroffen ist.
1. Kein spezielles Sekundärrecht
Hier darf zunächst kein spezielles Sekundärrecht greifen. Regelt beispielsweise eine Verordnung diesen speziellen Fall, wäre diese vorrangig anzuwenden. Man würde somit nicht auf die Warenverkehrsfreiheit zurückgreifen.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit
Zudem müsste die Warenverkehrsfreiheit auch unmittelbar anwendbar sein. Das Primärrecht ist nur unmittelbar anwendbar, wenn es hinreichend bestimmt ist, es also keines weiteren Umsetzungsaktes bedarf („self-executing“). Für die Grundfreiheiten - und damit auch für die Warenverkehrsfreiheit - ist dies allgemein anerkannt.
3. Grenzüberschreitender Sachverhalt
Auch bei der Warenverkehrsfreiheit ist es erforderlich, dass ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. An dieser Stelle erfolgt gegebenenfalls die Abgrenzung zur reinen Inländerdiskriminierung.
4. Persönlicher Schutzbereich
In persönlicher Hinsicht schützt die Warenverkehrsfreiheit Angehörige der Mitgliedsstaaten, also Unionsbürger.
5. Sachlicher Schutzbereich
In sachlicher Hinsicht schützt die Warenverkehrsfreiheit Waren, die aus einem Mitgliedsstaat stammen. Der Begriff der Ware ist weit zu verstehen. Darunter fallen alle körperlichen und sonstigen Gegenstände, die einen Geldwert haben und daher Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. Hier sind auch nichtkörperliche Gegenstände, wie beispielsweise Rechte erfasst. Die Ware stammt aus einem Mitgliedsstaat, wenn sie dort vollständig gewonnen oder hergestellt wurde, zumindest aber die letzte wesentliche Verarbeitungsstufe dort durchlaufen wurde. Bereichsausnahmen gibt es für die Warenverkehrsfreiheit nicht.
II. Eingriff
Beim Eingriff gelten für die Warenverkehrsfreiheit die allgemeinen Regeln für die Prüfung der Grundfreiheiten.
1. Diskriminierung
Auch im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit kommen als Eingriffe offene und verdeckte Diskriminierungen in Betracht, wobei bei Beschränkungen die Dassonville-Formel, präzisiert durch die Keck-Formel, berücksichtigt werden muss.
2. Beschränkung
III. Rechtfertigung
Gleiches gilt für die Rechtfertigung.
1. Schranke
Auch bei der Warenverkehrsfreiheit müssen im Rahmen der Rechtfertigung zunächst die Schranken ermittelt werden.
a) Ausdrücklich, Art. 36 AEUV
Ausdrückliche Schranken finden sich in Art. 36 AEUV. Art. 36 AEUV betrifft die Warenverkehrsfreiheit. Ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit kann danach aufgrund der Belange der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit oder der Gesundheit gerechtfertigt sein. Beispiel: Von einer Ware gehen Gefahren für die Gesundheit aus.
b) Ungeschriebene
Zudem gelten auch bei der Warenverkehrsfreiheit ungeschriebene Schranken, wenn verdeckte Diskrimierungen oder Beschränkungen vorliegen. Ein Eingriff kann nach der „Cassis de Dijon“ Entscheidung dann gerechtfertigt sein, wenn zwingende Erfordernisse des betreffenden Mitgliedsstaates gegeben sind.
2. Schranken-Schranke
Zuletzt erfordert die Warenverkehrsfreiheit die Prüfung der Schranken-Schranken.
a) Verhältnismäßigkeit
Dies beinhaltet zum einen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, in welcher die Warenverkehrsfreiheit mit gegenläufigen Belangen abgewogen wird, und zum anderen die Beachtung sonstigen Primärrechts. Beispiel: Art. 6 EUV in Verbindung mit der Grundrechtscharta.