Problem - Zuordnung des entgangenen Gewinns
Problem - Zuordnung des entgangenen Gewinns
Im Rahmen des Schadensersatzes im Gewährleistungsrecht kann sich das Problem der Zuordnung des entgangenen Gewinns stellen. Fraglich ist hierbei, über welche Schadensersatznorm der entgangene Gewinn zu erstatten ist. V verkauft K sein Auto. Das Auto ist mangelhaft, da die Bremsen nicht funktionieren. V übergibt K das Fahrzeug, dessen Wert und Kaufpreis 10.000 Euro betragen. Aufgrund der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs springt ein Abkäufer des K ab, der für den Wagen 15.000 gezahlt hätte. Jetzt verlangt K von V Schadensersatz. Im Rahmen dieses Anspruchs ist die Zuordnung des entgangenen Gewinns problematisch. Ein Schadensersatzanspruch des K gegen V könnte sich aus den §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB ergeben. Der hier geforderte wirksame Kaufvertrag liegt vor. Ebenso ist auch ein Mangel zum maßgeblichen Zeitpunkt – hier die Übergabe – gegeben. Daraufhin sind die Voraussetzungen der jeweiligen Schadensersatznorm zu prüfen. Ein Schuldverhältnis ist vorliegend in dem zwischen K und V geschlossenen Kaufvertrag zu erblicken. Die Pflichtverletzung ist nach § 281 I 1 BGB die Nichterbringung oder nicht wie geschuldete Erbringung einer fälligen und möglichen Leistungspflicht trotz Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung. Vorliegend ist eine Schlechtleistung gegeben. Allerdings mangelt es an einer Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung. Diese ist jedoch nach § 281 II 2. Fall BGB entbehrlich, wenn die Fristsetzung sinnlos ist. Hier war der Abkäufer bereits abgesprungen, eine Nacherfüllung würde diesen entstandenen Schaden nicht ungeschehen machen. Daher ist eine Fristsetzung vorliegend entbehrlich. Ferner wird das Vertretenmüssen vermutet. Die Rechtsfolge ist danach Schadensersatz statt der Leistung. Es müsste somit insbesondere ein Schaden vorliegen, welcher nach der Differenzhypothese berechnet wird. Gemäß § 252 BGB wird auch der entgangene Gewinn erfasst. Es stellt sich jedoch das Problem der Zuordnung des entgangenen Gewinns. Fraglich ist also, ob eine Zuordnung des entgangenen Gewinns zum Schadensersatz statt oder neben der Leistung stattfindet.
I. Eine Ansicht
Eine Ansicht nimmt eine Zuordnung des entgangenen Gewinns zu den §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB und damit zum Schadensersatz statt der Leistung vor. Dies wird mit dem Recht der zweiten Andienung begründet. Die Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung enthielten das Erfordernis der Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung, welches den Vorrang der Nacherfüllung sichere. Dieser ginge verloren, wenn man eine Zuordnung des entgangenen Gewinns zum Schadensersatz neben der Leistung vornehme.
II. Andere Ansicht
Eine weitere Ansicht vertritt einen dynamischen Schadensbegriff und nimmt eine Zuordnung des entgangenen Gewinns je nach betroffenem Zeitraum an. In der ersten Phase, welche die Zeit nach Gefahrübergang bis zur Geltendmachung der Nacherfüllung erfasst, erfolgt eine Zuordnung des entgangenen Gewinns zum Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 I BGB. In der zweiten Phase, welche nach der Geltendmachung der Nacherfüllung beginnt, wird eine Zuordnung des entgangenen Gewinns zum Verzögerungsschaden vorgenommen, vgl. §§ 280 II, 286 BGB. In der letzten Phase, die nach einer Fristsetzung und dem Ablauf der Frist einsetzt erfolgt eine Zuordnung des entgangenen Gewinns zum Ersatzanspruch statt der Leistung gemäß den §§ 280 I, III, 281 BGB BGB. Argumentiert wird mit der Systematik, welche ein abgestuftes System mit unterschiedlichen Voraussetzungen vorsehe, die sich entsprechend ergänzten.
III. Weitere Ansicht
Eine weitere Ansicht nimmt eine ausschließliche Zuordnung des Gewinns zum Verzögerungsschaden vor. Denn jede Schlechtleistung sei im Grunde eine verspätete ordnungsgemäße Leistung, welche typischerweise eine Mahnung erforderlich mache.
IV. Weitere Ansicht
Bei der letzten Ansicht, die wohl herrschende Meinung, erfolgt eine Zuordnung des entgangenen Gewinns über die §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB und damit immer zum Schadensersatz neben der Leistung. Denn eine Fristsetzung sei bezüglich des entgangenen Gewinns sinnlos. Der Schaden könne durch die Nacherfüllung nicht ungeschehen gemacht werden. Außerdem sei der entgangene Gewinn nicht Teil der Leistungsvereinbarung, sondern betreffe das Vermögen, also ein Rechtsgut im Übrigen. Insofern steht das Integritätsinteresse im Mittelpunkt, welches vom Schadensersatz neben der Leistung abgedeckt werde.
Folgt man dieser Ansicht, ist Schadensersatz statt der Leistung vorliegend nicht einschlägig, sodass ein Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB zu prüfen wäre, welcher auch durchginge.