Problem - Isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen
Problem - Isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen
Im Rahmen des § 36 VwVfG kann sich die isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen als Problem stellen. Beispiel: A bekommt eine Baugenehmigung verbunden mit einer Auflage, noch weitere Toiletten einzubauen. A möchte nur gegen die Auflage, nicht jedoch gegen die Baugenehmigung im Ganzen vorgehen. Fraglich ist, ob eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen möglich ist.
I. Eine Ansicht
Eine Ansicht differenziert bei der Frage, ob eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen möglich ist, zwischen Auflage und Bedingung. Danach sei eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen nur bei Auflagen gegeben. Bei der Bedingung komme hingegen eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen nicht in Betracht.
II. Andere Ansicht
Eine weitere Ansicht differenziert hingegen nach Art des Verwaltungsaktes. Eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen sei nur bei gebundenen Verwaltungsakten möglich, nicht jedoch bei Ermessensentscheidungen.
III. Andere Ansicht (h. M.)
Die herrschende Meinung, insbesondere die Rechtsprechung, vertritt die Lehre von der prozessualen und materiellen Teilbarkeit. In prozessualer Hinsicht sei eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen immer gegeben, sodass die Statthaftigkeit in diesen Fällen zur Anfechtungsklage führe.
IV. Stellungnahme
Die erste Ansicht wird mit der unterschiedlichen Wirkungsweise von Bedingung und Auflage begründet. Die Bedingung suspendiert die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Wenn die Behörde einen Verwaltungsakt mit einer Bedingung versehe, wolle die Behörde, dass der Verwaltungsakt bis zum Eintritt der Bedingung unwirksam bleibe. Wäre eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen in Form einer Bedingung möglich, würde deren Erfolg zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes führen. Dies würde schwerwiegend in den Willen der Behörden eingreifen. Wähle die Behörde hingegen eine Auflage, wolle die Behörde, dass der Verwaltungsakt sofort wirksam werde. Lasse man eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen bei der Auflage zu und sei diese erfolgreich, betreffe dies nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Die zweite Ansicht argumentiert damit, dass bei einem Ermessenshauptverwaltungsakt das Ermessen einheitlich ausgeübt werde, und zwar bezüglich des Hauptverwaltungsaktes und des Versehens desselben mit Nebenbestimmungen. Würde man eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen in diesen Fällen bejahen, würde das einheitlich ausgeübte Ermessen zerschlagen. Diese Gefahr drohe bei einem gebundenen Verwaltungsakt nicht. Danach kann zunächst ein gebundener Hauptverwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung versehen vorliegen. Die Verwendung von Nebenbestimmungen liegt immer im Ermessen der Behörde, vgl. § 36 VwVfG. Beispiel: A bekommt eine Baugenehmigung. Diese ist ausgestaltet als gebundene Entscheidung. Liegen die Voraussetzungen vor, ist die Baugenehmigung zu erteilen. In diesen Fällen wäre eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen nach dieser Ansicht möglich, sofern die Nebenbestimmung rechtswidrig ist. Eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen sei jedoch zu verneinen, wenn der Hauptverwaltungsakt als Ermessensentscheidung ausgestaltet sei. Fallbeispiel: A bekommt ein Stipendium bewilligt. Dies steht im Ermessen der Behörde. Die Behörde verbindet die Stipendiumsbewilligung mit der Auflage, dass A bestimmte Arbeiten anfertigen muss. Hier liegt sowohl hinsichtlich des Hauptverwaltungsaktes als auch bezüglich der Nebenbestimmung eine Ermessensentscheidung vor, die einheitlich ausgeübt wird. Eventuell wird der Hauptverwaltungsakt nur erlassen, weil er mit einer Nebenbestimmung versehen ist. Daher sei in diesen Konstellationen eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen nicht möglich. Die dritte Ansicht verlagert das ganze Problem mithin auf die Begründetheit. In der Begründetheit müsse die Rechtmäßigkeit des Rest-Verwaltungsaktes geprüft werden. Sei eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen gegeben und werde gegen eine rechtswidrige Nebenbestimmung Anfechtungsklage erhoben, würde das Gericht diese Nebenbestimmung aufheben. Übrig bleibe dann ein Hauptverwaltungsakt. Es sei daher zu prüfen, ob dieser Verwaltungsakt nach Beseitigung der Nebenbestimmung rechtswidrig würde. Sollte die Prüfung ergeben, dass der Restverwaltungsakt rechtmäßig sei, gehe die Anfechtungsklage durch. Sollte die Prüfung dagegen ergeben, dass der Restverwaltungsakt ohne Nebenbestimmung rechtswidrig würde, dann müsse eine Umdeutung in eine Verpflichtungsklage erfolgen, gerichtet auf Erteilung einer Erlaubnis versehen mit einer verhältnismäßigen Nebenbestimmung. Beispiel: A erhält eine Fahrerlaubnis mit dem Zusatz, dass A eine Brille tragen muss. Diese Nebenbestimmung ist rechtswidrig, da ohne Not andere Arten der Sehhilfe ausgeschlossen werden. Erhebt A isoliert Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung, würde die Nebenbestimmung aufgehoben. Dann würde eine Fahrerlaubnis ohne jegliche Einschränkung verbleiben für jemanden, der nicht richtig sehen kann. Der Restverwaltungsakt wäre somit rechtswidrig. Daher hat nach der herrschenden Meinung eine Umdeutung in eine Verpflichtungsklage zu erfolgen, gerichtet auf Erteilung der Erlaubnis verbunden mit einer verhältnismäßigen Nebenbestimmung, beispielsweise „Sehhilfe“. Argumentiert wird mit dem effektiven Rechtsschutz, verankert in Art. 19 IV GG. Die schönste aller Klagearten sei die Anfechtungsklage. Denn diese sei eine Gestaltungsklage, sodass sich die Rechtslage bei erfolgreicher Anfechtung allein durch das Urteil ändere. Die Verpflichtungsklage führe lediglich dazu, dass das Gericht die Behörde verpflichte, zu handeln. Die anderen Auffassungen verneinten eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen entweder hinsichtlich der Bedingung oder bezüglich einer Ermessensentscheidung und schwenkten recht früh auf die Verpflichtungsklage um. Nur wenn der Restverwaltungsakt rechtswidrig werde, deutet die herrschende Meinung in eine Verpflichtungsklage um.