Problem - Bedrohter - Genötigter
Problem – Bedrohter – Genötigter
Fraglich ist, wie es sich auswirkt, wenn der Bedrohte i.S.d. Nötigungsdelikte ein anderer ist als der Genötigte, also Bedrohter und Genötigter auseinander fallen. Dieses Problem – Bedrohter und Genötigter sind nicht identisch - kann sich sowohl im Rahmen der Nötigung, als auch beim Raub, bei der Erpressung oder der räuberischer Erpressung stellen. Beispiel: Der A hält einem Kunden X in der Bank eine Schusswaffe vor den Kopf und sagt zu dem Kassierer Y: „Gib mir Geld oder ich erschieße diesen Kunden.“ Daraufhin übergibt der Kassierer dem Täter das geforderte Geld. Innerhalb der zu prüfenden Delikte stellt sich die Frage, ob eine Nötigung vorliegt. Die Voraussetzungen einer Nötigung für den Fall, dass Bedrohter und Genötigter auseinander fallen, sind zunächst unstreitig. Alle Theorien fordern, wenn Genötigter und Bedrohter nicht identisch sind, ein sogenanntes Näheverhältnis zwischen diesen beiden. Wie dieses Näheverhältnis definiert wird, ist jedoch strittig.
I. Eine Ansicht
Eine Ansicht verlangt, dass Bedrohter und Genötigter in einem Näheverhältnis i.S.v. § 35 StGB stehen müssen, beispielsweise ein Angehörigenverhältnis. Im vorliegenden Fall wäre dies zu verneinen, sodass eine Nötigung nicht vorläge. Argumentiert wird damit, dass die Nötigungsdelikte ohne eine solche Einschränkung ausufern würden.
II. Andere Ansicht (h.M.)
Die herrschende Meinung stellt hingegen darauf ab, dass der Genötigte sich für das Schicksal des Bedrohten verantwortlich fühlen müsse und vertritt somit eine weite Betrachtung. Für den Beispielsfall bedeutet dies, dass Genötigter und Bedrohter in einem solchen Näheverhältnis stünden, da der Bankangestellte sich üblicherweise für das Schicksal seines Kunden verantwortlich fühlen wird, ausgenommen es handelt sich um seinen Erzfeind, der ihm bereits nach dem Leben getrachtet hat. Als Argument führt diese Auffassung den Wortlaut der Nötigungsdelikte an, welche keinerlei Einschränkung des Personenkreises enthielten. Zudem führe die andere Ansicht zu nicht nachvollziehbaren Strafbarkeitslücken. Im vorliegenden Fall wäre nach der ersten Theorie nämlich weder ein Raub, noch eine räuberische Erpressung und noch nicht einmal eine Nötigung gegeben. Für den Fall, dass Genötigter und Bedrohter auseinander fallen, müsse der Begriff des Näheverhältnisses möglichst weit verstanden werden.