Problem - Aberratio ictus

Problem – aberratio ictus

Die aberratio ictus bedeutet das Fehlgehen des Schlages bzw. der Tat. Im Falle der aberratio ictus hat der Täter ein ganz bestimmtes Objekt, eine Person oder eine Sache konkretisiert, der Schlag oder Schuss verfehlt jedoch sein Ziel.

I. Grundfall

Beispiel: A schießt mit Tötungsvorsatz auf B. Der Schuss geht daneben und trifft den dahinter oder in der Nähe stehenden C. Bei der Prüfung des § 212 I StGB stellt sich innerhalb des subjektiven Tatbestands die Frage, wie sich die aberratio ictus auswirkt. Hierbei ist die Rechtsfolge des Irrtums umstritten.

1. Formelle Gleichwertigkeitstheorie

Nach einer Auffassung, der formelle Gleichwertigkeitstheorie, gilt für die aberratio ictus, dass der Vorsatz bestehen bleibt, wenn die Rechtsgüter formell gleichwertig sind. Argument hierfür ist der Wortlaut der Norm, wonach es auf die Tötung eines Menschen, nicht auf die Tötung eines bestimmten Menschen ankommt.

2. Adäquanztheorie

Nach der sogenannten Adäquanztheorie führt das Vorliegen einer aberratio ictus in der Regel zur Bejahung des Vorsatzes, da es sich hierbei um den Unterfall eines Irrtums über den Kausalverlauf handelt. Ist es dunkel, die Sicht schlecht oder besteht eine große Entfernung, liegt es nicht außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass der Schlag bzw. Schuss fehlgeht.

3. Konkretisierungstheorie (h.M.)

Nach herrschender Meinung, der sogenannten Konkretisierungstheorie, wird der Vorsatz im Falle der aberratio ictus regelmäßig verneint. Argument dieser Auffassung ist, dass der Täter den Vorsatz auf eine ganz bestimmte Person konkretisiert hat. Daher sei es eine Fiktion, diesen bezüglich einer anderen Person anzunehmen. Nach Ablehnung des Vorsatzes wäre versuchter Totschlags an B und fahrlässige Tötung an C zu prüfen.

II. Abgrenzung error in persona / aberratio ictus

Bei fehlender sinnlicher Wahrnehmung stellt sich das Sonderproblem der  Abgrenzung der aberratio ictus vom error in persona vel objecto. Beispiel: A installiert eine Bombe an einem Auto und geht davon aus, ein bestimmter Politiker werde das Auto am nächsten Morgen benutzen. Nach der Installation macht sich der A aus dem Staub. Am nächsten Tag nutzt wider Erwarten die Ehefrau des Politikers das Fahrzeug und wird durch die Detonation der Bombe getötet.

1. Eine Ansicht

Nach einer Auffassung liegt hier eine aberratio ictus vor, sodass der Vorsatz zu verneinen ist. Argument hierfür ist, dass es rechtlich keinen Unterschied machen kann, ob der Täter die Bombe installiert oder wirft.

2. Andere Ansicht (h.M.)

Nach der herrschenden Meinung liegt in diesen Fällen keine aberratio ictus, sondern ein error in persona vor, sodass aufgrund der Gleichwertigkeit der Objekte der Irrtum unbeachtlich ist und Vorsatz damit bestehen bleibt, denn der Täter hat seinen Vorsatz auf die Person konkretisiert, die den Wagen betritt und genau diese ist auch getötet worden. Als Argument dient die kriminalpolitische Erwägung, dass der Täter hochgefährliche Gegenstände aus der Hand gegeben und sich danach entfernt hat.

 

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