Polizeirechtliche Generalklausel, §§ 174, 176 LVwG

Aufbau der Prüfung - Polizeirechtliche Generalklausel, §§ 174, 176 LVwG

Die polizeirechtliche Generalklausel ist in den §§ 174, 176 LVwG geregelt. Beispiel: A läuft mit verdrehten Augen und erhobener Waffe Richtung Bank. Geschildert wird die Situation eines Banküberfalls. P ist Polizist und ruft: „Halt!“ Hier ist die Rechtmäßigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes zu prüfen.

I. Ermächtigungsgrundlage

Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes setzt zunächst eine Ermächtigungsgrundlage voraus.

1. Spezialgesetz

Bevor auf die polizeirechtliche Generalklausel der §§ 174, 176 LVwG zurückgegriffen werden kann, ist zu erörtern, ob nicht eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage greift. Beispiele: §§ 5, 15 VersG. Solche spezialgesetzlichen Regelungen kommen im obigen Beispielsfall nicht in Betracht.

2. Standardmaßnahmen, §§ 199 ff. LVwG

Weiterhin ist zu prüfen, ob sogenannte Standardmaßnahmen gemäß den §§ 199 ff. LVwG vorliegen, da auch diese die polizeirechtliche Generalklausel verdrängen. Standardmaßnahmen sind ganz besonders bestimmte Ermächtigungsgrundlagen im grundrechtssensiblen Bereich. Beispiel: Sicherstellung, Betreten und Durchsuchen von Wohnungen.

3. Generalklausel, §§ 174, 176 LVwG

Greift weder eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage noch eine Standardmaßnahme, ist die polizeirechtliche Generalklausel zu prüfen.

II. Formelle Rechtmäßigkeit

Die polizeirechtliche Generalklausel setzt in ihrer formellen Rechtmäßigkeit zunächst voraus, dass die Vorschriften für die Zuständigkeit, das Verfahren und die Form eingehalten worden sind. Grundsätzlich sind die allgemeinen Ordnungsbehörden zuständig, also diejenigen ohne Uniform, vgl. § 165 LVwG. Die spezielle Zuständigkeit der Polizei folgt aus § 168 I Nr. 3 LVwG. Hiernach ist die Polizei dann zuständig, wenn es um eine unaufschiebbare Maßnahme geht, wenn also eine effektive Gefahrenabwehr durch die allgemeinen Ordnungsbehörden nicht möglich ist. Beispiel: Maßnahmen, die besonders schnell und/oder vor Ort erfolgen müssen. Im obigen Beispielsfall ist der Polizist nach § 168 I Nr. 3 LVwG zuständig.

III. Materielle Rechtmäßigkeit

Weiterhin fordert die polizeirechtliche Generalklausel, dass auch die materielle Rechtmäßigkeit gegeben ist.

1. Voraussetzungen

Es müssen mithin die Voraussetzungen der §§ 174, 176 LVwG geprüft werden.

a) Schutzgut

Die polizeirechtliche Generalklausel erwähnt als Schutzgut die öffentliche Sicherheit. Im Beispielsfall sind das geschriebene Recht und Individualrechtsgüter als Teil der öffentlichen Sicherheit betroffen. Die polizeirechtliche Generalklausel erwähnt hingegen nicht explizit die öffentliche Ordnung als Schutzgut. Über das geschriebene Recht gilt jedoch § 118 OWiG, welcher auch das Merkmal der öffentlichen Ordnung enthält.

b) Gefahr

Weiterhin verlangt die polizeirechtliche Generalklausel eine Gefahr für das Schutzgut. Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Im obigen Fall spricht alles dafür, dass A die Bank alsbald überfallen wird und die genannten Schutzgüter betroffen sind.

c) Ordnungspflichtigkeit, §§ 218-220 LVwG

Zuletzt fordert die polizeirechtliche Generalklausel die Ordnungspflichtigkeit des Betroffenen. Dies wird auch „Polizeipflichtigkeit“ oder „richtiger Störer“ genannt. Nach den §§ 218 bis 220 LVwG geht es darum, dass der richtige Störer herangezogen wird. Beispiel: Gehen aufgrund von Baumängeln Gefahren vom Haus des B aus, darf nur gegen B vorgegangen werden, nicht gegen einen willkürlichen Dritten. Im obigen Fallbeispiel zum Banküberfall ist A Verhaltensstörer gemäß § 218 LVwG. Es können folglich nur gegenüber A Maßnahmen ergriffen werden.

2. Rechtsfolge: Ermessen

Die polizeirechtliche Generalklausel räumt der Polizei auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen ein. Dieses Ermessen hat zwei Bezugspunkte, das Entschließungsermessen und das Auswahlermessen.

a) Entschließungsermessen ("Ob")

Zum einen räumt die polizeirechtliche Generalklausel ein Entschließungsermessen ein. Im Rahmen des Entschließungsermessens geht es um das „Ob“ des Einschreitens. Veranlassung zu dessen Erörterung besteht nur in wenigen Fällen, beispielsweise wenn die Behörde sich durch ein bestimmtes Vorverhalten in der Vergangenheit selbst gebunden hat und wegen Art. 3 I GG nicht handeln darf. Beispiel: Nichteinschreiten in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen in der Vergangenheit. Gleiches gilt, wenn eine Behörde in der Vergangenheit ein konkretes Verhalten genehmigt hat und später eine andere Behörde dieses Verhalten untersagt. Die Genehmigung der ersten Behörde entfaltet dann eine Bindungswirkung für die später handelnde Behörde.

b) Auswahlermessen ("Wie")

Die polizeirechtliche Generalklausel räumt zudem ein Auswahlermessen ein. Dies betrifft das „Wie“ des Einschreitens, und zwar bezüglich der Störerauswahl und hinsichtlich der Mittelauswahl.

aa) Störerauswahl

Der Prüfungspunkt der Störerauswahl wird nur dann relevant, wenn es mehrere Störer gibt. Beispiel: A schüttet giftiges Dioxin auf das Grundstück des B. Fraglich ist, gegen wen hier vorgegangen werden muss.

bb) Mittelauswahl

Bei der Mittelauswahl geht es um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, vgl. Art. 20 III GG. Die Maßnahme nach den §§ 174, 176 LVwG muss somit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.

 

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