Notwehr, § 32 StGB
1. Examen/SR/AT 2
Prüfungsschema: Notwehr, § 32 StGB
I. Notwehrlage
1. Angriff
- Angriff ist jede drohende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen.
2. Gegenwärtigkeit des Angriffs
- Gegenwärtig ist ein Angriff i.S.d. § 32 StGB, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert.
3. Rechtswidrigkeit des Angriffs
- Rechtswidrig ist jeder Angriff, wenn der Angreifer seinerseits nicht gerechtfertigt ist.
II. Notwehrhandlung
1. Erforderlichkeit
a) Geeignetheit
- Die Abwehrhandlung muss dazu geeignet sein, den Angriff abzuwehren.
b) Mildestes Mittel (bei gleicher Eignung)
- Das mildeste Mittel setzt voraus, dass bei gleicher Eignung ein Mittel gewählt wurde, dass per se milder ist als die anderen zur Verfügung stehenden Mittel.
- Bei Schusswaffengebrauch: Verbal warnen, dann Warnschuss, dann Schuss in Körperregionen, bei welchen keine Lebensbedrohlichkeit vorliegt; Beispiel: Knie, Unterschenkel, Schulter; tödlicher Schuss nur ultima ratio.
- Keine Güterabwägung!
2. Gebotenheit
- Sozialethische Einschränkungen
- Fallgruppen:
a) Krasses Missverhältnis
- Beispiel: Kirschdieb wird erschossen.
b) Angriff erkennbar schuldlos Handelnder
- Beispiel: Kinder
c) Familie
- Beispiel: Geschwister
d) Bagatellangriffe
- Beispiel: Anrempeln
e) Provokation
aa) Absichtsprovokation
- Absichtsprovokation liegt vor, wenn der Verteidigende eine Notwehrsituation sehenden Auges schafft, also die Notwehr herbeiführt, um sich unter dem Deckmantel des § 32 StGB verteidigen zu können.
- Notwehrrecht entfällt.
bb) Fahrlässige Notwehrprovokation
- Problem: Rechtsfolge der fahrlässigen Notwehrprovokation
- aA: Actio illicita in causa, Strafbarkeit knüpft an Provokation an; Arg.: Zurechnung schuldhaften Vorverhaltens
- hM: Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr; Arg.: Notwehrrecht muss sachgerecht eingeschränkt werden; Umgehung des § 32 StGB
III. Notwehrwille (Verteidigungswille/subjektives Rechtfertigungselement)
- Kenntnis der Notwehrlage
- Notwehrlage hat Täter zu Notwehrhandlung motiviert
- Problem: Fehlendes subjektives Rechtfertigungselement (umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum)
- aA: Straflos; Arg.: Objektiv gerechtfertigt
- Rspr: Vollendungslösung; Arg.: Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes liegen nicht sämtlich vor.
- hL: Versuchslösung; Arg.: Erfolgsunrecht entfällt, Handlungsunrecht bleibt bestehen