Nichtigkeitsklage, Art. 263 ff. AEUV
Aufbau der Prüfung - Nichtigkeitsklage, Art. 263 ff. AEUV
Die Nichtigkeitsklage gehört zu den Verfahren vor dem EuGH und ist in den Art. 263 ff. AEUV geregelt. Beispiel: Die BRD gewährt auf nationaler Ebene eine Beihilfe, subventioniert zum Beispiel VW. Nun beschließt die Kommission, dass diese Beihilfe nicht mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist. Die BRD ist mit dem Beschluss nicht einverstanden und möchte dagegen vorgehen. In Betracht kommt hier eine Nichtigkeitsklage. Auch die Nichtigkeitsklage wird in zwei Schritten geprüft: Zulässigkeit und Begründetheit.
A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit
Im Rahmen der Zulässigkeit ist zunächst die Zuständigkeit zu prüfen. Für die Nichtigkeitsklage ist erstinstanzlich das Gericht zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 256 I AEUV. Im Übrigen ist der EuGH zuständig, vgl. Art. 263 AEUV.
II. Beteiligtenfähigkeit
Weiterhin verlangt die Nichtigkeitsklage die Beteiligtenfähigkeit.
1. Aktiv
Aktiv beteiligtenfähig sind die Mitgliedsstaaten und im Übrigen die Organe der EU, vgl. Art. 263 II, III AEUV. Darüber hinaus sind auch natürliche und juristische Personen aktiv beteiligtenfähig, vgl. Art. 263 IV AEUV. Im Beispielsfall wäre die BRD aktiv beteiligtenfähig.
2. Passiv
Im Rahmen der Nichtigkeitsklage sind die Organe der EU, Einrichtungen und sonstige Stellen (europäische Agenturen) passiv beteiligtenfähig. Vorliegend wendet sich die BRD gegen eine Maßnahme der Kommission.
III. Klagegegenstand
Die Nichtigkeitsklage hat rechtserhebliche Handlungen der Organe zum Gegenstand. In Art. 263 I AEUV sind zwar nur Rechtshandlungen genannt. Dort sind aber auch Stellungnahmen und Empfehlungen ausgenommen, woraus zu schließen ist, dass der Klagegegenstand der Nichtigkeitsklage nur rechtserhebliche Handlungen sein können. Im Beispielsfall: Rechtserheblicher Beschluss der Kommission über die Unvereinbarkeit der nationalen Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt.
IV. Klagebefugnis
Ferner erfordert die Nichtigkeitsklage eine Klagebefugnis. Diese hängt davon ab, wer Nichtigkeitsklage erhebt.
1. Art. 263 II AEUV
Wird die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 II AEUV von einem Mitgliedsstaat oder den in Absatz 2 genannten Organen der EU erhoben, ist die Klagebefugnis nicht erforderlich.
2. Art. 263 III AEUV
Bei der Erhebung der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 III AEUV durch die dort genannten Organe ist eine Klagebefugnis jedoch Voraussetzung der Nichtigkeitsklage. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut („Wahrung ihrer Rechte).
3. Art. 263 IV AEUV
Erheben natürliche oder juristische Personen nach Art. 263 IV AEUV Nichtigkeitsklage ist zwischen Handlungen und Gesetzgebungsakten der EU zu unterschieden.
a) Handlung
Bei Handlungen der Organe der EU ist der Adressat stets klagebefugt. Etwas anderes gilt, wenn ein Dritter Nichtigkeitsklage erhebt. Dann fordert Art. 263 IV eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit. Die Betroffenheit ist dann individuell, wenn der Dritte so ähnlich betroffen ist, wie der Adressat selbst.
b) Verordnungen
Bei Verordnungen reicht nach dem Wortlaut die unmittelbare Betroffenheit aus. Allerdings wird bei Gesetzgebungsakten, wie beispielsweise der Verordnung, auch die Individualität der Betroffenheit gefordert.
V. Klagegrund, Art. 263 I AEUV
Ferner setzt die Nichtigkeitsklage im Rahmen der Zulässigkeit einen Klagegrund voraus. Art. 263 I AEUV nennt verschiedene Gründe, aus denen man Nichtigkeitsklage erheben kann.
VI. Klagefrist, Art. 263 VI AEUV
Zuletzt ist die Klagefrist Zulässigkeitsvoraussetzung. Diese ist in Art. 263 VI AEUV geregelt und beträgt zwei Monate. Sie läuft je nach Form der Bekanntgabe.
B. Begründetheit
Die Nichtigkeitsklage ist ferner begründet, wenn ein Nichtigkeitsgrund gegeben ist. Es muss somit einer der in Art. 263 II AEUV genannten Nichtigkeitsgründe vorliegen.
I. Unzuständigkeit
Nichtigkeitsgrund der Nichtigkeitsklage kann zunächst die Unzuständigkeit sein. Hier ist zwischen Verbandszuständigkeit und Organzuständigkeit zu differenzieren. Die Verbandszuständigkeit betrifft die Frage, ob auf europäischer Ebene gehandelt werden durfte oder ob auf nationaler Ebene gehandelt werden musste. Hier ist der Grundsatz der Subsidiarität des Art. 5 III AEUV zu beachten, wonach im Zweifel die Angelegenheiten besser auf nationaler Ebene geregelt werden. Sind die Organe der EU zuständig, stellt sich weiterhin die Frage, wer auf europäischer Ebene handeln darf. Dies betrifft die Frage der Organzuständigkeit.
II. Verletzung wesentlicher Formvorschriften
Ferner ist ein Nichtigkeitsgrund im Sinne der Nichtigkeitsklage die Verletzung wesentlicher Formvorschriften, wobei die Verletzung wesentlich ist, wenn unter Berücksichtigung der Formvorschrift eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre.
III. Verletzung der Verträge
Darüber hinaus ist auch die Nichteinhaltung der Verträge Nichtigkeitsgrund im Rahmen der Nichtigkeitsklage. Dies ist ein Auffangtatbestand, der nur greift, wenn die oben genannten Nichtigkeitsgründe nicht einschlägig sind. An dieser Stelle können Regelungen des Primärrechts oder des Sekundärrechts betroffen sein.
IV. Ermessensmissbrauch
Zuletzt gehört auch der Ermessensmissbrauch zu den Nichtigkeitsgründen bei der Nichtigkeitsklage. Dieser ist gegeben, wenn das Organ bei seiner Handlung vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig sachfremde Ziele verfolgt. Dies ist beim Beschluss der Kommission im Beispielsfall nicht erkennbar.
Sollte aber ein Nichtigkeitsgrund vorliegen, ergeht ein Gestaltungsurteil, vgl. Art. 264 I AEUV. Mithin kassiert der EuGH bzw. das Gericht die Maßnahme. Im Übrigen müssen die Organe bereits eingetretene Folgen beseitigen, Art. 266 AEUV.