Gerichtliche Prüfung nach Prozessvergleich

Überblick - Gerichtliche Prüfung nach Prozessvergleich

Die gerichtliche Prüfung nach Prozessvergleich ist eine besondere Konstellation im Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsformen. Beispiel: A beantragt bei der Behörde eine Baugenehmigung. Die Behörde lehnt den Antrag ab. Im Ergebnis erhebt A Verpflichtungsklage. Dann vergleichen sich A und die Behörde, wobei A von seiner ursprüngliche Forderung teilweise abrückt. Später fällt dem A jedoch ein, dass er doch gerne die volle Baugenehmigung hätte und ist der Auffassung, dass der Prozessvergleich unwirksam ist. Er möchte daher sein ursprüngliches Begehren vor Gericht fortführen. Die gerichtliche Prüfung nach Prozessvergleich erfolgt in zwei Schritten. Zunächst prüft das Gericht die Wirksamkeit des Prozessvergleichs. Erst dann setzt es die Prüfung gegebenenfalls mit der Zulässigkeit und der Begründetheit der ursprünglichen Klage fort.

A. Wirksamkeit des Prozessvergleichs

Die Prüfung der Wirksamkeit des Prozessvergleichs erfolgt im Sinne einer Vorprüfung. Sollte nämlich das Prozessrechtsverhältnis durch den Prozessvergleich wirksam beendet worden sein, so gelangt das Gericht nicht mehr zur weiteren Prüfung der Klage. Im Rahmen der Wirksamkeit des Prozessvergleichs wird dreistufig geprüft: Das Vorliegen eines Prozessvergleichs, die prozessuale Wirksamkeit des Prozessvergleichs und die materielle Wirksamkeit des Prozessvergleichs.

I. Vorliegen eines Prozessvergleichs

Ein Prozessvergleich ist ein Vertrag, durch den die Beteiligten einen zwischen ihnen bestehenden Rechtsstreit beenden. Aus dieser Definition folgt, dass der Prozessvergleich über eine Doppelnatur verfügt. Einerseits beinhaltet der Prozessvergleich eine Prozesshandlung, denn durch den Prozessvergleich wird der Prozess beendet. Andererseits stellt der Prozessvergleich materiell-rechtlich einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Daraus folgt, dass sowohl hinsichtlich der prozessualen, als auch bezüglich der materiell-rechtlichen Komponente die Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben sein müssen.

II. Prozessuale Wirksamkeit

1. Beteiligten-/Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO

Die prozessuale Wirksamkeit des Prozessvergleichs setzt zunächst als allgemeine Anforderung, welche an die Prozesshandlungen zu stellen sind, die Beteiligten- und Prozessfähigkeit gemäß §§ 61, 62 VwGO voraus. Beispiel: Ein Hund vertreten durch sein Herrchen kann keinen Prozessvergleich schließen. Dieser Prüfungspunkt birgt üblicherweise keine Probleme.

2. Abschluss vor Gericht

Weiterhin muss ein Abschluss vor Gericht vorliegen. Es geht mithin um einen Prozessvergleich und nicht um einen außergerichtlich geschlossenen Vergleich.

3. Niederschrift, §§ 106, 105 VwGO

Zuletzt muss als formelle Anforderung die Niederschrift gemäß §§ 106, 105 VwGO vorliegen, wobei § 105 VwGO auf die einschlägigen Vorschriften der ZPO verweist. Insbesondere ist § 162 VwGO hervorzuheben. Dieser regelt, dass es ausreichend aber auch erforderlich ist, dass ein Prozessvergleich vorgelesen und genehmigt wird („v.u.g.“).

III. Materielle Wirksamkeit

In materieller Hinsicht stellt der Prozessvergleich, wie obig bereits erwähnt, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Dies kann bedeuten, dass an dieser Stelle komplett inzidenter die Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags am Maßstab der §§ 54 ff. VwVfG geprüft werden muss. Hierbei sind insbesondere die Anforderungen des § 59 II Nr. 3 VwVfG zu beachten. Dort ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Vergleichsvertrag unwirksam ist.

B. Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage

Nach der Prüfung der Wirksamkeit des Prozessvergleichs erfolgt bei anfänglicher Unwirksamkeit des Prozessvergleichs die Analyse von Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage. Das bedeutet, dass einer der obig genannten Nichtigkeitsgründe von Anfang an vorgelegen haben muss. Denn dann wurde die ursprüngliche Klage nicht durch den Prozessvergleich beendet, sodass der Prozess fortgeführt werden und das Gericht an die ursprüngliche Klage anknüpfen kann. Ist der Prozessvergleich wirksam geschlossen worden oder ist er nur nachträglich unwirksam, dann wurde der Prozess wirksam durch den Prozessvergleich beendet, sodass kein Prozess mehr existiert, in dessen Rahmen Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage geprüft werden könnten. In diesem Fall stellt das Gericht lediglich die Beendigung des Rechtsstreits durch Urteil fest. Sollte sich A in dem obigen Beispielsfall in dem mit der Behörde geschlossenen Prozessvergleich verpflichtet haben, sein Haus abzureißen, so kann A, beispielsweise für den Fall, dass die Behörde aus dem Vergleich vollstrecken will, in dem Verfahren gegebenenfalls auch gerichtlich vortragen, dass der Prozessvergleich unwirksam ist. Das ursprüngliche Begehren kann dann jedoch nicht mehr fortgeführt werden. Aufbauhinweis: Der Prozessvergleich taucht im Tatbestand vor den Anträgen auf, da er für deren Verständnis von Bedeutung ist.

 

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