Fall: Aus dem Leben einer GmbH

Teil 1
G1 und G2 betreiben seit Jahren einen Elektronikgroßhandel in der Rechtsform der OHG (T-OHG). Um künftig den enormen Haftungsrisiken entgehen zu können, wollen sie eine GmbH gründen, die unter Elektronikgroßhandel G1&G2 GmbH (E-GmbH) firmieren soll. G1 kann dies nicht abwarten und kauft schon vor Abschluss des GmbH-Gesellschaftsvertrags im Namen der Gesellschaft bei einem Händler H Waren zu einem Preis von Euro 40.000,-. H möchte nun wissen, von wem er – nach Eintragung der GmbH - die Zahlung der Euro 40.000,-verlangen kann. Teil 2
M1 und M2 vereinbaren Mitte März 2015 mit notariellem Vertrag die Gründung der M-GmbH mit einem Stammkapital von Euro 25.000,-. Sie zahlen jeweils Euro 12.500,- ein und ernennen G formgemäß zum Geschäftsführer. Bereits vor Eintragung der Gesellschaft ordert G im Namen der Gesellschaft mit Zustimmung von M1 und M2 bei H Waren im Wert von Euro 30.000,-. H möchte nun wissen, von wem er die Zahlung der Euro 30.000,-verlangen kann. Abwandlung zu Teil 2
Kurz nach der Bestellung wird die M-GmbH eingetragen. H möchte wissen, von wem er nun die Zahlung der Euro 30.000,-verlangen kann.


Teil 1

A. Anspruch des H gegen die E-GmbH

I. Anspruch aus § 433 II BGB

1. Gegen die E-GmbH
H könnte einen Anspruch gegen die E-GmbH auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 40.000,- aus § 433 II BGB haben. Dies setzt voraus, dass die E-GmbH als Rechtssubjekt besteht und durch den Kaufvertrag gegenüber H wirksam verpflichtet wurde.
Zunächst müsste dafür die E-GmbH als Rechtssubjekt überhaupt bestehen. Dies ist hier deshalb fraglich, weil der Kaufvertrag mit H bereits vor Abschluss des GmbH-Vertrages geschlossen wurde. Das Bestehen einer GmbH setzt deren Eintragung in das Handelsregister voraus. Dies war hier zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses gerade nicht der Fall, so dass die E-GmbH zu diesem Zeitpunkt nicht bestand. Ein Anspruch des H gegen die E-GmbH kommt daher nicht in Betracht.

2. Gegen die Vor-GmbH
Möglicherweise besteht ein Anspruch des H gegen die Vor-GmbH bzw. mit deren Eintragung dann später gegen die E-GmbH. Grundsätzlich kann auch schon die Vor-GmbH, die zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der Eintragung besteht, verpflichtet werden. Sie wandelt sich mit der Eintragung in die GmbH und bleibt dabei dasselbe Rechtssubjekt, so dass Rechte und Pflichten der Vor-GmbH auf die GmbH mit der Eintragung automatisch übergehen. Für eine Verpflichtung der Vor-GmbH müsste aber im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein wirksamer GmbH-Gesellschaftsvertrag bereits vorgelegen haben. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit G war der Gesellschaftsvertrag aber noch nicht abgeschlossen, so dass hier auch keine Verpflichtung der Vor-GmbH in Betracht kommt.

3. Übergang der Verbindlichkeiten der Vorgründungsgesellschaft auf die E-GmbH
Zu prüfen bleibt schließlich, ob Verbindlichkeiten, die gegen die Vorgründungsgesellschaft bestehen, auf die E-GmbH übergegangen sind und sich daraus ein Anspruch des H gegen die E-GmbH ergibt.

a. Gesetzlicher Übergang
Ein gesetzlicher Übergang der Verbindlichkeiten der Vorgründungsgesellschaft auf die GmbH kommt nicht in Betracht, da die Vorgründungsgesellschaft rechtlich unabhängig von der GmbH und auch von der Vor-GmbH ist. Die Vorgründungsgesellschaft, hier die von G1 und G2 betriebene T-OHG, ist damit ein selbständiges Rechtssubjekt, das mit der E-GmbH und deren Vor-GmbH, in rechtlicher Hinsicht nichts zu tun hat, so dass hier auch kein gesetzlicher Übergang der Verbindlichkeiten zwischen den beiden Rechtssubjekten erfolgt.

b. Rechtsgeschäftlicher Übergang
Grundsätzlich denkbar ist aber ein rechtsgeschäftlicher Übergang von Rechten und Verbindlichkeiten von der Vorgründungsgesellschaft auf die GmbH. Dies kann bei Forderungen durch Abtretung erfolgen. Bei Verbindlichkeiten kommt ein rechtsgeschäftlicher Übergang durch Vertrags- oder Schuldübernahme in Betracht. Für einen solchen Übergang sind hier indes keine Anhaltspunkte ersichtlich. Er kann sich hier auch nicht stillschweigend vollzogen haben, da er eine Beteiligung des Gläubigers in Form der Zustimmung erfordert. Vorliegend hat der H keine Zustimmung erteilt. Damit kommt auch ein rechtsgeschäftlicher Übergang der Verbindlichkeiten auf die GmbH hier nicht in Betracht.

4. Haftung der GmbH über § 25 I 1 HGB
Möglicherweise ergibt sich aber eine Haftung der GmbH für die Kaufpreisforderung aus § 433 II BGB i.V.m. § 25 I 1 HGB. Nach dieser Vorschrift haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Es müsste also insbesondere eine Fortführung der bisherigen Firma gegeben sein. Die bisherige Firma war die T-OHG. Anhaltspunkte für eine Fortführung derselben durch die E-GmbH sind nicht ersichtlich. Insbesondere firmiert die E-GmbH auch nicht unter „T“, wie die T-OHG dies tat. Damit liegen die Voraussetzungen des § 25 I 1 HGB nicht vor, so dass hier eine Haftung der GmbH für die Kaufpreisforderung aus § 433 II BGB i.V.m. § 25 I 1 HGB nicht in Betracht kommt.

II. Ergebnis
Damit kommt auch insgesamt kein Anspruch des H gegen die E-GmbH auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 40.000,- in Betracht.

B. Anspruch gegen die T-OHG
H könnte aber gegen die T-OHG einen Anspruch auf Zahlung der Kaufpreisforderung aus § 433 II BGB i.V.m. § 124 I HGB haben. Dafür müsste zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine nach außen wirksame OHG bestanden haben und es müsste eine Verbindlichkeit der OHG begründet worden sein, hier also ein wirksamer Kaufvertrag zwischen H und der T-OHG zustande gekommen sein.

I. Nach außen wirksame OHG
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die T-OHG eine nach außen wirksame OHG ist.

II. Verbindlichkeit der OHG
Ferner müsste eine Verbindlichkeit der OHG gegeben sein. Eine solche könnte sich aus dem Kaufvertrag mit H ergeben. Dazu müsste G1 die T-OHG wirksam vertreten haben. Hier liegt eine Einigung über den Abschluss des Kaufs der Waren mit H vor. Dabei hat G1 eine eigene Willenserklärung im Namen der „Gesellschaft“ abgegeben, die hier nach den Grundsätzen der unternehmensbezogenen Geschäfte der T-OHG zuzurechnen ist. Die Vertretungsmacht des G1 für die OHG ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte als gegeben anzusehen. Damit besteht ein wirksamer Kaufvertrag zwischen H und der T-OHG. Damit hat H gegen die T-OHG einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 40.000,- aus § 433 II BGB i.V.m. § 124 I HGB.

C. Anspruch gegen G1 und G2 aus § 433 II BGB i.V.m. §§ 128, 124 I HGB
H könnte auch ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für den Gabelstapler gegen die Gesellschafter G1 und G2 nach § 433 II BGB i.V.m. §§ 128, 124 I HGB zustehen. Dazu müsste nach § 128 HGB eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber H bestehen. Hier besteht ein wirksamer Kaufvertrag zwischen H und der T-OHG (s.o.) und damit eine Gesellschaftsverbindlichkeit.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren G1 und G2 auch Gesellschafter der T-OHG, so dass sie nach § 128 HGB für deren Verbindlichkeiten persönlich als Gesamtschuldner haften. H steht damit auch ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 40.000,- gegen die Gesellschafter G1 und G2 nach § 433 II BGB i.V.m. §§ 128, 124 I HGB zu.

D. Anspruch gegen G1 aus § 11 II GmbHG
In Betracht kommt ferner ein Anspruch des H gegen G1 aus § 11 II GmbHG. Die Vorschrift des § 11 II GmbHG ist aber im Stadium der Vorgründungsgesellschaft nicht anwendbar, so dass hier ein solcher Anspruch gegen den G1 nicht in Betracht kommt.


Teil 2
H könnte Ansprüche gegen die Gesellschaft, gegen den Geschäftsführer G und gegen die Gesellschafter M1 und M2 haben.

A. Anspruch gegen die Gesellschaft aus § 433 II BGB
In Betracht kommt zunächst ein Anspruch des H gegen die Gesellschaft auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 30.000,- aus § 433 II BGB.

I. Anspruch gegen die M-GmbH
Ein Anspruch gegen die M-GmbH kommt mangels Eintragung derselben zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in Betracht (s.o.).

II. Anspruch gegen die Vor-GmbH
Möglicherweise hat H aber einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gegen die Vor-GmbH aus § 433 II BGB. Dies setzte voraus, dass eine Vor-GmbH besteht und diese wirksam durch den Kaufvertrag gegenüber H verpflichtet worden ist.

1. Bestehen der Vor-GmbH
Durch den Abschluss des notariellen GmbH-Gesellschaftervertrages entsteht eine Vor-GmbH, die sich mit der Eintragung in die GmbH wandelt (s.o.). Hier war die Eintragung noch nicht erfolgt, so dass eine Vor-GmbH vorliegt.

2. Verpflichtung der Vor-GmbH
Die Vor-GmbH müsste hier auch wirksam durch den Kaufvertrag gegenüber dem H verpflichtet worden sein.
Die Vor-GmbH als solche ist handlungs- und rechtsfähig und kann entsprechend auch wirksam verpflichtet werden. Die Verpflichtung der Vor-GmbH erfolgt durch deren Geschäftsführer, hier den G. Für eine wirksame Verpflichtung der Vor-GmbHG aus dem Kaufvertrag mit H müsste G diese wirksam vertreten haben. Dazu müsste G eine eigene Willenserklärung abgegeben haben, den Offenkundigkeitsgrundsatz gewahrt haben und mit Vertretungsmacht gehandelt haben.

a. Eigene Willenserklärung
Hier hat G eine eigene Willenserklärung gegenüber dem H abgegeben.

b. Im Namen des Vertretenen (Offenkundigkeitsgrundsatz)
Die Erklärung müsste auch im Namen des Vertretenen erfolgt sein (sog. Offenkundigkeitsgrundsatz). Bezüglich der Vor-GmbH stellt sich insoweit die Frage, ob das Rechtsgeschäft schon gegenüber der Vor-GmbH wirken soll oder erst mit der Eintragung gegenüber der GmbH. Hier hat G insoweit keine ausdrückliche Erklärung abgegeben, sondern schlicht im Namen der Gesellschaft gehandelt. Insoweit ist zu beachten, dass bei unternehmensbezogenen Geschäften typischerweise der Inhaber durch die unter Angabe der Firma abgegebene Erklärung verpflichtet werden soll. Insofern hat G hier, zumindest konkludent, auch im Namen der Vor-GmbH gehandelt.
Anhaltspunkte dass die Verpflichtung erst gegenüber der künftigen GmbH entstehen bzw. bestehen sollte, sind nicht ersichtlich. Überdies hätte der Geschäftsführer einen solchen Willen, erst in die zukünftige GmbH zu verpflichten, deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Dies hat er vorliegend nicht getan, so dass durch seine Erklärung hier die Vor-GmbH und nicht die künftige GmbH verpflichtet wurde.

c. Mit Vertretungsmacht
G müsste die Erklärung auch mit Vertretungsmacht abgegeben haben. Ob und in welchem Umfang der Geschäftsführer einer Vor-GmbH Vertretungsmacht hat, ist umstritten.

aa. 1. Ansicht
Nach der früher vertretenen Lehre vom sog. Vorbelastungsverbot ist die Vertretungsmacht des Geschäftsführers auf notwendige Gründungsgeschäfte beschränkt und nicht durch Vereinbarung erweiterbar. Diese Beschränkung soll verhindern, dass zum Zeitpunkt der Eintragung eine finanzielle Belastung besteht, mit der die neu gegründete GmbH dann vorbelastet ist. Vorliegend handelte es sich bei dem Kauf der Waren nicht um notwendige Gründungsgeschäfte, so dass G nach dieser Ansicht ohne Vertretungsmacht gehandelt hätte.

bb. 2. Ansicht
Nach anderer Ansicht wird angenommen, dass dem Geschäftsführer der Vor-GmbH eine unbeschränkte Vertretungsmacht aus den §§ 35, 37 GmbHG zusteht. Nach dieser Ansicht handelte G hier beim Kauf der Waren mit Vertretungsmacht.

cc. 3. Ansicht (h.M.)
Die herrschende Meinung differenziert danach, ob es sich um eine Sach- oder Bargründung handelt. Danach soll dem Geschäftsführer bei der Sachgründung zur Fortführung und Unterhaltung der Sacheinlage eine weitgehende Vertretungsmacht zu kommen, die mit der umfassenden Vertretungsbefugnis der §§ 35 ff. GmbHG vergleichbar ist. Demgegenüber soll die Vertretungsmacht des Geschäftsführers bei der Bargründung grundsätzlich auf die für die Eintragung der Gesellschaft unerlässlichen Rechtshandlungen beschränkt sein. Mit der Zustimmung aller Gesellschafter ist die Vertretungsmacht des Geschäftsführers in diesem Fall aber erweiterbar.
Im vorliegenden Fall haben die Gesellschafter das Gesellschaftskapital eingezahlt, so dass eine Bargründung vorliegt. Somit wäre die Vertretungsmacht des G hier grundsätzlich auf für die Eintragung der Gesellschaft unerlässliche Rechtshandlungen beschränkt. Vorliegend haben aber die Gesellschafter M1 und M2 der Vornahme des Erwerbsgeschäfts durch G zugestimmt und damit dessen Vertretungsmacht erweitert. G handelte damit bei dem Abschluss des Kaufvertrags gegenüber H mit Vertretungsmacht.



dd. Stellungnahme
Die erste Ansicht kommt zu einem abweichenden Ergebnis, so dass eine Stellungnahme erforderlich ist. Gegen die erste Ansicht spricht, dass der Zweck des von dieser Ansicht angenommenen Vorbelastungsverbots heutzutage schon über die aus § 24 GmbHG folgende subsidiäre Ausfallhaftung erreicht wird. Danach besteht eine anteilige Haftung der Gründer für die Differenz zwischen dem Wert des Gesellschaftsvermögens zum Zeitpunkt der Eintragung und dem einzuzahlenden Kapital. Damit ist die von der Lehre vom Vorbelastungsverbot verlangte Sicherung der Aufbringung des einzuzahlenden Kapitals auf diesem Wege bereits gewährleistet. Entsprechend ist der Zweck der ersten Ansicht obsolet geworden, was dazu führt, dass die erste Ansicht insgesamt abzulehnen ist. Sie wird soweit ersichtlich auch nicht mehr vertreten. Die zweite und die dritte Ansicht kommen zum gleichen Ergebnis, so dass es insoweit keines Streitentscheids bedarf.

Somit hat G hier mit Vertretungsmacht gehandelt und die Vor-GmbH wirksam gegenüber H
verpflichtet. Damit hat H gegen die Vor-GmbH einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die
Waren in Höhe von Euro 30.000,- aus § 433 II BGB.

B. Anspruch gegen G aus § 11 II GmbHG
H könnte gegen G einen Anspruch aus § 11 II GmbHG auf Zahlung der Euro 30.000,- haben.

I. Anspruchsgegner
Anspruchsgegner ist bei § 11 II GmbHG der Handelnde. Insoweit ist umstritten, wer Handelnder im Sinne des § 11 II GmbHG ist.

1. Andere Ansicht
Nach einer Ansicht haftet als Handelnder im Sinne des § 11 II GmbHG für Rechtshandlungen der Vor-GmbH jeder, der als Gründer oder Geschäftsführer der Geschäftsvorname zugestimmt hat. Danach wäre G als Geschäftsführer der Vor-GmbH hier Handelnder im Sinne des § 11 II GmbHG.

2. Gegenansicht
Nach der Gegenansicht ist Handelnder im Sinne des § 11 II GmbHG nur, wer als Geschäftsführer am Abschluss des Geschäfts unmittelbar beteiligt ist. G ist hier Geschäftsführer der Vor-GmbH und war am Geschäftsabschluss unmittelbar beteiligt. Er ist damit nach dieser Ansicht Handelnder im Sinne des § 11 II GmbHG.
Beide Ansichten kommen hier zu dem gleichen Ergebnis, dass G Handelnder i.S.d. § 11 II GmbHG ist, so dass es keines Streitentscheids bedarf.

II. Handeln im Namen der Gesellschaft
G müsste ferner „im Namen der Gesellschaft“ gehandelt haben. Insoweit ist umstritten, wann dies der Fall
ist.

1. Andere Ansicht: Handeln im Namen der künftigen GmbH erforderlich
Nach einer Ansicht liegt ein Handeln im Namen der Gesellschaft nur vor, wenn der Handelnde im Namen der künftigen GmbH gehandelt hat. Grund der Haftung aus § 11 II GmbHG sei, dass die GmbH vor der Eintragung noch nicht existent sei und daher für den Fall, dass sie nicht eingetragen wird, dem Geschäftspartner andernfalls ein Schuldner fehle. Diese Lücke schließe § 11 II GmbHG.
Hier hat G nicht ausdrücklich im Namen der M-GmbH gehandelt, so dass nach dieser Ansicht kein Handeln im Namen der Gesellschaft vorliegen würde und daher ein Anspruch nach § 11 II GmbHG ausscheiden würde.

2. Gegenansicht: Kein Handeln im Namen der künftigen GmbH erforderlich
Nach der Gegenansicht erfordert ein Handeln im Namen der Gesellschaft kein Handeln im Namen der künftigen GmbH. Dies wird damit begründet, dass der Wortlaut des § 11 II GmbHG keine Einschränkung auf ein Handeln für die künftige GmbH vorsehe.
Nach dieser Ansicht ist damit auch eine Verpflichtung der Vor-GmbH möglich. Hier hat G nicht ausdrücklich im Namen der künftigen GmbH gehandelt (s.o.), so dass eine Erklärung der Vor-GmbH zuzurechnen ist. Damit läge hier nach der zweiten Ansicht ein Handeln im Namen der Gesellschaft im Sinne des § 11 II GmbHG vor, so dass ein Anspruch nach § 11 II GmbHG gegen G in Betracht käme.




3. Stellungnahme
Beide Ansichten kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen, so dass es einer Stellungnahme bedarf. Zunächst ist festzustellen, dass sich aus dem Wortlaut des § 11 II GmbHG keine Einschränkung auf die künftige GmbH entnehmen lässt. Nach Sinn und Zweck zielte § 11 II GmbH im Übrigen gerade auch darauf, eine Geschäftstätigkeit im Gründungsstadium zu unterbinden, um Vorbelastungen der künftigen GmbH zum Schutze Dritter zu vermeiden. Die hinter diesem Ansatz stehende Lehre von Vorbelastungsverbot ist aber aufgegeben worden, weil die Sicherung Dritter auch ohne Vorbelastungsverbot gewährleistet ist (s.o.). Aus letzterem ist nicht folgern, dass es deshalb einer Beschränkung des § 11 II GmbH in seinem Anwendungsbereich im Sinne der ersten Ansicht geben müsse. Vielmehr ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger neben der Vor-GmbH einen weiteren Schuldner zu geben, weil diese grundsätzlich von Dritten nicht auf die Einhaltung der Eintragungsvoraussetzungen hin geprüft werden kann und daher für sie insoweit ein Risiko besteht, das die Haftung des § 11 II GmbHG aufnimmt. Im Übrigen behält die Handelndenhaftung auch unter den gewandelten Bedingungen ihre Sicherungsfunktion für den Fall, dass der Handelnde ohne eine Ermächtigung der Gesellschafter tätig geworden ist.
Die zweite Ansicht ist daher vorzuziehen. G hat damit hier auch im Namen der Gesellschaft im Sinne des § 11 II GmbHG gehandelt.

Damit liegen die Voraussetzungen des § 11 II GmbHG hier vor. H hat damit gegen G einen Anspruch auf Zahlung der Euro 30.000,-. Dieser Anspruch tritt neben etwaige Ansprüche gegen die Gesellschaft oder gegen Gesellschafter.


C. Anspruch gegen die Gesellschafter
H könnte ferner einen Anspruch gegen die Gesellschafter M1 und M2 auf Zahlung der Waren haben.

I. Anspruch gegen M1 und M2 aus § 433 II BGB
H könnte zunächst gegen die Gesellschafter M1 und M2 einen Anspruch auf Zahlung der Waren aus § 433 II BGB haben. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Gesellschafter der Vor-GmbH überhaupt persönlich für die Verbindlichkeiten der Vor-GmbH nach außen, also Dritten gegenüber, haften. Ob dies der Fall ist, ist umstritten.

1. Andere Ansicht: Unbeschränkte Außenhaftung
Nach einer Ansicht besteht eine unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH gegenüber Dritten. Nach dieser Ansicht müssten M1 und M2 hier für die Verbindlichkeit der Vor-GmbH (s.o.) persönlich haften, so dass H danach gegen sie einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 30.000,- hätte.

2. Andere Ansicht: Keine Außenhaftung
Nach einer anderen Ansicht besteht keine persönliche Außenhaftung der Gesellschafter der Vor-GmbH, so dass auch kein Anspruch des H gegen sie bestünde.

3. Andere Ansicht: Haftung begrenzt auf nicht geleistete Einlage
Nach einer wiederum anderen Ansicht soll die persönliche Haftung der Gesellschafter auf die nicht geleistete Einlage beschränkt sein. Hier haben M1 und M2 die Einlage voll geleistet, so dass eine ihrerseitige Haftung gegenüber H danach nicht in Betracht käme.

4. Andere Ansicht: Unbeschränkte Innenhaftung (h.M.)
Schließlich wird vertreten, dass die Gesellschafter der Vor-GmbH im Außenverhältnis grundsätzlich nicht haften, vielmehr nur eine unbeschränkte Haftung gegenüber der Vor-GmbH bestehe. Eine Außenhaftung der Gesellschafter bestehen nur ausnahmsweise dann, wenn die Vor-GmbH vermögenslos ist, wenn es sich um eine Einmann-Vor-GmbH handelt oder wenn es sich um eine unechte Vor-GmbH handelt, also eine solche, bei der die Gesellschafter die Vor-GmbH fortführen, obwohl sie die Absicht der Eintragung bereits aufgegeben haben.
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ausnahme sind hier nicht ersichtlich, insbesondere ist nicht erkennbar, dass M1 und M2 eine Eintragung nicht mehr beabsichtigen. Damit kommt nach dieser Ansicht einer Außenhaftung der Gesellschafter nicht in Betracht, so dass M1 und M2 danach nicht gegenüber H zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet wären.




5. Stellungnahme
Die erste Ansicht kommt hier zu abweichenden Ergebnissen, so dass eine Stellungnahme erforderlich ist. Gegen die erste Ansicht spricht, dass eine unbeschränkte Außenhaftung den Kapitalgesellschaften fremd ist. Vielmehr haften die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich nur intern und anteilig und zur Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals. Die erste Ansicht ist damit als systemfremd abzulehnen. Die anderen Ansichten kommen vorliegend zu dem gleichen Ergebnis, dass M1 und M2 hier nicht persönlich haften, so dass es insoweit keines Streitentscheids bedarf. H steht gegen die Gesellschafter M1 und M2 kein Anspruch auf Zahlung der Waren aus § 433 II BGB zu.

II. Anspruch gegen M1 und M2 aus § 11 II GmbHG
H könnte gegen die Gesellschafter M1 und M2 einen Anspruch aus § 11 II GmbHG haben. Dazu müssten M1 und M2 Handelnde im Sinne des § 11 II GmbHG sein. Nach vorzugswürdiger Ansicht ist Handelnder im Sinne des § 11 II GmbHG aber nur, wer als Geschäftsführer am Abschluss des Geschäfts unmittelbar beteiligt ist. M1 und M2 sind hier nicht Geschäftsführer und damit auch nicht Handelnde im Sinne des § 11 II GmbHG. Somit scheidet ein Anspruch gegen sie aus § 11 II GmbHG aus.


Abwandlung Teil 2
In Betracht kommen wiederum Ansprüche gegen die Gesellschaft, die Gesellschafter, den Geschäftsführer.

A. Anspruch gegen die Gesellschaft aus § 433 II BGB
H könnte gegen die GmbH einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 30.000,- aus § 433 II BGB haben. Dazu müsste die GmbH durch den wirksamen Kaufvertrag verpflichtet worden sein.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit H bestand die GmbH mangels Eintragung noch nicht (s.o.). Vielmehr wurde durch den Vertragsabschluss die Vor-GmbH verpflichtet (s.o.). Mit der Eintragung wandelte sich die Vor-GmbH in die GmbH und die Verpflichtung der Vor-GmbH gingen auf die GmbH über (s.o.). Damit ging auch der Kaufvertrag mit H mit der Eintragung auf die GmbH über, so dass diese aus dem Kaufvertrag gegenüber H verpflichtet ist. H kann daher von der M-GmbH die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 30.000,- aus § 433 II BGB verlangen.

B. Anspruch gegen die Gesellschafter aus § 433 II BGB
H könnte gegen die Gesellschafter M1 und M2 einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 30.000,- aus § 433 II BGB haben. Ein solcher Anspruch käme in Betracht, wenn die Gesellschafter einer GmbH für deren Verbindlichkeiten persönlich haften würden. Nach § 13 II GmbHG haftet für die Verbindlichkeiten der GmbH aber nur das Gesellschaftsvermögen derselben. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GmbH kommt daneben nicht in Betracht. H hat daher keinen Anspruch gegen die Gesellschafter M1 und M2 auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB.

C. Anspruch gegen den Geschäftsführer aus § 11 II GmbHG
H könnte gegen den Geschäftsführer G einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 30.000,- aus § 11 II GmbHG haben. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass § 11 II GmbHG nach Eintragung der Gesellschaft noch anwendbar ist. Dies ist aber nach allgemeiner Meinung nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht der Fall. Da hier die Gesellschaft bereits eingetragen ist, kommt nun ein Anspruch aus § 11 II GmbHG gegen den Geschäftsführer G nicht mehr in Betracht.