"Anwartschaftsrecht als dingliche Erwerbsposition"

Überblick - „Anwartschaftsrecht als dingliche Erwerbsposition“

Das Anwartschaftsrecht ist eine dingliche Erwerbsposition, die nicht mehr einseitig durch den Veräußerer vereitelt werden kann. Diese Sentenz ist die Folge aus der Anwendung der §§ 161, 936 III BGB analog. Beispiel: A verkauft dem B ein Auto unter Eigentumsvorbehalt. In der Zeit, in welcher B die Raten zahlt, wächst bei ihm ein Anwartschaftsrecht an. In der Schwebezeit verkauft A das Auto gemäß den §§ 929 S. 1, 931 BGB unter Abtretung eines potentiellen Herausgabeanspruch aus den §§ 449 II, 346 I BGB an C, falls B nicht brav zahlt. Nun zahlt B den vollständigen Kaufpreis und jetzt kommt C zu B und verlangt die Herausgabe in seiner Stellung als Eigentümer.
Fraglich ist, ob C gegen B einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat, wobei es insbesondere darum geht, ob das Anwartschaftsrecht als dingliche Erwerbsposition gilt.

I. Besitz des B

Vorliegend ist B unmittelbarer Besitzer des Fahrzeugs.

II. Eigentum des C

C müsste zudem auch Eigentümer des Autos geworden sein.

1. Ursprünglich: A

Ursprünglich war A Eigentümer des Fahrzeugs.

2. Eigentumserwerb des B, § 929 S. 1 BGB

B könnte das Eigentum jedoch gemäß § 929 S. 1 BGB erlangt haben. Dies scheitert jedoch zunächst daran, dass die Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht eingetreten war.

3. Eigentumserwerb des C, §§ 929, 931 BGB

Allerdings könnte C das Eigentum an dem Fahrzeug gemäß den §§ 929 S. 1, 931 BGB erworben haben. Vorliegend sind eine Einigung, ein Übergabesurrogat in Gestalt der Abtretung eines Herausgabeanspruchs sowie das Einigsein gegeben. Außerdem war A zu diesem Zeitpunkt noch Berechtigter, denn B hatte den Kaufpreis noch nicht vollständig gezahlt. Somit ist C Eigentümer des Autos geworden.

4. Eigentumserwerb des B/Eigentumsverlust des C, § 161 BGB

Jedoch könnte B mit Zahlung der letzten Rate gemäß § 161 I BGB das Eigentum an dem Auto erworben haben.

a) Verfügung unter aufschiebender Bedingung

Diese Norm setzt zunächst eine Verfügung unter aufschiebender Bedingung voraus. Hier fand eine Übereignung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung statt.

b) Zwischenverfügung

Weiterhin verlangt § 161 I BGB eine Zwischenverfügung. Diese besteht vorliegend in der Verfügung in der Schwebezeit bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung.

c) Vereitelungswirkung

Ebenso würde diese Zwischenverfügung, wenn man ihre Wirksamkeit unterstellt, den Eigentumserwerb des B vereiteln.

d) Bedingungseintritt

Auch ist der Bedingungseintritt erfolgt, da B die letzte Rate gezahlt und damit den Bedingungseintritt – die vollständige Kaufpreiszahlung – herbeigeführt hat.

e) Kein gutgläubiger (lastenfreier) Erwerb, §§ 161 III, 932 ff. BGB analog

Zuletzt dürfte jedoch kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb durch C gemäß den §§ 161 III, 932 ff. BGB stattgefunden haben. Sollte C nicht gewusst haben, dass A an B unter Eigentumsvorbehalt verkauft hat und B Inhaber eines Anwartschaftsrechts geworden ist, dann verweist § 161 III BGB auf die §§ 932 ff. BGB. Könnte C jedoch unter Abschüttelung des Anwartschaftsrecht Eigentum erwerben, dann wäre das Anwartschaftsrecht keine dingliche Erwerbsposition, die nicht mehr einseitig durch den Veräußerer vereitelt werden kann.
Da das Anwartschaftsrecht jedoch eine dingliche Erwerbsposition ist, bedarf es einer Korrektur über § 936 III BGB analog. § 936 III BGB befasst sich mit dem gutgläubigen lastenfreien Erwerb und bestimmt für den Fall der Zwischenverfügung nach § 931 BGB, dass die Lasten einem gutgläubigen Erwerber gegenüber nicht erlöschen. Da das Anwartschaftsrecht als dingliche Erwerbsposition dort nicht ausdrücklich genannt ist, findet die Norm analoge Anwendung.

III. Ergebnis

Im Ergebnis erwirbt B das Eigentum durch die Zahlung der letzten Rate gemäß § 161 I BGB, sodass C gegen B keinen Anspruch auf Herausgabe nach § 985 BGB hat.

 

Schlagwörter und verwandte Lerneinheiten

Relevante Fälle