Wucher (§ 138 II BGB)

Wucher (§ 138 II BGB)

Nichtig ist ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem – in Abgrenzung zum wucherähnlichen Geschäft i.S.v. § 138 I BGB nicht: „besonders“ – auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen (§ 138 II BGB).

Der Wucher ist nach § 291 StGB, der sich tatbestandlich mit § 138 II BGB deckt, strafbar. Deshalb ist ein wucherisches Geschäft nicht nur nach § 138 II BGB, sondern auch nach § 134 BGB i.V.m. § 291 StGB nichtig.1 Um § 138 II BGB nicht gegenstandslos werden zu lassen, ist von einer Spezialität des § 138 II BGB gegenüber § 134 BGB auszugehen.2

Anders als ein Verstoß gegen § 138 I BGB hat ein Verstoß gegen § 138 II BGB auch die Nichtigkeit der Verfügung des Bewucherten zur Folge.3

Objektiver Tatbestand

In objektiver Hinsicht erfordert § 138 II BGB ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Wann diese Schwelle überschritten ist, folgt aus einer umfassenden Würdigung des Einzelfalls, gemessen an der Marktüblichkeit und den Risiken des Geschäfts.4

Faustregel bei Darlehenszinsen: Beim Doppelten des marktüblichen Zinses greift § 138 II BGB ein.

Der Wucherer muss die unverhältnismäßige Leistung entweder sich oder einem Dritten versprechen bzw. gewähren lassen.

Subjektiver Tatbestand

Subjektiv sind die Anforderungen bei § 138 II BGB deutlich höher als bei § 138 I BGB. Der Wucherer muss sich eine bestimmte Unterlegenheit des Schuldners in Kenntnis des objektiven Missverhältnisses bewusst zunutze machen.5

Die Unterlegenheit des Bewucherten kann sich aus einer (wirtschaftlichen oder persönlichen) Zwangslage, aus seiner (infolge Jugend, Alters oder fehlender Geschäftsgewandtheit resultierenden) Unerfahrenheit, aus einem Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche festgestellt werden.

Diese Unterlegenheit des Bewucherten muss der Wucherer bewusst ausnutzen. Erforderlich ist die Kenntnis des auffälligen Missverhältnisses und das bewusste Ausnutzen der schwierigen Situation des Bewucherten („unter Ausbeutung“).6

Liegen diese strengen Voraussetzungen des § 138 II BGB nicht vor, kann das Rechtsgeschäft gleichwohl als wucherähnliches Geschäft nach § 138 I BGB nichtig sein.7


  1. Faust, BGB AT, 8. Aufl. 2023, § 10 Rn. 3.
  2. Jacoby/v. Hinden, BGB, 18. Aufl. 2022, § 138 Rn. 16.
  3. BGH, Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, Rn. 50; Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut („gewähren lässt“), Bitter/ Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 52.
  4. Hier und zum Folgenden: Jacoby/v. Hinden, BGB, 18. Aufl. 2022, § 138 Rn. 16.
  5. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 138 Rn. 16.
  6. Jacoby/v. Hinden, BGB, 18. Aufl. 2022, § 138 Rn. 10.
  7. Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 260.