Widerruf, §§ 355 ff. BGB
Aufbau der Prüfung - Widerruf, §§ 355 ff. BGB
Der Widerruf ist in den §§ 355 ff. BGB geregelt.
A. Voraussetzungen
Der Widerruf ist ein Gestaltungsrecht und setzt somit Folgendes voraus: Widerrufsgrund, Widerrufserklärung sowie kein Ausschluss.
I. Widerrufsrecht
Für den Widerruf nennt § 355 BGB keine Widerrufsgründe, sondern setzt diese bereits voraus.
1. Sachlicher Anwendungsbereich
Insofern muss beim Widerruf zunächst der sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Ein Widerrufsrecht ergibt sich aus den Regelungen über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Fernabsatzverträge und Verbraucherdarlehensverträge, vgl. §§ 312b, 312c, 495 BGB.
2. Persönlicher Anwendungsbereich, § 355 I 1 BGB
Weiterhin setzt der Widerruf die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs voraus. Der Widerruf gilt insofern nur für Verbraucher gegenüber Unternehmern, vgl. §§ 13, 14 BGB. Der Widerruf kann im Übrigen nicht mehr durch ein Rückgaberecht ersetzt werden.
II. Widerrufserklärung
Darüber hinaus verlangt der Widerruf eine Widerrufserklärung. Der Widerruf muss demnach form- und fristgerecht erklärt werden.
1. Form
Der Widerruf muss gegenüber dem Unternehmer erklärt werden, § 355 I 2 BGB. Außerdem muss der Entschluss zum Widerruf eindeutig aus der Erklärung hervorgehen, § 355 I 3 BGB. Die bloße Rücksendung der Ware dürfte hierfür nicht ausreichend sein. Eine Begründung des Widerrufs ist gem. § 355 I 4 BGB allerdings nicht erforderlich.
2. Frist, § 355 II 1 BGB
Die Frist beträgt beim Widerruf regelmäßig 14 Tage, gerechnet ab Vertragsschluss, § 355 II BGB.
III. Kein Ausschluss
Zudem dürfte der Widerruf nicht ausgeschlossen sein. Ausschlussgründe finden sich insbesondere in § 312 BGB.
B. Rechtsfolge
I. Erlöschen der Primärpflichten
Der Widerruf hat zunächst das Erlöschen der Primärpflichten zur Folge.
II. Rückgewährschuldverhältnis, § 355 III 1 BGB
Wurden die Leistungen bereits ausgetauscht, so entsteht nach wirksamem Widerruf ein Rückgewährschuldverhältnis. Bereits empfangene Leistungen sind dann unverzüglich zurückzugewähren, § 355 III 1 BGB. Je nach Vertragstypus können sich noch weitere Pflichten aus den §§ 357-357c BGB ergeben. Insbesondere hat der Verbraucher nunmehr die Kosten der Rücksendung unter den Voraussetzungen des § 357 VI BGB zu tragen.
III. Verbundene Verträge, §§ 358, 359 BGB
Bei verbundenen Verträgen sind die §§ 358, 359 BGB zu berücksichtigen. Ein verbundener Vertrag liegt vor, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden, § 358 III 1 BGB. Eine wirtschaftliche Einheit besteht z.B. dann, wenn sich der Darlehensgeber des Unternehmers bedient. Beispiel: V verkauft K ein Auto. Da K den Kaufpreis nicht komplett bezahlen kann, zückt V einen Darlehensvertrag der B-Bank, mit der er regelmäßig zusammenarbeitet. K unterschreibt im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag diesen Darlehensvertrag. Im Einzelnen ergeben sich aus dem Widerruf folgende Konsequenzen für den verbundenen Vertrag:
1. Keine Bindung an verbundenen Vertrag, § 358 I, II BGB
Der Verbraucher ist im Falle des Widerrufs auch nicht mehr an den verbundenen Vertrag gebunden, § 358 I, II BGB. Beispiel: Wie soeben. K widerruft jetzt den Verbraucherdarlehensvertrag mit der B-Bank. Dies hat zur Konsequenz, dass auch der Kaufvertrag zwischen ihm und V erlischt. Sollte V von K dennoch den Kaufpreis verlangen, dann müsste bei dem Prüfungspunkt "Anspruch nicht erloschen" darauf eingegangen werden, dass der Verbraucherdarlehensvertrag widerrufen worden ist und somit auch daher der Anspruch aus dem verbundenen Kaufvertrag gemäß § 358 I, II BGB erloschen ist.
2. Eintritt des Darlehensgebers in Rechte und Pflichten des Unternehmers, § 358 IV 5 BGB
Außerdem tritt als Folge des Widerrufs der Darlehensgeber in die Rechte und Pflichten des Unternehmers ein, § 358 IV 5 BGB. Fallbeispiel: Wie oben, nur diesmal zahlt K selbst einen Teil des Kaufpreises an V, und die B-Bank zahlt aufgrund des Darlehensvertrages mit K den restlichen Kaufpreis an V. Nun widerruft K den Verbraucherdarlehensvertrag mit der Folge, dass wieder der verbundene Kaufvertrag mit V in Mitleidenschaft gezogen wird. Dann kann K von B den zuvor an V gezahlten Kaufpreis herausverlangen, §§ 358 IV 5, 358 III 1 BGB. Alles weitere müssen B und V unter sich ausmachen.
3. Einwendungsdurchgriff, § 359 BGB
Schließlich regelt § 359 BGB im Falle des Widerrufs noch den "Einwendungsdurchgriff", d.h., Einwendungen aus dem einen Vertrag können auch gegenüber dem Vertragspartner des verbundenen Vertrages geltend gemacht werden. Beispiel: wie soeben. Das Auto ist allerdings mit einem Mangel behaftet, so dass K dem Anspruch des V auf Zahlung des Kaufpreises die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. §§ 320, 437 Nr. 1, 439 BGB entgegenhalten könnte. Dann kann K auch dem Darlehensrückzahlungsanspruch der B die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. §§ 359, 320, 437 Nr. 1, 439 BGB entgegenhalten.
IV. Zusammenhängende Verträge, § 360 BGB
Schließlich regelt § 360 BGB die Konstellation der "zusammenhängenden Verträge". Ein zusammenhängender Vertrag liegt vor, wenn er einen Bezug zu dem widerrufenen Vertrag aufweist und eine Leistung betrifft, die von dem Unternehmer des widerrufenen Vertrages oder einen Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Unternehmer des widerrufenen Vertrages erbracht wird. In diesem Fall führt der Widerruf des einen Vertrages nur, aber immerhin zum Erlöschen des zusammenhängenden Vertrages, § 360 I 1 BGB. Weitergehende Rechtsfolgen gibt es nicht, insbesondere auch keinen Einwendungsdruchgriff wie er bei den verbundenen Verträgen in § 359 BGB vorgesehen ist.