Was tun wenn

9) Was tun, wenn sich keine Beweisaufnahme in der Klausur-Akte befindet, du aber eigentlich ein Beweisergebnis brauchst?

Jetzt soll es um eine unangenehme Klausursituation gehen: Du kommst zu dem Ergebnis, dass eine der entscheidungserheblichen Behauptungen des Klägers zu den Anspruchsvoraussetzungen bzw. des Beklagten zu Einwendungen und Einreden streitig ist, findest aber keine Beweisaufnahme in der Akte. Was machst du?

Zuerst einmal: die Ruhe bewahren.

Du erinnerst dich, dass alles, was in der Klausur-Akte vorkommt, wichtig ist, aber auch alles, was nicht vorkommt, auch keine Rolle spielen soll. Einen Fehler des Klausurerstellers solltest du also ausschließen.

- Relation überprüfen

Am wahrscheinlichsten ist es, dass du an einer Stelle deiner Relation etwas übersehen hast. Vielleicht ist die Tatsachenbehauptung gar nicht entscheidungserheblich? Gibt es eine gleichwertige Anspruchsgrundlage für den Kläger, bei der diese Voraussetzung nicht vorliegen muss? Oder hat der Beklagte andere Einwendungen gegen den Anspruch?

Ist der entsprechende Vortrag doch nicht schlüssig? Überprüfe hier vor allem, ob du die einzelnen Voraussetzungen richtig definiert hast.

Ist das Bestreiten unzulässig oder unsubstanziiert? Besteht eine sekundäre Darlegungslast, die nicht erfüllt wurde?

Ist die Partei mit ihrer Behauptung oder der Gegner mit seinem Bestreiten präkludiert?

- Beweisbedürftigkeit prüfen

Nicht über jede streitige erhebliche Tatsachenbehauptung muss auch Beweis erhoben werden.

Ist die Tatsache offenkundig (§ 291 ZPO)? Besteht eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen der Tatsache (§ 292 ZPO)? Besteht ein Anscheinsbeweis? Hat der Gegner die Beweisführung vereitelt?

Macht der Kläger einen Schadensersatzanspruch geltend, kommt für die Schadenshöhe und die haftungsausfüllende Kausalität vielleicht eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO in Betracht.

Der Kläger muss dann zwar immer noch den Haftungsgrund zur vollen Überzeugung des Gerichts nach § 286 ZPO beweisen.

Für die Höhe des Anspruchs genügt aber eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende, mindestens überwiegende Wahrscheinlichkeit. Allerdings muss die Schätzungsgrundlage feststehen. Der Kläger muss deshalb die Anknüpfungstatsachen nach § 286 ZPO beweisen.

- Weitere Überlegungen

Ist die Tatsache nach wie vor beweisbedürftig, kommen noch folgende Überlegungen in Betracht:

Ist ein Teil der Klage auch ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif, so dass du ein Teilurteil erlassen kannst (§ 301 ZPO). Die Einzelheiten erfährst du in dem Exkurs zum Teilurteil.

Lässt sich die Schadenshöhe nicht schätzen, kannst du vielleicht ein Grundurteil erlassen (§ 304 ZPO). Auch hierzu gibt es einen besonderen Exkurs.

Kann ein Vorbehaltsurteil nach § 302 ZPO ergehen? Das setzt voraus, dass lediglich die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung streitig ist und sehr viel dafür spricht, dass die Aufrechnungserklärung allein der Verzögerung des Rechtsstreits dient.