Vollstreckungsabwehrklage

4) Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO)

Die Rechtsschutzmöglichkeit des Vollstreckungsrechts mit der mit Abstand größten Examensrelevanz ist die Vollstreckungsabwehrklage des Schuldner nach § 767 ZPO.

Die Vollstreckungsabwehrklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage, mit der der Vollstreckungsschuldner als Kläger – eine Prozessstandschaft ist nicht zulässig – gegen den Gläubiger als Beklagten beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären.

Der Schuldner kann die Klage mit einem Antrag auf Rückgewähr des bereits Vollstreckten, auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung (§ 371 BGB analog) oder einem Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 ZPO) verbinden.

Nach § 769 ZPO sind auch einstweilige Regelungen möglich.

1. Zulässigkeit

Zuständig für die Vollstreckungsabwehrklage ist ausschließlich (§ 802 ZPO) das Prozessgericht des ersten Rechtszugs.

Das Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners besteht vom Erlass des Titels bis zur Beendigung der Vollstreckung.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Schuldner keine andere Möglichkeit (mehr) hat, materielle Einwendungen gegen den Anspruch vorzubringen, bspw. durch Einspruch oder Berufung. Insoweit ist die Vollstreckungsabwehrklage auch von anderen Rechtsbehelfen des Schuldners abzugrenzen, mit denen dieser Einwendungen im Zusammenhang mit der Vollstreckung erhebt.

  • Das ist zum einen die Erinnerung nach § 766 ZPO, mit der er formelle Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung verfolgen kann, bspw. die Pfändung einer unpfändbaren Sache.

Auf die Erinnerung wird die Zwangsvollstreckung aus dem (Titel) für unzulässig erklärt, soweit die Gerichtsvollzieherin den (konkreter Gegenstand) der Erinnerungsführerin gepfändet hat.

  • Hält der Schuldner den Titel für zu unbestimmt, kann er eine Titelgegenklage erheben, auf die § 767 ZPO analog angewendet wird (BGH V ZR 82/13). Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kommt eine sog. verlängerte Titelgegenklage auf Herausgabe des durch die Vollstreckung Erlangten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB in Betracht (OLG Schleswig 10 UF 199/16).

Einwendungen gegen einen Prozessvergleich kann der Schuldner nur dann mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen, wenn diese nachträglich entstanden sind (Erfüllung, Unmöglichkeit, Störung der Geschäftsgrundlage). Für ursprüngliche Mängel (bspw. Formunwirksamkeit) muss der Schuldner grundsätzlich die Fortsetzung des Erkenntnisverfahrens beantragen. Neben nachträglichen Einwendungen kann er mit der Vollstreckungsabwehrklage allerdings auch solche Mängel geltend machen.

2. Begründetheit

Die Begründetheit der Klage setzt voraus, dass die Einwendung tatsächlich besteht und nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert ist. Dabei gilt Folgendes:

  • Die Einwendung muss nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren (§§ 296a, 128 Abs. 2 ZPO) entstanden sein. Es kommt auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung an, und zwar auch und gerade bei Gestaltungsrechten. Das gilt auch für verbraucherschützende Widerrufsrechte (BGH XI ZR 486/17 Rn. 13 ff.). Danach ist nicht die tatsächliche Ausübung des Gestaltungsrechts maßgeblich, sondern derjenige Zeitpunkt, zu dem es erstmals hätte ausgeübt werden können.

  • Bei Versäumnisurteilen kommt es auf den Ablauf der Einspruchsfrist an (§ 767 Abs. 2 Hs. 2 ZPO). Dasselbe gilt für Vollstreckungsbescheide (§ 796 Abs. 2 ZPO).

  • Gab es für den Schuldner keine Gelegenheit, Einwendungen gegen den Titel vor dessen Erlass vorzubringen, kommt Präklusion nicht in Betracht. Das gilt insbesondere bei Vollstreckungsabwehrklagen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse, notarielle Urkunden oder Prozessvergleiche.

3. Tenorierung

  • Hauptsache:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom …, Az.: …, wird für unzulässig erklärt.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom …, Az…: wird nur Zug um Zug gegen Herausgabe … für zulässig erklärt.

  • Kosten: Keine Besonderheiten.

  • Vorläufige Vollstreckbarkeit:

  • Für die Frage nach dem Wert der Verurteilung in der Hauptsache (§ 708 Nr. 11 Alt. 1 ZPO) kommt es auf den Wert des titulierten Anspruchs an (arg. § 775 Nr. 1 ZPO).

  • § 709 Satz 2 ZPO ist nicht anwendbar, da es sich nicht um eine Geldforderung handelt. Ist die vorläufige Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung zulässig, muss diese Sicherheit also konkret tenoriert werden.