Vertrag zugunsten Dritter
Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB)
Im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse hat der Schuldner regelmäßig nur an seinen Vertragspartner zu leisten.1 Beim Vertrag zugunsten Dritter (VzD) ist dies anders. Bei ihm muss der Schuldner die Leistung an einen Dritten erbringen. Dies führt zu einem Dreipersonenverhältnis. Bei diesem wird der Schuldner als Versprechender, der Gläubiger als Versprechensempfänger und der Dritte als Begünstigter bezeichnet.
Die Rechtbeziehung zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger heißt Deckungsverhältnis, weil der Versprechende aus ihm die Gegenleistung (= Deckung) für seine Leistung an den Dritten erwirbt. Die Rechtsbeziehung zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten nennt man Zuwendungs- oder Valutaverhältnis; es gibt Aufschluss darüber, aus welchem Rechtsgrund der Versprechensempfänger die Leistung dem Dritten durch den Versprechenden zuwendet. Das Verhältnis zwischen dem Versprechenden und dem Dritten ist das Dritt- oder Vollzugsverhältnis; bei ihm handelt es sich um ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB.2
Ein echter VzD liegt nur dann vor, wenn dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt wird (§ 328 I BGB). Der Gläubiger kann dann regelmäßig nur Leistung an den Dritten verlangen (§ 335 BGB).
Ein unechter VzD liegt demgegenüber vor, wenn der Schuldner zwar an einen Dritten leisten soll, der Dritte hierauf aber keinen eigenen Anspruch gegen den Schuldner hat. Das ist etwa bei sog. Leistungsketten der Fall: K kauft bei V einen Gegenstand, den V seinerseits bei dem Hersteller H bezieht. Bittet V den H, direkt an K zu liefern, ohne dass dem K ein eigenes Forderungsrecht gegen den H eingeräumt wird, liegt (nur) ein unechter VzD vor. Auf ihn finden die §§ 328 ff. BGB keine Anwendung.
Anspruch des Dritten gegen den Schuldner
Der VzD ist kein eigenständiger Vertragstyp.3 Es kann vielmehr jeder typische und auch atypische Vertrag als VzD geschlossen werden. Deshalb ergibt sich ein Anspruch des Dritten niemals allein aus § 328 I BGB. Anspruchsgrundlage ist vielmehr der im Deckungsverhältnis geschlossene Vertrag (bzw. bei typischen Verträgen die jeweils auf Vertragserfüllung gerichtete Norm, z. B. § 433 I 1 BGB) i.V.m. § 328 I BGB. Der Erfüllungsanspruch des Dritten gegen den Schuldner hat folgende Voraussetzungen:
- Es muss ein wirksamer Vertrag im Deckungsverhältnis vorliegen. Dieser „Grundvertrag“ ist, sofern für ihn keine Form vorgeschrieben ist, formfrei, und zwar auch dann, wenn er zur Deckung eines formbedürftigen Geschäfts im Valutaverhältnis geschlossen wird.4 Die Person des Dritten muss bei Abschluss des Grundvertrags noch nicht genau bestimmt zu sein; es reicht aus, dass sie bestimmbar ist.
Beispiel: Vereinbarung einer Garantie zwischen Herstellung und Händler zugunsten des noch nicht bestimmten Endabnehmers.
- Der Dritte muss ein eigenes Forderungsrecht gegen den Schuldner eingeräumt bekommen (§ 328 I BGB). Ob dies der Fall ist, ist ggf. durch Auslegung des Grundvertrags zu ermitteln.
In diesem Kontext ist oftmals der echte vom unechten VzD abzugrenzen. Dies erfolgt durch Auslegung des Grundvertrags gemäß §§ 133, 157 BGB. Soweit keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen ist, sind dabei die gesamten Umstände, insbesondere der Vertragszweck zu berücksichtigen (§ 328 II BGB). Außerdem sind die Auslegungsregeln der §§ 329, 330 BGB zu beachten. Ein Vertrag, durch den sich jemand gegenüber einem Schuldner verpflichtet, dessen Gläubiger zu befriedigen (Erfüllungsübernahme), ist im Zweifel ein unechter VzD (§ 329 BGB). In den Fällen des § 330 BGB wird hingegen (widerlegbar) vermutet, dass ein echter VzD vorliegt.5
- Der Dritte darf das Recht nicht durch Erklärung gegenüber dem Versprechenden zurückgewiesen haben (§ 333 BGB).6
Liegen diese drei Voraussetzungen vor, kann der Dritte die im Deckungsverhältnis versprochene Leistung direkt vom Schuldner verlangen (§ 328 I BGB). Der Gläubiger kann, sofern sich aus dem Grundvertrag nichts anderes ergibt, ebenfalls vom Schuldner die Leistung fordern, allerdings nur an den Dritten (§ 335 BGB).
Es liegt also eine Aufteilung der Gläubigerstellung vor.
Da sich die Leistungsverpflichtung des Versprechenden gegenüber dem Dritten aus dem Deckungsverhältnis ergibt, kann der Versprechende alle Einwendungen aus dem im Deckungsverhältnis geschlossenen Vertrag auch dem Dritten entgegenhalten (§ 334 BGB).7
Zu den Einwendungen i.S.v. § 334 BGB gehören nicht nur alle rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen, sondern auch die mit dem Grundvertrag im rechtlichen Zusammenhang stehenden Einreden (z. B. §§ 273, 320 BGB; >).8 Auf Einwendungen und Einreden aus dem Valutaverhältnis kann sich der Schuldner jedoch nicht berufen.
Leistungsstörungen
Durch die Aufteilung der Gläubigerstellung des Grundvertrages ergeben sich besondere Fragestellungen im Bereich der Leistungsstörung.9
Stammt die Leistungsstörung aus der Sphäre des Versprechensempfängers, kann der Versprechende die Rechte aus den §§ 280 ff. BGB ausschließlich gegenüber dem Versprechensempfänger geltend machen. Die Ausübung von Gestaltungsrechten und die Abgabe von Erklärungen erfolgen diesem gegenüber.
Den Dritten treffen keine vertraglichen Pflichten und deshalb grundsätzlich auch keine Sekundärpflichten.
Stammt die Leistungsstörung aus der Sphäre des Versprechenden, können sich Rechte sowohl für den Dritten als auch für den Versprechensempfänger ergeben. Dem Dritten stehen grundsätzlich alle Rechte aus Leistungsstörungen zu, die auf dem Innehaben des Forderungsrechts basieren. Er kann den Versprechenden auf Nacherfüllung in Anspruch nehmen, ihn in Schuldnerverzug setzen (§ 286 BGB) und Ersatz des Verzögerungsschaden (§§ 280 I, II, 286 BGB) sowie das stellvertretende commodum (§ 285 BGB) verlangen. Dem Versprechensempfänger verbleiben demgegenüber alle Rechte, die auf die Gläubigerstellung insgesamt Einfluss nehmen. Nur er kann vom Grundvertrag zurücktreten oder diesen kündigen sowie vom Versprechenden Schadensersatz statt der Leistung begehren (§ 281 IV BGB).
Die Ausübung dieser Rechte ist jedoch nach h. M. an die Zustimmung des Dritten gebunden, sofern der Dritte bereits eine nicht mehr entziehbare Forderung erworben hat (§ 328 II BGB).
Stammt die Leistungsstörung aus der Sphäre des Dritten, etwa weil er – trotz der Möglichkeit nach § 333 BGB – in Annahmeverzug gerät (§§ 293 ff. BGB) oder die Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB) verschuldet, kann der Versprechende seine sich daraus ergebenden Befugnisse grundsätzlich nur gegenüber dem Versprechensempfänger geltend machen.
Wegen der Verletzung von Schutzpflichten nach § 241 II BGB kann sich der Dritte dem Schuldner gegenüber aber auch selbst haftbar machen, weil es sich bei dem Vollzugsverhältnis um ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis handelt.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 32 Rn. 1 – 13.
- Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, Vor § 328 Rn. 6.
- Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 848.
- BGH, Urt. v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, NJW 1976, 749, 750.
- Die Vermutung des § 330 BGB gilt für Leibrentenverträge und unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden (z. B. §§ 516, 2301 BGB; maßgeblich für die Unentgeltlichkeit der Zuwendung ist das Deckungsverhältnis) sowie Vermögens- und Gutsübernahmeverträge (§§ 311b II, III BGB). Bei Lebensversicherungsverträgen (§§ 150 ff. VVG) gibt es wegen der Unterscheidung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Benennung des Bezugsberechtigten (§ 159 II, III VVG) praktisch keine Zweifelsfälle i.S.v. § 330 BGB (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 330 Rn. 1 – 3).
- Die Zurückweisung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Versprechenden, die keiner Form bedarf (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 333 Rn. 2).
- Der § 334 BGB ist allerdings dispositives Recht, d. h. die Parteien des Grundvertrags können ihn (auch stillschweigend) abbedingen (Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 861).
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 32 Rn. 14; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 334 Rn. 2.
- Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 32 Rn. 15 – 18; Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, Vor § 328 Rn. 15 – 20.