Versuchte Anstiftung

Versuchte Anstiftung (§ 30 I StGB)

Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch eines Verbrechens bestraft (§ 30 I 1 StGB). Die Strafe ist nach § 49 I StGB zu mildern (§ 30 I 2 StGB). § 23 III StGB gilt entsprechend (§ 30 I 3 StGB).

Der Strafgrund der versuchten Anstiftung liegt darin, dass der Täter einen gefährlichen Kausalverlauf in Gang gesetzt und das angestoßene Geschehen so aus der Hand gegeben hat, dass es sich ohne sein weiteres Zutun bis zur Vollendung der Haupttat fortentwickeln kann.1

Eine versuchte Anstiftung liegt nur vor, wenn der ins Auge gefasste (präsumtive) Haupttäter die Schwelle des § 22 StGB nicht erreicht hat.2 § 30 I StGB ist nur dann einschlägig, wenn keine Anstiftung zum versuchten oder vollendeten Delikt vorliegt; sonst ist die versuchte Anstiftung subsidiär.3

Beispiele: Der Haupttäter (1) fasst keinen Tatentschluss, (2) führt einen gefassten Tatentschluss später nicht aus oder (3) war bereits fest zur Tat entschlossen (omnimodo facturus).4

Prüfungsschema

  1. Vorprüfung
    1. 1. Keine Vollendung

      Es darf keine erfolgreiche Anstiftung vorliegen, also weder eine Anstiftung zur vollendeten Tat (z. B. §§ 212, 26 StGB) noch zur versuchten Tat (z. B. §§ 212, 22, 26 StGB).

    2. 2. Strafbarkeit der versuchten Anstiftung

      Die versuchte Anstiftung ist nur bei einem Verbrechen als Bezugstat strafbar (§§ 30 I, 12 I StGB).

  2. I. Tatbestandsmäßigkeit
    1. 1. Subjektiv: Vorsatz, den Entschluss zur Begehung eines Verbrechens hervorzurufen
    2. 2. Objektiv: Unmittelbares Ansetzen zum Bestimmen
  3. II. Rechtswidrigkeit
  4. III. Schuld
  5. IV. Strafzumessung: §§ 30 I 2, 49 I StGB
  6. V. Rücktritt gemäß § 31 I Nr. 1 StGB

Subjektiver Tatbestand

Der Täter muss den Entschluss gefasst haben, zu einem Verbrechen anzustiften. Er muss also den subjektiven Tatbestand der Anstiftung aufweisen.5

Der „doppelte“ Vorsatz muss sich beziehen auf (1) die Begehung einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen vollendeten Haupttat, die ein Verbrechen sein muss, und (2) die Hervorrufung des Tatvorsatzes zur Begehung dieses Verbrechens.6 Dolus eventualis genügt. Der Täter des § 30 I StGB muss zumindest billigend in Kauf nehmen bzw. sich ernsthaft damit abfinden, dass seine Einwirkung beim Adressaten den Vorsatz zur Begehung eines Verbrechens hervorruft.7 Dabei muss sich der Anstiftervorsatz auf eine hinreichend konkretisierte Tat beziehen.

Umstritten ist die Frage, in wessen Person die ins Auge gefasste Tat ein Verbrechen sein muss.8

Beispiel: Die A will ihren dies ausdrücklich und ernsthaft verlangenden Ehemann O, der unheilbar erkrankt ist, von seinem Leiden erlösen. Von dem Verlangen des O bestimmt beauftragt A den Berufskiller T, ihren Mann zu töten. T weiß von der Motivation der A nichts und will die Tat ohnehin nur um des Geldes willen begehen. Bevor die Tat auch nur versucht werden kann, verstirbt O. In einem solchen Fall ist die von A ins Auge gefasste Tat eine Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), also ein Vergehen (§ 12 II StGB). In der Person des T stellt sich die ins Auge gefasste Tat hingegen als Mord (§ 211 StGB) und damit als ein Verbrechen (§ 12 I StGB) dar. Hier stellt sich nun maßgeblich die Frage, ob in der Person der A von einer versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen ausgegangen werden kann.

Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur stellen darauf ab, ob die ins Auge gefasste Tat in der Person des Haupttäters ein Verbrechen darstellen sollte. Ob die Tat auch in der Person des Anstifters die Qualität des § 12 I StGB erreichen sollte, sei hingegen gleichgültig.9

Dann hätte sich A im Beispielsfall der versuchten Anstiftung zum Mord schuldig gemacht. Ihre Strafe soll dann aber dem § 216 StGB mit einer Milderung nach §§ 30 I, 49 I StGB entnommen werden.

Nach der in der Literatur vorherrschenden Gegenauffassung muss die präsumtive Tat in der Person des Anstifters ein Verbrechen sein.10

Dann wäre A straflos. T hätte sich bereit erklärt, ein Verbrechen zu begehen (§§ 211, 30 II Var. 1 StGB).

Schließlich wird auch die Auffassung vertreten, ein Verbrechen müsse sowohl beim Anstifter als auch beim Haupttäter vorliegen.11

Nach dieser Auffassung wären sowohl A als auch T straflos.

Für die erstgenannte Auffassung spricht insbesondere der Wortlaut des § 30 I StGB; sie wird zudem auch dem Präventionscharakter des § 30 StGB gerecht, der besonders schwerwiegende Taten verhindern will.12

Objektiver Tatbestand

Objektiv setzt die Tat voraus, dass der Täter versucht, einen anderen zu bestimmen. Bestimmen ist jede Anstiftungshandlung.13

Wann der Bestimmungsversuch des § 30 I StGB beginnt, ist umstritten. Nach h. M. liegt ein unmittelbares Ansetzen nicht erst dann vor, wenn der Anzustiftende die Anstiftungserklärung zur Kenntnis genommen hat,14 sondern bereits dann, wenn der Auffordernde den Kausalverlauf aus der Hand gegeben hat.15

Rücktritt

Nach § 31 I Nr. 1 StGB wird nicht bestraft, wer den Anstiftungsversuch aufgibt und die Vollendungsgefahr beseitigt. Im Ergebnis entspricht dies der Regelung des § 24 II 1 StGB.16 § 31 II StGB knüpft an § 24 I 2, II 2 StGB an und erfasst vor allem den untauglichen Bestimmungsversuch, also z.B. die versuchte Anstiftung eines polizeilichen Lockspitzels oder eines zur Tat bereits entschlossenen Täters.17


  1. 1. BGH, Urt. v. 10.06.1998 – 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 102 f.; Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 47 Rn. 8.
  2. 2. Hier und zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 47 Rn. 6 f.
  3. 3. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 30 Rn. 5.
  4. 4. Da beim omnimodo facturus eine Haupttat vorliegt, gelangt man nach der Verneinung einer erfolgreichen Anstiftung oftmals zur Annahme einer psychischen Beihilfe, hinter die dann die versuchte Anstiftung zurücktritt.
  5. 5. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 30 Rn. 7.
  6. 6. Hier und zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 47 Rn. 10 – 20.
  7. 7. BGH, Urt. v. 05.02.2013 – 1 StR 405/12, Rn. 7.
  8. 8. Zum Folgenden: Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 30 Rn. 8 – 11.
  9. 9. BGH, Beschl. v. 23.02.2017 – 1 StR 627/16, Rn. 23; Hinderer, JuS 2011, 1072, 1073; Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 47 Rn. 15; Valerius, Jura 2013, 15, 19 f.
  10. 10. Geppert, Jura 1997, 546, 549; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 30 Rn. 13; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 30 Rn. 9; Mitsch, JR 2010, 357, 359 f.; Satzger, Jura (JK) 2017, 1341.
  11. 11. Dehne-Niemann, StV 2018, 214, 217 ff.; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, 12. Aufl. 2016, § 26 Rn. 182 f.
  12. 12. Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 47 Rn. 15.
  13. 13. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 30 Rn. 10.
  14. 14. So Stratentwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, 6. Aufl. 2011, § 12 Rn. 175.
  15. 15. Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 30 Rn. 9a; Graul, JR 1999, 248, 251 f.; Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 30 Rn. 11; Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 47 Rn. 21.
  16. 16. Joecks/Jäger, StGB, 12. Aufl. 2018, § 31 Rn. 3.
  17. 17. Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 47 Rn. 45.