Verjährung (§§ 194 - 218 BGB)

Verjährung (§§ 194 - 218 BGB)

Die Verjährung ist die in Klausuren und in der Praxis wichtigste peremptorische, d. h. dauerhaft wirkende Einrede. Sie beschränkt die Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. § 194 I BGB) in zeitlicher Hinsicht in der Weise, dass der Schuldner die Leistung ab Vollendung der Verjährung verweigern darf (§ 214 I BGB).

Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes, des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit.1 Sie soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhandengekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind. Dabei stellt das Verjährungsrecht die Vermutung auf, dass ein Anspruch, der aus weit zurückliegendem Entstehungsgrund erhoben wird, möglicherweise nie entstanden oder bereits erloschen ist. Dies soll dem Schuldner die Möglichkeit geben, einen Anspruch abzuwehren, ohne ihn inhaltlich bekämpfen zu müssen. Sollte der Anspruch doch bestehen, hat der Gläubiger den Nachteil der Verjährung durch seine Nachlässigkeit in der Regel selbst verschuldet.

Rechtsfolgen der Verjährung, §§ 214 – 218 BGB

In der Falllösung ist auch bei Einreden von der Rechtsfolge aus zu denken. Diese ist in § 214 BGB geregelt. Die Verjährung führt nicht zum Erlöschen des Anspruchs, sondern gibt dem Schuldner nur ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht (§ 214 I BGB). Als Einrede wird die Verjährung nur beachtet, wenn sie vom Schuldner geltend gemacht wird. Mit Ablauf der Verjährungsfrist darf der Schuldner die geschuldete Leistung verweigern und erhält die Möglichkeit, durch Erhebung der Verjährungseinrede die Durchsetzbarkeit des gegen ihn gerichteten Anspruchs zu verhindern.2

Nach Ablauf der Verjährungsfrist muss sich der Schuldner um Regress oder sonstige Risikovorsorge nicht mehr zu kümmern.3

Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist (§ 214 II 1 BGB).

Da eine verjährte Forderung erfüllbar bleibt, kann der Schuldner eine zum Zwecke ihrer Erfüllung (solvendi causa) erbrachte Leistung nicht zurückfordern.4 Voraussetzung ist allerdings, dass der Schuldner freiwillig geleistet hat; zahlt er nur, um einer drohenden Zwangsvollstreckung zuvorzukommen, ist ein Rückforderungsanspruch gemäß § 813 I 1 BGB nicht durch § 214 II 1 BGB ausgeschlossen.5

Der Leistung steht nach § 214 II 2 BGB ein Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und eine Sicherheitsleistung (§§ 232 ff. BGB) gleich.

Gegenstand und Dauer der Verjährung, §§ 194 – 202 BGB

Gegenstand der Verjährung sind ausschließlich Ansprüche (vgl. § 194 I BGB).

Wenn Ansprüche ausnahmsweise unverjährbar sind, ergibt sich dies unmittelbar aus dem Gesetz (z. B. §§ 194 II, 898, 902, 924 BGB). Im Gewährleistungsrecht können bestimmte Gestaltungsrechte (Rücktritt, Minderung) unwirksam sein, wenn der ihnen zugrunde liegende Nacherfüllungsanspruch verjährt ist (§ 438 IV, V i.V.m. § 218 BGB; § 634a IV 1, V i.V.m. § 218 BGB.

Die Verjährung tritt mit Ablauf der Verjährungsfrist ein. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Sie gilt unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage für alle Ansprüche, für die keine abweichende – längere oder kürzere – Frist bestimmt ist (z. B. §§ 196, 197, 438, 634a BGB).

Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist in § 199 I BGB geregelt. Neben der Entstehung des Anspruchs – damit ist der Zeitpunkt des Eintritts seiner Fälligkeit (vgl. § 271 BGB) gemeint – ist erforderlich, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Damit es jedoch nicht zu einer faktischen Unverjährbarkeit von Schadensersatzansprüchen führt, sind objektive Verjährungshöchstfristen von 10 Jahren (§ 199 III Nr. 1, IV BGB) bzw. 30 Jahren (§ 199 II, III Nr. 2 BGB) festgelegt. Der taggenaue Nachweis des Verjährungsbeginns wird den Parteien durch die Fiktion des Verjährungsbeginns auf den Jahresschluss erspart (§ 199 I BGB: „… mit dem Schluss des Jahres …“). Dies hat zur Folge, dass die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß §§ 187 I, 188 II BGB stets am 31.12. um 24 Uhr abläuft. Es gilt für die regelmäßige Verjährungsfrist folgende Normenkette: §§ 195, 199 I, 187 I, 188 II BGB.

Die Verjährungsfrist kann grundsätzlich durch Parteivereinbarung verkürzt oder verlängert werden.

Entsprechende Vereinbarungen können anfänglich bei Vertragsschluss oder nachträglich anlässlich einer Auseinandersetzung über den jeweiligen Anspruch geschlossen werden.6 Vereinbarungen, die die Verjährung beschleunigen, sind bei einer Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft möglich (§ 202 I BGB). Hinausschiebende Vereinbarungen können die Verjährung zudem nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschweren (§ 202 II BGB).

Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung, §§ 203 – 213 BGB

Bei einer Hemmung der Verjährung wird der Zeitraum, in dem die Hemmung besteht, für die Verjährung nicht mitgerechnet (§ 209 BGB). Gehemmt wird die Verjährung insbesondere durch Verhandlungen zwischen den Parteien über den Anspruch oder die zugrunde liegenden Umstände (§ 203 BGB) sowie durch Rechtsverfolgung (§ 204 BGB).

Klausur- und praxisrelevant ist insbesondere die Klageerhebung (§ 204 I Nr. 1 BGB), die durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten erfolgt (§ 253 I ZPO); wird die Klage kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist bei Gericht eingereicht und erst nach deren Ablauf zugestellt, wirkt die Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht zurück, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt (§ 167 ZPO).

Die in den §§ 210, 211 BGB geregelte Ablaufhemmung schützt den nicht voll Geschäftsfähigen ohne gesetzlichen Vertreter und den Erben bzw. Nachlassgläubiger vor einem Rechtsverlust, indem eine laufende Verjährungsfrist grundsätzlich erst sechs Monate nach Eintritt der Volljährigkeit bzw. Annahme der Erbschaft endet. Zu einem Neubeginn der Verjährung führen gemäß § 212 I BGB das Anerkenntnis des Schuldners und die Vornahme oder Beantragung einer Vollstreckungshandlung.

Verhältnis Verjährung – Verwirkung

Verjährung und Verwirkung schließen einander nicht aus.7 Sie unterscheiden sich in Tatbestand und Rechtsfolge. Die Verwirkung kann vor der Verjährung eintreten; je kürzer allerdings die Verjährungsfrist ist, desto seltener werden die Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen. Vor allem können Rechte (z. B Gestaltungsrechte), die nicht der Verjährung unterliegen – der Verjährung unterliegen nur Ansprüche (§ 194 I BGB) – verwirkt werden.


  1. Hier und zum Folgenden: BGH, Urt. v. 19.12.2018 – XII ZR 5/18, Rn. 24.
  2. Hier und zum Folgenden: BGH, Urt. v. 19.12.2018 – XII ZR 5/18, Rn. 26.
  3. Jacoby/v. Hinden, BGB, 18. Aufl. 2022, § 194 Rn. 1.
  4. Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 214 Rn. 4.
  5. BGH, Urt. v. 05.07.2013 – V ZR 141/12, Ls. 1.
  6. Jacoby/v. Hinden, BGB, 18. Aufl. 2022, § 202 Rn. 1.
  7. Hier und zum Folgenden: Erman/Böttcher, BGB, 16. Aufl. 2020, § 242 Rn. 126.