Verfahrensvoraussetzungen
Aufbau der Prüfung - Verfahrensvoraussetzungen
Im Rahmen der Begründetheit der Revision sind zunächst die Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen, die auch Verfahrenshindernisse genannt werden. Hierbei ist aus didaktischen Gründen zwischen Verfahrenshindernissen zu unterscheiden, die vor und nach Anklageerhebung entstehen. In der Klausur ist eine solche Unterscheidung hingegen nicht erforderlich. Im Rahmen der Verfahrensvoraussetzungen gibt es keinen numerus clausus. Das bedeutet, dass keine abschließende Anzahl an Verfahrensvoraussetzungen existiert. An dieser Stelle werden die wichtigsten Verfahrensvoraussetzungen aufgeführt.
I. Verfahrensvoraussetzungen vor Anklageerhebung
Im folgenden werden die wichtigsten Verfahrensvoraussetzungen vor Anklageerhebung dargestellt.
1. Strafantrag, §§ 77 ff. StGB
Als Verfahrenshindernis vor Anklageerhebung ist zunächst der fehlende Strafantrag zu nennen. Die Strafantragsvorschriften sind in den §§ 77 ff. StGB genannt. Zu beachten ist hierbei, dass es absolute und relative Antragsdelikte gibt.
2. Verjährung, §§ 78 ff. StGB
Weiterhin gehört auch die Verjährung Teil der Verfahrensvoraussetzungen. Die Vorschriften zur Strafverfolgungsverjährung sind in den §§ 78 ff. StGB zu finden.
3. Strafklageverbrauch, Art. 103 III GG
In den Verfahrensvoraussetzungen ist zudem der Strafklageverbrauch zu prüfen, vgl. Art. 103 III GG. Dieser wird auch Doppelbestrafungsverbot genannt. Danach darf man wegen derselben Tat nicht mehrfach bestraft werden. Mit der Tat ist die prozessuale Tat gemeint.
4. Anderweitige Rechtshängigkeit, Art. 103 III GG
Als Verfahrenshindernis ausdrücklich nicht geregelt ist die anderweitige Rechtshängigkeit, vgl. Art. 103 III GG. Ist jemand beispielsweise schon in einer anderen Stadt wegen derselben Sache angeklagt, dann kann er nicht nochmal in der hiesigen Stadt angeklagt werden.
5. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts, §§ 3 ff. StGB
Zu beachten ist ferner die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts, vgl. §§ 3 ff. StGB. Das deutsche Strafrecht findet immer dann Anwendung, wenn der Täter oder das Opfer deutsch ist oder der Fall in Deutschland spielt.
6. Strafunmündigkeit, § 19 StGB
Darüber hinaus ist gemäß § 19 StGB auch die Strafunmündigkeit im Rahmen der Verfahrensvoraussetzungen zu berücksichtigen. Wer keine 14 Jahre alt ist, kann sich nicht strafbar machen, da er strafunmündig ist.
7. Fehlende Verantwortungsreife, §§ 1, 3 JGG
Für Jugendliche gilt zudem die Verantwortungsreife. Fehlt diese Verantwortungsreife, ist eine Strafbarkeit ausgeschlossen, vgl. §§ 1, 3 JGG.
8. Exterritorialität, § 18 GVG
Der Exot unter den Verfahrensvoraussetzungen ist die sogenannte Exterritorialität, vgl. § 18 GVG. Sie stellt ein Verfolgungshindernis etwa für Botschaftsangehörige dar.
9. Tod/dauernde Verhandlungsunfähigkeit, § 206a StPO analog
Teil der Prüfung der Verfahrenshindernisse sind auch der Tod oder die dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten. Diese Situation ist ausdrücklich nicht geregelt. Herangezogen wird regelmäßig § 206a StPO analog.
10. Immunität, Art. 46 II GG
Letztes angeführtes Beispiel für ein Verfahrenshindernis vor Anklageerhebung ist die Immunität, vgl. Art. 46 II GG.
II. Verfahrensvoraussetzungen nach Anklageerhebung
1. Sachliche Unzuständigkeit, § 6 StPO
Als Verfahrenshindernis nach Anklageerhebung ist zum einen die sachliche Unzuständigkeit gemäß § 6 StPO zu nennen. Hiernach wird die sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen geprüft. Details zur sachlichen Zuständigkeit können einem gesonderten Exkurs entnommen werden. Die funktionelle bzw. örtliche Zuständigkeit wird über § 338 Nr. 4 StPO erfasst.
2. Ordnungsgemäße Anklage, § 200 StPO
Zum anderen muss eine ordnungsgemäße Anklage vorliegen. Wann eine Anklage ordnungsgemäß ist, kann dem § 200 StPO entnommen werden. Wichtig sind hierbei insbesondere die konkrete Beschreibung der Person, die angeklagt wird, und die genaue Beschreibung der Tat, die der Person vorgeworfen wird. Der konkrete Anklagesatz darf danach nicht fehlen und muss vollständig sein.
3. Ordnungsgemäßer Eröffnungsbeschluss, § 207 StPO
Weiterhin muss ein ordnungsgemäßer Eröffnungsbeschluss erfolgen. vgl. § 207 StPO. Auch in Bezug auf den Eröffnungsbeschluss gilt, dass sich aus ihm ergeben muss, wem gegenüber die Anklage zugelassen wird und was der Person vorgeworfen wird.
4. Nachtragsanklage, § 266 StPO
Weiteres Prozesshindernis nach Anklageerhebung ist die fehlende Nachtragsanklage, vgl. § 266 StPO. Hierbei geht es um den prozessualen Tatbegriff und dabei wiederum um mehrere prozessuale Taten.
5. Zulässigkeit der Berufung, §§ 312 ff. StPO
Relevant werden könnte darüber hinaus auch die inzidente Prüfung der Zulässigkeit der Berufung nach den §§ 312 ff. StPO. Hieran ist immer dann zu denken, wenn eine Revision von der kleinen Strafkammer zum OLG vorliegt. Denn vorher ist eine Berufung vorausgegangen, sodass die Revision schon zulässig und begründet wäre, wenn die vorausgegangene Berufung unzulässig war.