Verfahrensgrundsätze
Exkurs ZPO I 2: Verfahrensgrundsätze (Prozessmaxime)
Das Zivilverfahren wird von verschiedenen Grundsätzen beherrscht.
Dispositionsmaxime
Der prägendste Grundsatz ist die Dispositionsmaxime, die besagt, dass Einleitung und Gegenstand des Verfahrens sowie seine (unstreitige) Beendigung grundsätzlich dem Parteiwillen unterliegen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
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Zivilverfahren werden nicht von Amts wegen eingeleitet, sondern von demjenigen, der meint, einen Anspruch gegen einen anderen zu haben. Es gilt das Motto: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“.
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Den Gegenstand des Verfahrens bestimmt der Kläger, indem er in der Klageschrift den Beklagten benennt, einen konkreten Antrag stellt und diesen begründet (§ 253 Abs. 2 ZPO). Antrag und Lebenssachverhalt bilden den sog. Streitgegenstand. Das Gericht ist an den Streitgegenstand gebunden und darf dem Kläger nicht mehr zusprechen, als er tatsächlich beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO).
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Der Kläger kann im Laufe des Verfahrens über den Streitgegenstand disponieren, wenn auch nicht immer völlig autonom:
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Er kann die Klage bis zur rechtskräftigen Entscheidung jederzeit zurücknehmen (§ 269 Abs. 1 ZPO). Ab Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten braucht er allerdings dessen Einwilligung (§ 269 Abs. 1 ZPO).
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Er kann die Klage erweitern oder beschränken.
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Er kann die Klage für erledigt erklären. Das Gericht darf dann nicht mehr über seinen ursprünglichen Antrag entscheiden.
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Der Beklagte kann
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den Anspruch des Klägers anerkennen. Das Gericht entscheidet dann durch Anerkenntnisurteil, wobei es hierfür keiner mündlichen Verhandlung bedarf (§ 307 ZPO).
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sich der Erledigungserklärung des Klägers anschließen. Damit entfällt die Rechtshängigkeit der Klage (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog) und das Gericht entscheidet nur noch über die Kosten des Rechtsstreits (§ 91a ZPO).
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Die Parteien können den Rechtsstreit durch einen Vergleich gütlich beilegen.
Beibringungsgrundsatz (Verhandlungsgrundsatz)
Der Beibringungsgrundsatz besagt, dass die Parteien dem Gericht den Sachverhalt, über den es entscheiden soll, (wahrheitsgemäß, § 138 Abs. 1 ZPO) zu unterbreiten haben. Kommt eine Partei dieser Obliegenheit auch nach einem richterlichen Hinweis (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nicht nach, verliert sie allein deshalb den Prozess.
Dabei obliegt es jeder Partei, diejenigen Tatsachen zu behaupten (darzulegen), die sie für ihren Prozesserfolg benötigt (Darlegungslast). Für den Kläger sind das die anspruchsbegründenden Tatsachen, für den Beklagten alle Tatsachen, die rechtshindernde oder -vernichtende Einwendungen bzw. rechtshemmende Einreden begründen sollen.
Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich sodann jede Partei zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachenbehauptungen der Gegenseite zu erklären. Tut sie das nicht, gilt der Vortrag als zugestanden (Abs. 3). Die Tatsachenbehauptung ist dann unstreitig, so dass über ihre Richtigkeit kein Beweis erhoben werden muss. Dasselbe gilt, wenn die Richtigkeit der Behauptung ausdrücklich eingeräumt wird (§ 292 ZPO). Bestreitet die Partei den Vortrag der Gegenseite, ist über die Richtigkeit der Tatsachenbehauptung Beweis zu erheben.
Unter den Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO darf sich die Partei auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken, während sie ansonsten mit der Behauptung, nicht zu wissen, ob der Vortrag des Gegners zutreffe, keinen Erfolg hätte (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die behauptete Tatsache darf weder Gegenstand einer eigenen Handlung noch der eigenen Wahrnehmung gewesen sein sollen.
Bsp.: Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Er behauptet hierzu, der Beklagte habe ihm die Vorfahrt genommen. Durch den Zusammenstoß sei an seinem Wagen ein Schaden entstanden, dessen Reparatur 1.000,00 Euro koste. Der Beklagte bestreitet den gesamten Vortrag des Klägers mit Nichtwissen.
Bei der Prüfung, ob Beweis zu erheben ist, muss das Gericht jede einzelne Tatsachenbehauptung gesondert betrachten. Die Behauptung, er habe dem Kläger die Vorfahrt genommen, kann der Beklagte nicht mit Nichtwissen bestreiten, weil sie eine eigene Handlung des Beklagten betrifft. Hier muss er sich also konkret positionieren. Tut er dies nicht, gilt die Behauptung als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Dagegen betrifft es weder eine eigene Handlung des Beklagten noch dessen Wahrnehmung, welche Reparaturkosten anfallen. Insoweit ist sein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig. Über die Schadenshöhe muss das Gericht folglich Beweis erheben.
Mündlichkeitsgrundsatz
Gemäß § 128 Abs. 1 ZPO verhandeln die Parteien vor dem erkennenden Gericht mündlich, so dass Urteile grundsätzlich nur nach mündlicher Verhandlung ergehen dürfen (Abs. 4).
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Die mündliche Verhandlung ist Teil des Gerichtstermins, zu dem auch die Güteverhandlung (§ 278 Abs. 2 Satz 1 ZPO), die Beweisaufnahme (§§ 279 Abs. 2 ZPO) und die Verkündung eines Urteils (§ 310 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO) gehören können.
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Formal beginnt die mündliche Verhandlung mit dem Stellen der Anträge (§ 137 Abs. 1 ZPO) und endet, wenn sie vom Gericht geschlossen wird.
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In der mündlichen Verhandlung sollen die Parteien tatsächliche und rechtliche Ausführungen machen (§ 137 Abs. 2 ZPO). Mit der Antragstellung und der anschließenden mündlichen Verhandlung zur Sache wird jedoch der gesamte bis zum Termin angefallene Akteninhalt und damit auch das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Über den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird ein Protokoll angefertigt (§ 159 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Die mündliche Verhandlung ist grundsätzlich öffentlich (§ 169 Abs. 1 Satz 1 GVG).
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Mit dem Mündlichkeitsgrundsatz einher geht der Unmittelbarkeitsgrundsatz, der besagt, dass Verhandlung und Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht, also den- oder demjenigen Richter(n), die am Ende entscheiden sollen, stattzufinden hat, damit diese sich einen eigenen Eindruck verschaffen können.
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Wichtige Ausnahmen vom Mündlichkeitsprinzip gelten:
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für Beschlüsse (§ 128 Abs. 4 ZPO);
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bei Anordnung des schriftlichen Verfahrens (§ 128 Abs. 2 ZPO);
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im vereinfachten Verfahren vor dem Amtsgericht, in dem nur auf Antrag einer Partei verhandelt werden muss (§ 495a ZPO);
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bei Erlass eines Anerkenntnisurteils (§ 307 Satz 2 ZPO);
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bei Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 Abs. 3 ZPO);
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bei Verwerfung eines unzulässigen Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil (§ 341 Abs. 2 ZPO) und einen Vollstreckungsbescheid (§ 700 Abs. 1 ZPO)
Verfassungsrechtliche Grundsätze
Jede Partei hat Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
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Das bedeutet zum einen, dass das Gericht der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme zum gegnerischen Vortrag oder zu gerichtlichen Hinweisen gewähren muss. Auf eine Tatsache, zu der der Gegner nicht Stellung nehmen konnte, darf es seine Entscheidung nicht stützen.
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Zum anderen muss das Gericht den maßgeblichen Vortrag der Parteien zur Kenntnis nehmen, bei seiner Entscheidung in Erwägung ziehen und auf die wesentlichen Behauptungen in den Entscheidungsgründen eingehen.
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Außerdem fällt hierunter die Hinweispflicht des Gerichts nach § 139 ZPO.
Zudem gelten das Gebot fairen Verfahrens und der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.
Hierzu Exkurs ZPO I 12.
Hierzu Exkurs ZPO I 14.
Hierzu Exkurs ZPO I 9.
Hierzu Exkurs ZPO I 14.
Hierzu Exkurs ZPO I 14.
Hierzu Exkurs ZPO I 10.
Hierzu Exkurs ZPO I 15.
BGH (VI ZR 81/17)