Verbundene und zusammenhängende Verträge
Verbundene und zusammenhängende Verträge (§§ 358 - 360 BGB)
Für verbundene Verträge (§§ 358, 359 BGB) und für zusammenhängende Verträge (§ 360 BGB) sieht das Gesetz besondere Rechtsfolgen des Widerrufs vor.
Verbundene Verträge, §§ 358, 359 BGB
Hat der Verbraucher zwei Verträge geschlossen – einen über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Dienstleistung (Hauptvertrag) und einen Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491 ff. BGB) – und sind diese beiden Verträge miteinander „verbunden“, gelten die Bestimmungen der §§ 358, 359 BGB.1
Verbunden sind die beiden Verträge, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden (§ 358 III 1 BGB). Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient (§ 358 III 2 BGB).2
Beispiel: Der Verbraucher K kauft im Autohaus des V einen Pkw und schließt gleichzeitig – vermittelt durch V – einen Darlehensvertrag mit der Hausbank des V zur Finanzierung des Pkw. Hier liegt ein verbundener Vertrag vor (vgl. § 358 III 1 u. 2 BGB).
Widerruft der Verbraucher in einer solchen Situation entweder den einen oder den anderen Vertrag, ist er auch an seine Willenserklärung in Bezug auf den jeweils anderen Vertrag nicht mehr gebunden (§ 358 I, II BGB; Widerrufsdurchgriff). Der jeweils andere Vertrag gilt dann als widerrufen, ohne dass der Verbraucher insoweit einen Widerruf erklären bzw. ihm überhaupt ein Widerrufsrecht zustehen muss; hierdurch wird ein Rückabwicklungsgleichlauf erreicht.3
Schon dies verdeutlicht den Schutzzweck der §§ 358, 359 BGB: Der Verbraucher soll nicht an einen für ihn nutzlosen Vertrag gebunden sein, dessen „Geschäftsgrundlage“ infolge des Widerrufs des jeweils anderen Vertrags weggefallen ist.
Daneben ordnet das Gesetz in § 359 BGB einen Einwendungsdurchgriff an. Der Verbraucher kann die Rückzahlung des Darlehens verweigern, soweit „Einwendungen“4 aus dem verbundenen Vertrag ihn gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen würden (§ 359 I 1 BGB). Es besteht also ein Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers bezüglich des Rückzahlungsanspruchs aus dem Darlehensvertrag in demselben Umfang, in welchem dem Verbraucher Einwendungen aus dem finanzierten Vertrag zustehen. Dies gilt aber nicht bei Einwendungen, die auf einer Vertragsänderung beruhen, welche zwischen diesem Unternehmer und dem Verbraucher nach Abschluss des Darlehensvertrags vereinbart wurde (§ 359 I 2 BGB). Kann der Verbraucher hinsichtlich des finanzierten Vertrags Nacherfüllung verlangen (z. B. nach §§ 439, 635 BGB), so kann er die Rückzahlung des Darlehens zudem erst dann verweigern, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen5 ist (§ 359 I 3 BGB).
Der Einwendungsdurchgriff greift ausnahmsweise dann nicht ein, wenn das finanzierte Entgelt weniger als 200 € beträgt (§ 359 II BGB; sog. Bagatellfall6). Auf das Entgelt für das Darlehen als solches, also auf etwaige Darlehenszinsen, kommt es hingegen nicht an. § 359 BGB gilt über den Verweis in § 515 BGB auch für unentgeltliche Finanzierungshilfen und damit auch für zinslose Verbraucherdarlehensverträge, zu denen insbesondere sog. Null-Prozent-Finanzierungen gehören.
Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind die §§ 355 III, 357 ff. BGB entsprechend anzuwenden (§ 358 IV 1 BGB). Hierdurch wird ein Rückabwicklungsgleichlauf erzielt.7
Dabei gilt nach § 358 IV 5 BGB die Besonderheit, dass der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag eintritt, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. Es kommt dann mit anderen Worten zu einer bilateralen Rückabwicklung der verbundenen Verträge,8 d. h. der Verbraucher muss sich nur mit dem Darlehensgeber (auch hinsichtlich des finanzierten Geschäfts) auseinandersetzen. Bei einem Widerruf nach § 358 I BGB sind dabei Ansprüche des Darlehensgebers auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen den Verbraucher ausgeschlossen (§ 358 IV 4 BGB).9
Insbesondere bei Insolvenz des Vertragspartners des finanzierten Geschäfts stellt sich die in den §§ 358, 359 BGB nicht geregelte Frage, ob Störungen im verbundenen Vertragsverhältnis den Verbraucher auch dazu berechtigen, gezahlte Darlehensraten vom Darlehensgeber zurückzufordern (Rückforderungsdurchgriff).10
Ist der finanzierte Vertrag von Anfang an nichtig, hat der Verbraucher gegen den Darlehensgeber einen Rückzahlungsanspruch aus § 813 I 1 BGB;11 im Gegenzug ist der Verbraucher dem Darlehensgeber zur Abtretung seines gegen den Vertragspartner des finanzierten Geschäfts gerichteten Kondikationsanspruchs verpflichtet.
Bei erst nachträglich entstandenen Einwendungen (z. B. Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit der Kaufsache) greift § 813 I 1 BGB nicht ein. Auch ein Anspruch in Analogie zu § 358 IV 5 BGB ist zu verneinen;12 § 358 IV 5 BGB schützt den Verbraucher nur davor, den Kredit zurückzahlen zu müssen, wenn er dem Erbringer der Leistung zugeflossen ist und dieser dem Verbraucher keine vertragsgemäße Gegenleistung erbracht hat.13
Ist nur der Darlehensvertrag nichtig, vollzieht sich die Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB im Verhältnis zwischen dem Verbraucher und dem Darlehensgeber; die Bereicherung des Verbrauchers besteht dabei in der Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber seinem Vertragspartner aus dem finanzierten Geschäft.
Zusammenhängende Verträge, § 360 BGB
Von verbundenen Verträgen sind die zusammenhängenden Verträge zu unterscheiden.14
Ein zusammenhängender Vertrag liegt vor, wenn er mit dem Hauptvertrag zwar keine wirtschaftliche Einheit bildet, jedoch eine direkte Verknüpfung mit diesem aufweist und eine Leistung betrifft, die von dem Unternehmer des widerrufenen Vertrags oder einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Unternehmer des zusammenhängenden Vertrags erbracht wird (§ 360 II 1 BGB).
Ein Darlehensvertrag ist auch dann ein zusammenhängender Vertrag, wenn das Darlehen, das ein Unternehmer einem Verbraucher gewährt, ausschließlich der Finanzierung des widerrufenen Vertrags dient und die Leistung des Unternehmers aus dem widerrufenen Vertrag in dem Darlehensvertrag genau angegeben ist (§ 360 II 2 BGB). Beispiel: K kauft von V im Rahmen eines Fernabsatzvertrages (§ 312c BGB) ein Neufahrzeug. Die Finanzierung wird nicht durch V vermittelt, sondern V finanziert das Fahrzeug über seine Hausbank B, die den Darlehensbetrag zur Tilgung der Kaufpreisschuld des K an V überweist. Eine Vereinbarung zwischen V und B besteht nicht. Im Darlehensvertrag zwischen B und K wird als Zweck allerdings der Kauf des Fahrzeugs von V genannt.
Widerruft der Verbraucher in einer solchen Situation den einen Vertrag, ist er auch an den anderen nicht mehr gebunden (§ 360 I 1 BGB, Widerrufsdurchgriff). Auf die Rückabwicklung des zusammenhängenden Vertrags ist § 358 IV 1 – 3 BGB entsprechend anzuwenden (§ 360 I 2 BGB). Ein Einwendungsdurchgriff gemäß § 359 BGB findet aber nicht statt.15
- Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 1049 – 1049h.
- Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist § 358 III 3 BGB zu beachten.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 19 Rn. 47.
- Neben rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen sind damit auch rechtshemmende Einreden gemeint (Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 359 Rn. 2).
- Vgl. hierzu die §§ 440, 636 BGB.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 19 Rn. 50.
- Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 358 Rn. 4.
- Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 358 Rn. 12.
- Der Zweck dieser Regelung besteht darin, dass der Verbraucher sich folgenlos von dem verbundenen Geschäft lösen kann (Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 19 Rn. 49).
- Hier und zum Folgenden: Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 359 Rn. 3.
- BGH, Urt. v. 04.12.2007 – XI ZR 227/06, Rn. 31.
- BGH, Urt. v. 10.11.2009 – XI ZR 252/08, Rn. 50 ff.
- BGH, Urt. v. 10.11.2009 – XI ZR 252/08, Rn. 56; a. A. BGH, Urt. v. 21.07.2003 – II ZR 387/02. NJW 2003, 2821, 2823 f.
- Zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 1049i, 1049j.
- Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 16. Aufl. 2018, § 360 Rn. 1.