Urkundenprozess (Behandlung des Vorverfahrens im Gutachten)

Aufbau der Prüfung - Urkundenprozess (Behandlung des Vorverfahrens im Gutachten)

Dieser Exkurs behandelt das Vorverfahren des Urkundenprozesses im Gutachten. Der Urkundenprozess ist ein Spezialverfahren, vgl. §§ 592 ff. ZPO. Beim Urkundenprozess geht es um die Verfahrensbeschleunigung durch die Beschränkung von Beweismitteln. Der Urkundenprozess ist in zwei Verfahrensabschnitte unterteilt: das Vorverfahren und das Nachverfahren. Im Vorverfahren gilt die Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden, wohingegen im Nachverfahren mit allen Beweismitteln agiert werden kann. Beispiel: A vermietet eine Wohnung an B. B zahlt A die Miete in bar. A vergisst die Zahlung und bemerkt in seinen Unterlagen einen Zahlungsrückstand. A entscheidet sich, im Urkundenprozess die Mietzahlung einzuklagen. Dies ist dem A deshalb möglich, da er den Mietvertrag hat, aus dem sich ergibt, dass B ihm die Miete schuldet. Da im Prozess nur Urkunden zulässig sind, kann sich B nicht auf die Zahlung berufen, wenn A ihm keine Quittung ausgestellt hat. Mithin wird B das Vorverfahren verlieren. Im Nachverfahren kann B sich jedoch beispielsweise auf einen Zeugen stützen, der gesehen hat, wie B dem A das Geld in die Hand gedrückt hat. Das Gutachten wir beim Vorverfahren im Urkundenprozess in zwei Schritten aufgebaut: Zulässigkeit und Begründetheit der Klage. Zunächst wird somit die Zulässigkeit der Klage erörtert.

I. Zulässigkeit

1. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen

Die Zulässigkeitsprüfung beginnt wie üblich mit den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen.

2. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen

Sodann folgen die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen des Urkundenprozesses. Diese ergeben sich aus den §§ 592, 593 ZPO.

a) Klage auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, § 592 S. 1 ZPO

Gemäß § 592 ZPO muss sich die Klage auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme richten. Insbesondere ist es nicht möglich, Räumungsklagen oder Feststellungsklagen über einen Urkundenprozess durchzusetzen.

b) Schlüssigkeit der Klage

Sodann wird die Schlüssigkeit der Klage im Rahmen der Zulässigkeit geprüft. Dies ist im Grunde genommen ein Systembruch,ergibt sich jedoch aus dem Wortlaut des § 592 ZPO („wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können.“). Voraussetzung ist, dass mindestens eine Urkunde vorgelegt werden. Wendet sich der Gegner dagegen, muss der Kläger für alle bestrittenen und anspruchsbegründenden Tatsachen vorlegen. Zudem müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen mit Urkunden beweisbar sein.

c) Erklärung gemäß § 593 I ZPO

Ferner muss gemäß § 593 ZPO die Erklärung erfolgt sein, dass im Urkundenprozess geklagt wird.

II. Begründetheit

An die Zulässigkeit schließt sich die Begründetheit der Klage an. Da die Schlüssigkeit bereits in  der Zulässigkeit geprüft wurde, muss dies in der Begründetheit nicht noch einmal wiederholt werden. Vielmehr kann an dieser Stelle nach oben verwiesen werden. Allerdings kann das Verhalten des Beklagten in der Begründetheit einen Unterschied machen. Dem Beklagten stehen insofern verschiedene Optionen offen. Zum einen steht es ihm offen, sich gar nicht zu verteidigen. Dann ergeht gegen ihn ein Versäumnisurteil. Zum anderen hat der Beklagte jedoch auch die Möglichkeit,  einen Widerspruch einzulegen, vgl. § 599 I ZPO. Dies ist das Minimum einer Verteidigung, mit der verhindert werden kann, dass ein Versäumnisurteil ergeht. Üblicherweise wird bei einem einfachen Widerspruch des Beklagten ein Vorbehaltsurteil ergehen. Dann bleibt es dem Beklagten unbenommen, sich im Nachverfahren zu verteidigen. Das macht in einer Konstellation wie der des obigen Beispielsfalls Sinn. Denn in dieser Konstellation konnte B den Prozess im Vorverfahren nicht gewinnen, da A ihm keine Quittung über die Zahlung ausgestellt hatte. Zuletzt kann sich der Beklagte auch allgemein verteidigen, also beispielsweise seinerseits eine Urkunde zum Beweis strittiger Tatsachen vorlegen. Im Vorverfahren ist eine Widerklage nicht statthaft und steht dem Beklagten mithin nicht als Verteidigungsmittel zur Verfügung. Ist eine Beweisprüfung im Vorverfahren erforderlich, muss der Kläger den Beweis durch Urkunden führen. Muss der Beklagte etwas beweisen, kann er dies durch Urkunden oder – jedoch nur sehr eingeschränkt – durch Parteivernehmung tun, vgl. § 595 II ZPO. Zusammenfassung: Das Gutachten im Vorverfahren des Urkundenprozesses wird nach den allgemeinen Regeln aufgebaut. Allerdings findet eine Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden statt. Zudem wird die Schlüssigkeitsprüfung bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung durchgeführt, sodass die Begründetheitsprüfung etwas knapper ausfällt.

 

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