Untätigkeitsklage, § 75 VwGO
Aufbau der Prüfung - Untätigkeitsklage, § 75 VwGO
Die Untätigkeitsklage ist in § 75 VwGO geregelt. Die Untätigkeitsklage stellt keine Klageart dar, sondern eine Ausnahmevorschrift zu dem grundsätzlichen Erfordernis eines erfolglos durchgeführten Vorverfahrens. Beispiel: A wird Adressat einer Abrissverfügung. Er legt gegen diese Verfügung rechtzeitig Widerspruch ein, doch die Behörde entscheidet schlicht nicht über den Widerspruch. Es vergeht ein Jahr, ohne dass eine Entscheidung ergeht. Nun überlegt A, ob er auch ohne den sonst erforderlichen Widerspruchsbescheid Klage erheben kann. Die Antwort auf diese Frage gibt § 75 VwGO. Danach hat die Untätigkeitsklage drei Voraussetzungen: Keine Sachentscheidung, ohne zureichenden Grund, in angemessener Zeit.
I. Keine Sachentscheidung
Zunächst setzt die Untätigkeitsklage daher voraus, dass keine Sachentscheidung ergangen ist. § 75 VwGO nennt zwei Konstellationen der nicht ergangenen Sachentscheidung: Entweder ergeht keine Sachentscheidung über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes oder es wird nicht über einen Widerspruch entschieden. Konstellation 1: A beantragt eine Baugenehmigung bei der zuständigen Behörde. Diese entscheidet über den Antrag nicht, bleibt also auf den Antrag hin untätig. Es vergeht ein Jahr, ohne dass die Behörde über den Antrag entscheidet. Liegen auch die weiteren Voraussetzungen der Untätigkeitsklage vor, so kann A auch ohne Vorverfahren Klage erheben. Konstellation 2: A wird Adressat einer Abrissverfügung und legt hiergegen Widerspruch ein, über den die Behörde jedoch nicht entscheidet. Wiederum vergeht ein Jahr. Auch in diesem Fall ist es A möglich, ohne Widerspruchsbescheid Klage zu erheben, wenn die weiteren Voraussetzungen der Untätigkeitsklage gegeben sind. Aus diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass die Untätigkeitsklage sowohl im Rahmen der Anfechtungsklage, als auch im Rahmen der Verpflichtungsklage Anwendung finden kann. Achtung: Keine Sachentscheidung ist die bloße Sachstandsmitteilung. Dies ist dann der Fall, wenn die Behörde dem Antragsteller bzw. Widerspruchsführer mitteilt, wie der Sachstand zur Zeit ist, ohne jedoch in der Sache über den Antrag bzw. Widerspruch zu entscheiden. Beispiel: A beantragt eine Baugenehmigung. Nachdem die Behörde auch nach einem Jahr noch nicht entschieden hat, fragt A vorsichtig nach dem Stand der Dinge. Die Behörde antwortet, dass sie immer noch dabei ist, Unterlagen zu beschaffen. Diese Mitteilung ist keine Entscheidung über den Antrag des A, sondern eine Auskunft über den Stand der Dinge. Es bleibt dem A daher unbenommen, Untätigkeitsklage zu erheben.
II. Ohne zureichenden Grund
Ferner ist für die Untätigkeitsklage Voraussetzung, dass die Sachentscheidung ohne zureichenden Grund unterblieben ist. Hierbei stellt sich die Frage, was sogenannte zureichende Gründe sind. Einen solchen Grund kann der besondere Umfang der Sache darstellen. Beispiel: In einer baurechtlichen Angelegenheit werden umfangreiche Unterlagen mit hunderten von Seiten eingereicht. In diesem Fall muss der Behörde eine angemessene Zeit gewährt werden, diese Unterlagen zu lesen. Gleiches gilt, wenn gerade eine Gesetzesänderung stattgefunden hat und daher besonders viele Verfahren bei der Behörde eingehen und sich diese erst einmal in die neue Rechtslage einarbeiten muss. Dann ist es angezeigt, dass die Behörde etwas länger zur Bearbeitung der Verfahren benötigt.
III. In angemessener Zeit
Zuletzt muss die Behörde in angemessener Zeit nicht tätig geworden sein. Dies ist in § 75 S. 2 VwGO geregelt. Danach darf sich die Behörde grundsätzlich drei Monate Zeit lassen, über die Sache zu entscheiden. Will im obigen Fall der A nach bereits drei Tagen Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung erheben, so ist dies nach § 75 S. 2 VwGO ausgeschlossen. Allerdings existiert hierzu eine Ausnahme. In besonderen Umständen kann es legitim sein, bereits vor Ablauf der drei Monate Klage zu erheben. Dies ist im Falle besonderer Dringlichkeit gegeben. Beispiel: A legt Widerspruch gegen eine Prüfungsentscheidung ein. Es droht der Beginn des nächsten Durchgangs ohne die Mitwirkung des A. Hier kann A für den Fall, dass die Behörde nicht in kurzer Zeit entscheidet, auch vor Ablauf der drei Monate Untätigkeitsklage erheben. Beachte: Es reicht aus, wenn die Dreimonatsfrist während des gerichtlichen Verfahrens verstreicht. Beispiel: A beantragt eine Baugenehmigung. Die Behörde lehnt die Erteilung der Baugenehmigung ab, woraufhin A rechtzeitig Widerspruch einlegt. Nach zwei Monaten erhebt A Verpflichtungsklage. Für den Erfolg der Untätigkeitsklage reicht es aus, wenn es die Behörde nicht innerhalb eines Monats nach Klageerhebung schafft, den Widerspruchsbescheid zu erlassen. Allerdings riskiert A, dass die Behörde schnell arbeitet, um noch vor Ablauf der Dreimonatsfrist eine Sachentscheidung zu treffen, um damit die Klage wie ein Kartenhaus zusammenfallen zu lassen.