Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz

Überblick - Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz

Die Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist Teil des Aufbaus eines Beschlusses, da im einstweiligen Rechtsschutz immer durch Beschluss entschieden wird. In diesem Exkurs werden die wichtigsten Tenorierungen im einstweiligen Rechtsschutz vorgenommen, vgl. §§ 80 V, 80a, 123 VwGO.

I. Erfolglos

Zunächst wird die Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz bei erfolglosem Antrag dargestellt. Wenn der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz keinen Erfolg hat, dann gilt in allen Fällen folgende Tenorierung: „Der Antrag wird abgelehnt.“ Diese Tenorierung ist bei Erfolglosigkeit somit antragsunabhängig stets gleich zu formulieren.

II. Erfolgreich nach § 80 V 1 1. Fall VwGO

Sodann folgt die Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz bei erfolgreichen Anträgen. Liegt ein erfolgreicher Antrag nach § 80 V 1 1. Fall VwGO, also die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor, lautet der Hauptsachetenor wie folgt: „Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom (Datum einfügen) gegen den Bescheid vom (Datum einfügen) wird angeordnet.“ Dies greift mithin die gesetzliche Formulierung des § 80 V 1 1. Fall VwGO auf. Beispiel: Die Polizei stellt einen Koffer bei A sicher. A legt dagegen Widerspruch ein bzw. erhebt Anfechtungsklage. Widerspruch und Anfechtungsklage haben in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung, da es sich bei der Sicherstellung um eine unaufschiebbare Anordnung von Polizeivollzugsbeamten handelt. Dies folgt aus § 80 II 1 Nr. 2 VwGO. Die aufschiebende Wirkung entfällt hierbei somit kraft Gesetzes. Da Widerspruch bzw. Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,wird sich A darum bemühen, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung nach § 80 V 1 1. Fall VwGO anordnet. Mit einem Antrag nach § 80 V 1 1. Fall VwGO bezweckt A somit, dass das Gericht erstmal die aufschiebende Wirkung von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage anordnet, da diese kraft Gesetzes gemäß § 80 II 1 Nr. 2 VwGO entfallen ist.

III. Erfolgreich nach § 80 V 1 2. Fall VwGO

Die Tenorierung bei einem erfolgreichen Antrag gemäß § 80 V 1 2. Fall VwGO lautet: „Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom (Datum einfügen) gegen den Bescheid vom (Datum einfügen) wird wiederhergestellt.“ Beispiel: A wird Adressat einer Abrissverfügung. Hiergegen legt A Widerspruch ein bzw. erhebt Anfechtungsklage. Diese Rechtsbehelfe haben als Ausgangspunkt gemäß § 80 I 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Das heißt, die Abrissverfügung darf nicht vollstreckt werden. Auch die Fälle des § 80 II 1 Nr. 1-3 VwGO greifen nicht. Allerdings ordnet die Behörde sodann die sofortige Vollziehung der Abrissverfügung an, sodass die aufschiebende Wirkung nachträglich gemäß § 80 II 1 Nr. 4 VwGO entfällt. Ursprünglich kamen den Rechtsbehelfen aufschiebende Wirkung zu. Daher kann der Urzustand der ursprünglichen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs mit dem Antrag nach § 80 V 1 2. Fall VwGO durch das Gericht wiederhergestellt werden.

IV. Erfolgreich nach § 80 V VwGO analog

Ferner erfolgt eine Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz auch bei einem Antrags nach § 80 V VwGO analog, in den Fällen des sogenannten faktischen Vollzugs. Ein faktischer Vollzug liegt immer dann vor, wenn der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, die Behörde sich jedoch aus Dummheit oder Bosheit über diese hinwegsetzt. Beispiel: A wird Adressat einer Abrissverfügung. Hiergegen erhebt A Widerspruch bzw. legt Anfechtungsklage ein. Den Rechtsbehelfen kommt gemäß § 80 I 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu. Zudem liegt kein Fall des § 80 II VwGO vor. Dennoch erscheinen die Bulldozer am Horizont, da die Behörde auf die aufschiebende Wirkung pfeift und faktisch vollstreckt. In diesen Fällen muss ein Rechtsschutz erst Recht möglich sein, sodass ein Antrag nach § 80 V VwGO analog auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden kann. Liegt ein erfolgreicher Antrag nach § 80 V VwGO analog vor, wird wie folgt tenoriert: „Es wird festgestellt, dass der Widerspruch vom (Datum einfügen) gegen den Bescheid vom (Datum einfügen) aufschiebende Wirkung hat.“ Schließlich kann das Gericht nicht anordnen oder wiederherstellen, was längst besteht.

V. Lediglich fehlerhafte Begründung nach § 80 III VwGO

Eine besondere Konstellation der Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz ist der Fall der lediglich fehlerhaften Begründung, vgl. § 80 III VwGO. Beispiel: A wird Adressat einer Abrissverfügung und legt hiergegen einen Rechtsbehelf ein. Die Behörde ordnet daraufhin die sofortige Vollziehung der Verfügung an mit der Begründung „Nachts sind alle Katzen grau.“ Diese Begründung ist in keinem Fall ausreichend. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Haus des A tatsächlich schief stand und in der Sache angezeigt war, die sofortige Vollziehung anzuordnen, um zu verhindern, dass Menschenleben gefährdet werden. Stellt A sodann den Antrag nach § 80 V 1 2. Fall VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, wird sich in der Begründetheit ergeben, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich formell rechtswidrig war, in der Sache jedoch materiell rechtmäßig.

1. Hauptsache

Der Hauptsachetenor wird in diesen Fällen überwiegend wie folgt tenoriert: „Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom (Datum einfügen) wird aufgehoben.“ Dies stellt bereits einen Wink mit dem Zaunpfahl dar, denn die Behörde kann bereits an diesem Tenor erkennen, dass die Anordnung der sofortige Vollziehung in der Sache in Ordnung war; sie war lediglich nicht gut begründet. Der Antragsteller gewinnt zwar insoweit, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung, die formell nicht in Ordnung war, aufgehoben wird. Dies ist jedoch im Grunde genommen ein Sieg zweiter Klasse. Vertretbar ist auch, dass genauso tenoriert wird, wie in den Fällend es § 80 V 1 2. Fall VwGO („Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom (Datum einfügen) gegen den Bescheid vom (Datum einfügen) wird wiederhergestellt.“). Vorzugswürdig ist jedoch die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Klarstellung im Hauptsachetenor. Vertretbar ist im Übrigen auch folgende Variante: „Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom (Datum einfügen) wird aufgehoben. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.“ Meint der Antragsteller, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Sache rechtswidrig gewesen sei, erhält jedoch nur einen Beschluss, der diese Anordnung nur wegen formeller Fehler aufhebt, ist es vertretbar, ein teilweise Unterliegen anzunehmen. Tendenziell ist jedoch festzustellen, dass es die Behörde versäumt hat, eine ordnungsgemäße Begründung für die Anordnung zu liefern, wodurch sie den Antragsteller zu einem prozessrechtlichen Blindflug veranlasst. Der Antragsteller wusste nicht, warum die Behörde so gehandelt hat, und konnte dies somit nur gerichtlich klären lassen. Nun bekommt er erst vor Gericht  die Gründe dargelegt und erfährt, dass die Anordnung in der Sache gerechtfertigt war und er teilweise unterliegt, weil die Behörde nicht von Anfang an die Karten offen auf den Tisch gelegt hat. Deshalb wird verbreitet der Zusatz „Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.“ weggelassen.

2. Kosten

In jedem Fall stellt sich jedoch die Frage der Kosten. Nimmt man ein volles Obsiegen des Antragstellers an, wird im einstweiligen Rechtsschutz wie folgt tenoriert: „Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.“ Das Argument folgt aus § 154 I VwGO. Auch wenn der Bearbeiter nur ein teilweises Obsiegen annimmt („Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.“), ist es vertretbar, dem Antragsgegner die vollen Kosten aufzuerlegen. Für das vollumfängliche Tragen der Kosten spricht das Argument des § 155 IV VwGO, da der Antragsgegner das Unterliegen verschuldet hat bzw. dies ein geringfügiges Unterliegen ist. Vertretbar ist allerdings auch, im Falle des Ablehnens des Antrags im Übrigen, dem Antragsteller einen Teil der Kosten aufzuerlegen. Alle diese Varianten sind im Examen vertretbar.

VI. Erfolgreich nach § 123 I VwGO

Ferner ist bei der Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz der erfolgreiche Antrag nach § 123 VwGO zu berücksichtigen, die sogenannte einstweilige Anordnung. Beispiel: Ein Beamter äußert sich ehrverletzend über A, der schnellstmöglich den Widerruf dieser Äußerung erreichen will. Dies wäre in der Hauptsache die allgemeine Leistungsklage und als Pendant im einstweiligen Rechtsschutz die einstweilige Anordnung nach § 123 I VwGO. Bei erfolgreichem Antrag nach § 123 I VwGO lautet der Tenor: „Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, (hier ist das Verhalten genau bezeichnen, beispielsweise 'die Äußerung … zu widerrufen').“ Geht es um ein Unterlassen und will der Betroffene beispielsweise erwirken, dass der Beamte es unterlässt, vergleichbare Äußerungen in der Zukunft zu tätigen, wird wie folgt formuliert: „Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, […].“

VII. Erfolgreich nach § 80a VwGO

Zuletzt sind im Rahmen der Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz die Fälle des § 80a VwGO zu beachten. Diese betreffen Verwaltungsakte mit Doppelwirkung, in welchen der Adressat begünstigt und ein Dritter belastet wird oder umgekehrt. Beispiel: A erhält eine Baugenehmigung. Sein Nachbar N klagt gegen die dem A erteilte Baugenehmigung. Nun stellt sich die Frage, ob dennoch weitergebaut werden darf. Dies ist ein Sonderfall des § 80 V VwGO, der genauso geprüft wird. Tenoriert wird in diesen Fällen im einstweiligen Rechtsschutz wie es im Gesetz steht. Verbreitet ist aber auch, insbesondere bei § 80a I Nr. 2, III VwGO, wie im Falle des § 80 V 1 1. Fall VwGO zu tenorieren, also die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Grundsätzlich gilt für die Tenorierung im einstweiligen Rechtsschutz, dass hinsichtlich der Kosten immer die §§ 154 ff. VwGO gelten und dass ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit unterbleibt.

 

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