Tenor

13) Tenor zur Hauptsache

Das Gesetz bezeichnet den Tenor als die Urteilsformel (§ 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

Der Tenor besteht aus dem Ausspruch zur Hauptsache und zu den Nebenentscheidungen (Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit). Ob du diese drei Teile nummerierst, ist Geschmackssache. Übersichtlicher dürfte jedoch eine Nummerierung sein. Hierauf kannst du im weiteren Verlauf auch leichter Bezug nehmen.

Kern der Entscheidung ist der Tenor zur Hauptsache. Hier teilst du mit, zu welchem Ergebnis deine Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung geführt hat.

Die Formulierung hängt von verschiedenen Faktoren ab.

- Erfolglose Klage

In einem Punkt gibt es allerdings keine Unterschiede: Ist die Klage unzulässig oder unbegründet, wird sie abgewiesen, egal, ob es sich um eine Leistungs- oder Feststellungsklage handelt.

Du formulierst im Präsens: „Die Klage wird abgewiesen.“ Schreib nicht, zurückgewiesen. Diese Formulierung wird nur für Rechtsmittel und Anträge verwendet. Der Abweisungsgrund taucht im Tenor nicht auf. Das gilt auch bei Unzulässigkeit der Klage.

Eine Ausnahme gibt es allerdings bei der Zahlungsklage: Scheitert die Klage daran, dass der geltend gemachte Zahlungsanspruch noch nicht fällig ist, wird die Klage nur als zurzeit (oder derzeit) unbegründet abgewiesen:

„Die Klage wird als zurzeit unbegründet abgewiesen.“

Bsp.: Der Kläger nimmt den Beklagten auf Werklohnzahlung in Anspruch.

Stellt sich bspw. heraus, dass der Beklagte den Anspruch bereits erfüllt hat, wird die Klage abgewiesen. Dieses Urteil erwächst in materielle Rechtskraft. Der Kläger kann also nicht erneut klagen.

Scheitert die Klage dagegen nur daran, dass der Anspruch mangels Abnahme noch nicht fällig ist (§ 641 ZPO), wird die Klage als zurzeit unbegründet abgewiesen. Auch dieser Tenor erwächst in materielle Rechtskraft, allerdings nur insoweit, als der Kläger zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen durchsetzbaren Anspruch hatte. Sobald die Fälligkeit eingetreten ist, kann er deshalb erneut auf Zahlung klagen.

- Erfolgreiche Klage

Ist die Klage zulässig und begründet, hängt die Tenorierung von der Klageart und dem Antrag ab.

  • Leistungsklage

Auf eine erfolgreiche Leistungsklage wird der Beklagte verurteilt. Falsch wäre es, wenn du „verpflichtet“ schreiben würdest, denn dann hätte der Kläger nur einen Anspruch gegen den Beklagten, auf dessen Erfüllung er ggf. erneut klagen müsste. Tatsächlich erhält er aber einen Titel.

Aus dem Tenor muss sich ergeben, „Wer“ von „Wem“ „Was“ erhält: Wer ist Gläubiger? Wer ist Schuldner? Was ist der Gegenstand der Verurteilung? Nur das „Woraus“ taucht im Tenor nicht auf. Es wäre also falsch, bspw. „Schadensersatz“ oder „Schmerzensgeld“ zu schreiben.

Der Gegenstand der Verurteilung muss vollstreckungsfähig sein, d.h. so konkret bezeichnet werden, dass das Vollstreckungsorgan ohne weitere Informationen vollstrecken kann. In der Klausur wird der Kläger seinen Antrag meistens so formulieren, wie auch ein Tenor zu formulieren wäre. Das darfst du dann einfach so übernehmen.

  • Feststellungsklage

Auf eine erfolgreiche Feststellungsklage wird lediglich etwas festgestellt. Hieraus kann nicht vollstreckt werden. Allerdings muss der Gegenstand der Feststellung – das Rechtsverhältnis – klar abgrenzbar sein, damit später festgestellt werden kann, in welchem Umfang Rechtskraft eingetreten ist.

  • Bindung an den Antrag

Achte darauf, dass du dem Kläger nicht mehr zusprichst, als er zuletzt beantragt hat (§ 308 Abs. 1 ZPO).

Das kann vor allem bei Zinsen schnell passieren. Beantragt der Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, obwohl beide Parteien Unternehmer sind und der Kläger also neun Prozentpunkte verlangen könnte (§ 288 Abs. 2 BGB), darfst du ihm trotzdem nur die fünf Prozentpunkte zusprechen.

- Teilweise erfolgreiche Klage

Ist die Klage nur teilweise erfolgreich, hat also der Kläger weniger bekommen als beantragt, setzt du den Tenor einfach aus beiden Varianten zusammen:

„Der Beklagte wird verurteilt/Es wird festgestellt, dass… Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

Die Klageabweisung im Übrigen wird häufig vergessen. Auch hier musst du dich also besonders konzentrieren. Selbst wenn die Klage nur zu einem geringen Teil – bspw. hinsichtlich der Zinshöhe oder des Zinsbeginns - unbegründet ist, musst du sie im Übrigen abweisen.

Tipp: Leg am Ende der Klausur deinen Tenor neben den zuletzt gestellten Antrag des Klägers. Gibst du ihm weniger, musst du die Klage im Übrigen abweisen. Gibst du ihm mehr – siehe oben!

- Varianten der erfolgreichen Leistungsklage

Die konkrete Tenorierung einer erfolgreichen Leistungsklage hängt davon ab, was du dem Kläger zusprichst.

  • Zahlungsklage

Die häufigste Klage ist die Zahlungsklage. Hier begehrt der Kläger in der Regel die Zahlung aus einer Hauptforderung und Zinsen.

Auch der Zinsausspruch muss vollstreckungsfähig sein. Wichtig ist vor allem der Zinsbeginn: Beantragt der Kläger Prozesszinsen nach § 291 BGB, ist Zinsbeginn der Eintritt der Rechtshängigkeit, also die Zustellung der Klage. Diesen Zeitpunkt kennt der Kläger bei Einreichung der Klage natürlich noch nicht, so dass er Zinsen ab Rechtshängigkeit beantragen darf. Im Urteil musst du diesen Zeitpunkt aber mitteilen. Beachte dabei: Nach der Rechtsprechung des BGH beginnt der Zinslauf analog § 187 Abs. 1 BGB erst einen Tag nach der Zustellung (BGH XI ZR 562/15 Rn. 103).

„Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2021 zu zahlen.“

  • Herausgabeklage

Bei einer erfolgreichen Herausgabeklage musst du den Gegenstand, den der Beklagte an den Kläger herausgeben soll, so konkret beschreiben, dass ihn der Gerichtsvollzieher zweifelsfrei von anderen Gegenständen des Beklagten unterscheiden kann.

Bei Fahrzeugen hilft hier vor allem die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN).

„Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den PKW VW Golf VII, Fahrzeugidentifizierungsnummer (…) herauszugeben.“

  • Unterlassungsklage

Verurteilst du den Beklagten zu einer Unterlassung, musst du genau eingrenzen, was er nicht tun darf. Andernfalls verlagerst du den Streit in das Vollstreckungsverfahren, wenn es dort darum geht, ob der Beklagte gegen das Gebot verstoßen hat.

„Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger in seinem Internetblog unter der Adresse www.ware-wahrheit.de als Klimawandelleugner zu bezeichnen.“

  • Duldungsklage

Dasselbe gilt für die Verurteilung zu einer Duldung; bspw. der Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 1147 BGB

„Der Beklagte wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück (…), eingetragen im Grundbuch von (…), Abt. (…), zu dulden.“

  • Auskunftsklage

Bei der Auskunftsklage muss feststehen, mit welchen Auskünften der Beklagte seine tenorierte Pflicht zu erfüllen hat.

„Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Bestand der Erbmasse nach dem Erblasser (…) am (…) zu erteilen.“

  • Willenserklärung

Auch die Willenserklärung, zu deren Abgabe du den Beklagten verurteilst, muss sich eindeutig aus deinem Tenor ergeben.

„Der Beklagte wird verurteilt, in die Eintragung des Klägers als Eigentümer des Grundstücks (…), eingetragen im Grundbuch von (…), Abt. (…), einzuwilligen.“