Tenor Vollstreckung
16) Tenor zur vorläufigen Vollstreckbarkeit - Klausurbearbeitung
Wie wendest du nun die Regelungen in §§ 708 ff. ZPO richtig an?
Ausgangsfrage sollte für dich immer sein: Wer kann aus dem Urteil vollstrecken?
Anschließend prüfst du für jede dieser Parteien: Wonach vollstreckt die jeweilige Partei?
Am Ende fügst du deine Ergebnisse zu einem einheitlichen Tenor zusammen.
- Wer kann aus dem Urteil vollstrecken?
Du musst die vorläufige Vollstreckbarkeit für jede Partei, die aus dem Urteil vollstrecken kann, gesondert anordnen. Deshalb solltest du dir in jeder Klausur kurz vor Augen führen, wer vollstrecken kann. Das ergibt sich aus deinem Tenor zur Hauptsache und aus dem Kostentenor.
Der erfolgreiche Kläger kann die Hauptsache vollstrecken und seine Kosten. Etwas anderes gilt nur bei einem Feststellungstitel, denn hier gibt es keine vollstreckbare Hauptsache.
Der erfolgreiche Beklagte vollstreckt seine Kosten. Hat er mit einer Widerklage Erfolg, gibt es für ihn ausnahmsweise auch eine vollstreckungsfähige Hauptsache.
- Wonach vollstreckt die jeweilige Partei?
Die Frage, wonach die Parteien vollstrecken, beantwortet sich aus §§ 708 ff. ZPO. Hier kommt es besonders auf § 708 Nr. 11 ZPO an: Kann in der Hauptsache vollstreckt werden, ist § 708 ZPO anwendbar, wenn die Vollstreckung in Höhe von maximal 1.250,00 Euro möglich ist, ansonsten gilt § 709 Satz 1 ZPO. Sind nur Kosten vollstreckbar, greift § 709 ZPO dagegen erst dann ein, wenn die vollstreckbaren Kosten 1.500,00 Euro übersteigen.
Beachte: Es kommt immer nur darauf an, in welcher Höhe die Partei aus dem Urteil vollstrecken kann.
- Anwendung von § 709 ZPO
§ 709 ZPO hat keine weiteren Voraussetzungen. Allerdings musst du die Höhe der Sicherheitsleistung bestimmen. Für Geldforderungen – und um die geht es meistens in der Klausur – genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung im Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags angegeben wird. Hier nimmt die Rechtsprechung in der Regel 110 Prozent.
Die Tenorierung lautet:
„Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.“
Das ist eine Standardformulierung. Lerne sie, damit du in der Klausur nicht unnötig nachdenken musst.
- Anwendung von § 708 Nr. 11 ZPO
Wie du weißt, kann der Schuldner grundsätzlich die Vollstreckung nach § 708 Nr. 11 ZPO gemäß § 711 ZPO durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet.
- Höhe der Sicherheitsleistung
Für die Höhe der Sicherheitsleistung verweist Satz 2 auf § 709 Satz 2 ZPO, unterscheidet dabei aber zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger.
Der Schuldner muss Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags leisten, während der Gläubiger weiterhin nur 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten muss.
Ein Beispiel soll den Unterschied verdeutlichen:
Der Beklagte wird zur Zahlung von 1.000,00 Euro verurteilt. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich also aus § 708 Nr. 11 Alt. 1 ZPO, der Beklagte erhält die Abwendungsbefugnis.
Nun möchte der Kläger 500,00 Euro vollstrecken lassen.
Der Beklagte kann das abwenden, wenn er Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags leistet, also 1.100,00 Euro. Der Kläger kann das verhindern, in dem er vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet, also 550,00 Euro.
Die Abwendungsbefugnis greift nicht, wenn keine Partei Berufung einlegen kann (§ 713 ZPO).
- Die Tenorierung lautet:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Gläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.“
Auch das ist eine Standardformulierung, die du in der Klausur genauso wiedergeben musst.
- Ermittlung der Kosten nach § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO
Kann die Partei aus dem Urteil nur Kosten vollstrecken, musst du wissen, wann die Wertgrenze von 1.500,00 Euro in § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO überschritten ist.
In vielen Fällen wirst du dir mit folgenden Faustformeln behelfen können:
Obsiegt der Kläger mit seiner Feststellungsklage voll, kann er die verauslagten Gerichtskosten und seine Anwaltskosten vollstrecken; die Grenze zu den 1.500 Euro wird dabei ab einem Streitwert von 4.000 Euro überschritten.
Obsiegt der Beklagte voll, kann er regelmäßig eigene Anwaltskosten vollstrecken; die Grenze zu den 1.500 Euro wird überschritten, wenn der Streitwert 7.000 Euro übersteigt.
Wie kommt man auf diese Regeln und warum wird überhaupt unterscheiden?
Für die Anwendung des § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO kommt es darauf an,
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was die Partei
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an eigenen Kosten
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vom Gegner
erstattet verlangen kann.
Und hier gibt es regelmäßig einen Unterschied zwischen den vollstreckbaren Kosten des Klägers und des Beklagten. Beide können die Kosten ihrer Anwälte verlangen und die Auslagen für Zeugen oder Sachverständige, die sie vorgeschossen haben. Im Unterschied zum Beklagten hat der Kläger gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG vor der Zustellung der Klage die „Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen“ an das Gericht gezahlt. Das gilt nur dann nicht, wenn ihm Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Diese Gebühren bekommt er auch nach Obsiegen grundsätzlich nicht vom Gericht zurück, sondern muss sie beim Beklagten vollstrecken.
Kann der Kläger nur Kosten vollstrecken, musst du also den Gerichtskostenvorschuss und die Anwaltskosten berechnen. Kann der Beklagte Kosten vollstrecken, kommt es nur auf die Anwaltskosten an.
Wie geht man dabei vor?
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Die Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen aus § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG ergibt sich aus Nr. 1210 des Kostenverzeichnisses in der Anlage 1 zum GKG. Danach beträgt die Verfahrensgebühr 3,0 Gebühren. Die Höhe einer Gebühr kannst du als der Anlage 2 ablesen. In der dortigen Tabelle findest du in der linken Spalte den Streitwert und in der rechten die entsprechende Gebühr.
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Die Anwaltskosten ergeben sich aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Das gilt auch dann, wenn du in der Klausur-Akte Anhaltspunkte dafür findest, dass die Partei mit ihrem Anwalt eine Honorarvereinbarung getroffen hat. Aus § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG ergibt sich, dass die Partei vom Gegner trotzdem nur die gesetzliche Gebühr (nach dem RVG) verlangen kann.
Das RVG folgt derselben Systematik wie das GKG. Im Vergütungsverzeichnis (Anlage 1) findest du die Gebührentatbestände. Nach Nr. 310 erhält der Anwalt für das Betreiben des Gerichtsverfahrens eine 1,3-Verfahrensgebühr. Außerdem fällt in aller Regel die 1,2-Terminsgebühr aus Nr. 3104 an. Die Höhe einer Gebühr ergibt sich aus der Tabelle in Anlage 2. Hinzu kommt eine Auslagenpauschale von 20,00 Euro (Nr. 7002) und – deutlich wichtiger – die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent.
Beachte: Damit hast du die gesamten Kosten der Parteien berechnet. Maßgeblich ist aber allein, in welchem Umfang diese Kosten erstattet werden müssen. Das ergibt sich aus deinem Kostentenor.
Mit diesem Wissen könntest du die Ergebnisse der Faustregeln selbst herausfinden:
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Bei einem Streitwert von 4.000,00 Euro vollstreckt der vollständig obsiegende Kläger Gerichtskosten in Höhe von 420,00 Euro und Anwaltskosten in Höhe von 850,25 Euro, insgesamt also 1.270,85. Klagte er dagegen 4.000,01 Euro ein, erhöhen sich die Gerichtsgebühren auf 483,00 Euro und die Anwaltskosten auf 1.017,45 Euro. Das ergibt in der Summe 1.500,45 Euro.
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Da der Beklagte keine Gerichtskosten vollstrecken kann, kommt es nur auf seine Anwaltskosten an. Bei einem Streitwert von 7.000,00 Euro betragen diese 1.350,65 Euro, darüber 1.517,25 Euro.