Täterschaft und Teilnahme – Grundlagen

Täterschaft und Teilnahme – Grundlagen

Das Gesetz widmet sich in den §§ 25 – 31 StGB der „Täterschaft und Teilnahme“.

Überblick über die Grundformen der Beteiligung

Das deutsche Strafrecht geht bei Vorsatzdelikten von einem dualistischen Beteiligungssystem aus.1 Dieses System differenziert auf der Tatbestandsebene zwischen Täterschaft und Teilnahme. Den Oberbegriff bilden die „Beteiligten“, zu denen Täter und Teilnehmer zählen (§ 28 II StGB). Täterschaft meint die eigene Verwirklichung des Tatbestandes, sei es durch eigenhändige Tatbegehung (§ 25 I Alt. 1 StGB: „selbst“),2 als mittelbarer Täter (§ 25 I Alt. 2 StGB: „durch einen anderen“) oder als Mittäter zusammen mit anderen Tätern (§ 25 II StGB: „gemeinschaftlich“).3 Teilnahme ist hingegen die Beteiligung an der Begehung einer Straftat eines anderen (des Haupttäters). Teilnehmer sind der Anstifter und der Gehilfe (§ 28 I StGB). Die Anstiftung (§ 26 StGB) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anstifter im Täter den Entschluss zur Begehung einer Straftat hervorruft. Für die Beihilfe (§ 27 StGB) ist demgegenüber charakteristisch, dass der Gehilfe die Durchführung der Haupttat durch einen untergeordneten Tatbeitrag fördert. Bei beiden Beteiligungsformen muss der Beitrag des Teilnehmers (Anstifters oder Gehilfen) „zu dessen (scil.: des Haupttäters) vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat“ geleistet werden. Man spricht von der limitierten Akzessorietät der Teilnahme; die Abhängigkeit der Strafbarkeit des Teilnehmers von der Haupttat wird nämlich über die §§ 28 II, 29 StGB gelockert.

Im Gegensatz zu diesem dualistischen Beteiligungssystem steht das Einheitstätersystem. Nach dem Einheitstäterbegriff ist jeder Täter, der zur Tatbestandsverwirklichung ursächlich beigetragen hat, sei es auch nur durch Veranlassung oder Förderung der Tat. Es werden also alle Beteiligten (auch Anstifter und Gehilfen) als Täter behandelt. In Deutschland4 liegt der Einheitstäterbegriff dem Ordnungswidrigkeitenrecht zugrunde (§ 14 I 1 OWiG). Auch bei den Fahrlässigkeitsdelikten wird nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme unterschieden. In diesem System spielt das Gewicht der Beteiligung nur und erst bei der Strafzumessung eine Rolle.

Wesen und Strafgrund der Teilnahme

Die Teilnahme (§§ 26, 27 StGB) ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur über die Tat eines anderen (die Haupttat) an den Tatbestand des jeweiligen Delikts gebunden ist.5 Teilnehmer sind eher „Randfiguren“ des Tatgeschehens, die nur untergeordnete Beiträge zur Tat beisteuern. Während der Anstifter die Tatbegehung durch einen anderen veranlasst, fördert der Gehilfe die Haupttatbegehung auf unterstützende Weise.

Nach dem Wortlaut der §§ 26, 27 StGB ist nur die vorsätzliche Teilnahme an einer Vorsatztat strafbar.6 Eine fahrlässige Anstiftung oder Beihilfe zu einem Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsdelikt oder eine vorsätzliche Anstiftung oder Beihilfe zu einem Fahrlässigkeitsdelikt gibt es nicht.7

Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist nicht immer leicht.8 Insbesondere die Abgrenzung der Mittäterschaft von der Beihilfe bereitet teilweise erhebliche Schwierigkeiten. Bevor man sich aber den unterschiedlichen Abgrenzungstheorien widmet, muss man beachten, dass täterschaftliches Handeln stets voraussetzt, dass man objektiv überhaupt tauglicher Täter sein kann. Bei Sonderdelikten und eigenhändigen Delikten kann ein Außenstehender, der die besondere Täterqualität nicht aufweist, unabhängig vom Gewicht seines Tatbeitrags niemals (mittelbarer) Täter oder Mittäter, sondern stets nur Teilnehmer sein.

Beispiele: Täter der Bestechlichkeit (§ 332 StGB = echtes Sonderdelikt) kann nur ein Amtsträger (§ 11 I Nr. 2 StGB) sein, Täter der uneidlichen Falschaussage (§ 153 StGB = eigenhändiges Delikt) nur derjenige, der selbst die falsche Aussage macht.

Für Delikte, die von jedermann begangen werden können (Allgemeindelikte), werden zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme heute9 im Wesentlichen zwei Theorien vertreten:

  • In der Literatur herrschend ist die materiell-objektive Theorie, die auf die Tatherrschaft als Täterkriterium abstellt (Tatherrschaftslehre).10 Tatherrschaft ist das vom Vorsatz umfasste „In-den-Händen-Halten“ des Tatgeschehens. Tatherrschaft bedeutet, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann; Teilnehmer ist hingegen, wer ohne eigene Tatherrschaft als Randfigur des tatsächlichen Geschehens die Begehung der Tat veranlasst oder fördert. Das subjektive Tatherrschaftskriterium liegt in dem Willen zur Tatherrschaft.
  • Innerhalb der Tatherrschaftslehre ist umstritten, ob stets eine objektive Mitwirkung im Ausführungsstadium der Tat (zwischen Versuch und Vollendung) erforderlich ist, oder es ausreicht, dass ein im Vorbereitungsstadium geleisteter Tatbeitrag im Ausführungsstadium fortwirkt. Entscheidend ist diese Frage vor allem für die Erfassung des im Hintergrund agierenden Bandenchefs als Täter. Für die zweitgenannte Auffassung spricht, dass eine reale Mitwirkung bei der Tatausführung auch im Fall der mittelbaren Täterschaft (§ 25 I Alt. 2 StGB) entbehrlich ist.

  • Die Rechtsprechung grenzt im Ansatz nach subjektiven Kriterien, insbesondere nach der Willensrichtung der Beteiligten ab: Wer die Tat als eigene will (animus auctoris), ist Täter, wer die Tat als fremde will (animus socii), ist Teilnehmer. Allerdings werden Täter- bzw. Teilnehmerwillen auf objektiver Grundlage ermittelt: Wesentliche Anhaltspunkte sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft.11 Deshalb wird diese Auffassung auch als gemäßigte subjektive Theorie bezeichnet.
  • Die Ergebnisse beider Ansätze weichen nur selten voneinander ab. Die Rechtsprechung hat sich der Tatherrschaftslehre im Laufe der Zeit erheblich angenähert.


    1. Hier und zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 40 Rn. 1 – 8; Kühl, JA 2014, 668, 668 f.
    2. Diese Vorschrift erfasst neben der Alleintäterschaft, also dem Fall, dass eine Person als alleiniger Täter den Straftatbestand verwirklicht, auch den seltenen Fall der Nebentäterschaft, bei der zwei oder mehrere Täter, ohne Mittäter i.S.v. § 25 II StGB zu sein, für denselben Erfolgseintritt täterschaftlich haften. Jeder Nebentäter muss alle Tatbestandsmerkmale selbst erfüllen.
    3. Die §§ 25 I Alt. 2, 25 II StGB gestatten die Zurechnung des Verhaltens anderer Personen und führen dazu, dass der Fall so zu behandeln ist, als hätte der mittelbare Täter oder Mittäter selbst vollzogen.
    4. Dem österreichischen StGB liegt das Einheitstätersystem zugrunde. In § 12 heißt es dort: „Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt“.
    5. Hier und zum Folgenden: Kühl, JA 2014, 668, 669 f.
    6. Hier und zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 53 Rn. 1.
    7. In Betracht kommt jedoch eine eigenständige Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des „Teilnehmers“ als Nebentäter. Ob es daneben auch eine fahrlässige Mittäterschaft gibt, ist umstritten (siehe hierzu: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 53 Rn. 3 – 12).
    8. Zum Folgenden: Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 41 Rn. 1 – 20; Kühl, JA 2014, 668, 669.
    9. Zu den mittlerweile überholten Theorien siehe Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 41 Rn. 4 – 6.
    10. Rengier, Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 41 Rn. 10; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 9. Aufl. 2015.
    11. BGH, Beschl. v. 27.11.2018 – 5 StR 604/18, Rn. 4; BGH, Beschl. v. 28.11.2017 – 3 StR 266/17, Rn. 8; BGH, Beschl. v. 11.07.2017 – 2 StR 220/17, Rn. 6.