Stufenklage in der Anwaltsklausur

1) Stufenklage in der Anwaltsklausur

Die Mutter von K und B ist gestorben und hinterlässt ein Testament, in dem sie ihren Sohn B zum Alleinerben eingesetzt hat. Tochter K fragt, welche Rechte sie hat und wie sie diese gegen ihren Bruder durchsetzen kann.

I. Materielles Gutachten

Im materiellen Gutachten prüfst du, ob K gegen B Ansprüche im Zusammenhang mit dem Tod der Mutter hat.

  • Ansprüche als gesetzliche Erbin (§ 1924 Abs. 1 BGB) kommen nicht in Betracht, da B testamentarischer Alleinerbe ist (§ 1937 Abs. 1 BGB).

  • In einer solchen Konstellation hat der durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossene Abkömmling aber einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 BGB). Der gesetzliche Erbteil der K besteht in der Hälfte der Erbschaft, da sie neben ihrem Bruder B als Abkömmling der Erblasserin Erbin erster Ordnung ist (§ 1924 Abs. 1, 4 BGB). Sie kann deshalb von B Zahlung im Wert eines Viertels der Erbmasse als Pflichtteil verlangen.

  • Da K die Höhe der Erbmasse nicht kennt, kann sie ihren Anspruch nicht berechnen. Sie ist hierbei auf eine Auskunft ihres Bruders angewiesen. Der entsprechende Anspruch folgt aus § 2314 Abs. 1 BGB. Danach ist B verpflichtet, ein Erbverzeichnis aufzustellen (§ 260 BGB) und dessen Richtigkeit ggf. eidesstattlich zu versichern (§ 260 Abs. 2 BGB).

II. Zweckmäßigkeitserwägungen

1. Klageart

Da der Zahlungsantrag nicht beziffert werden könnte, wäre eine Zahlungsklage unzulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das spricht dafür, auf Auskunft zu klagen und anschließend eine bezifferte Zahlungsklage zu erheben. Damit ist jedoch die Gefahr verbunden, dass der Zahlungsanspruch im Laufe des Auskunftsprozesses einschließlich des Zwangsvollstreckungsverfahrens (§ 888 ZPO) verjährt. Die Verjährungsfrist folgt aus § 195 BGB. Sie beginnt mit der Kenntnis des Erbfalls und des Erben (§ 199 Abs. 1 BGB), denn der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB).

Beachte: Die 30-jährige Frist des § 199 Abs. 3a BGB ist keine Verjährungsfrist, sondern – wie Abs. 3 und 4 – lediglich eine Höchstfrist, nach deren Ablauf Ansprüche auch dann verjährt sind, wenn der Gläubiger keine Kenntnis hatte bzw. hätte haben müssen.

Allein die Erhebung der Auskunftsklage würde auch nicht zur Hemmung der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB führen, da diese Klage nur den Auskunftsanspruch erfasst.

In dieser Konstellation hilft § 254 ZPO. In einer Stufenklage kann der Kläger den Auskunftsanspruch (und ggf. den Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung) mit der unbezifferten Zahlungsklage verbinden. Dadurch wird auch die Zahlungsklage rechtshängig, so dass die Stufenklage zugleich die Verjährung des Zahlungsanspruchs hemmt. Sobald der Kläger die Auskunft erlangt hat, muss er den Zahlungsantrag beziffern.

2. Sachliche Zuständigkeit

Für die sachliche Zuständigkeit gilt § 5 Hs. 1 ZPO: Es werden die einzelnen Streitwerte der Stufen addiert. Ausgangspunkt ist dabei der Wert des Zahlungsantrags. Hierfür muss der Kläger den erwarteten Wert angeben. Der Wert des Auskunftsantrags wird mit einem Viertel des Zahlungsantrags bemessen, der Wert des Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mit einem Zehntel bis zu zwei Fünfteln des Zahlungsantrags.

3. Anträge

In der Klageschrift stellst du folgende Anträge:

„Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

ihr Auskunft über den Bestand der Erbmasse nach der Erblasserin … auf den (Datum) zu erteilen;

die Richtigkeit dieser Auskunft ggf. an Eides Statt zu versichern und

an sie einen Betrag in Höhe von einem Viertel der Erbmasse zu zahlen.“