Streitgenossenschaft

Exkurs ZPO I 11: Streitgenossenschaft und Streitverkündung

Streitgenossenschaft

Befindet sich auf Kläger- und/oder Beklagtenseite mehr als eine Partei, ist dies nur zulässig, wenn die Kläger bzw. die Beklagten Streitgenossen sind. Die ZPO unterscheidet dabei zwischen einfachen und notwendigen Streitgenossen.

Der maßgebliche Unterschied zwischen beiden liegt darin, dass bei der einfachen Streitgenossenschaft zwar mehrere Parteien auf einer Seite stehen, es sich aber trotzdem um getrennte Rechtsverhältnisse handelt. Handlungen eines Streitgenossen wirken sich deshalb grundsätzlich nicht auf die anderen aus (§ 61 ZPO). Dagegen besteht gegenüber notwendigen Streitgenossen ein einheitliches Rechtsverhältnis (§ 62 ZPO).

- Einfache Streitgenossen

Unter welchen Voraussetzungen eine einfache Streitgenossenschaft vorliegt, bestimmen §§ 59, 60 ZPO.

  • Rechtsgemeinschaft (§ 59 Alt. 1 ZPO)

Stehen mehrere Personen in Bezug auf den Streitgegenstand in Rechtsgemeinschaft, können sie gemeinschaftlich verklagt werden. Die wichtigsten Beispiele hierfür sind Klagen gegen

  • Gesamtschuldner

  • Miteigentümer

  • Erbengemeinschaften

  • Hauptschuldner und Bürge.

  • Identität des Klagegrundes (§ 59 Alt. 2 ZPO)

Ohne in Rechtsgemeinschaft zu stehen, können mehrere Personen Streitgenossen sein, wenn der Klagegrund identisch ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn mehrere Kläger aus demselben Vertrag oder derselben unerlaubten Handlung vorgehen.

  • Gleichartigkeit der rechtlichen und tatsächlichen Anspruchsgründe (§ 60 ZPO)

Schließlich wird eine einfache Streitgenossenschaft auch dadurch begründet, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Dies ist beispielsweise angenommen worden für den Verkäufer und den Hersteller in den sog. „Diesel-Verfahren“, selbst wenn der Verkäufer aus Vertrag und der Hersteller aus Delikt in Anspruch genommen wurde.

- Notwendige Streitgenossen

Während die Voraussetzungen der einfachen Streitgenossenschaft lediglich die Möglichkeit eröffnen, mehrere Personen auf einer Seite des Rechtsstreits zu beteiligen, ist eine Klage, die nicht von sämtlichen notwenigen Streitgenossen erhoben bzw. gegen diese gerichtet wird, unzulässig.

Notwendige Streitgenossenschaft liegt vor, wenn eine einheitliche Sachentscheidung ergehen muss (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) oder eine gemeinschaftliche Klage notwendig ist (Alt. 2). Hierunter fallen beispielsweise Klagen von Erbengemeinschaften oder Miteigentümern.

Streitverkündung

Die Streitverkündung eröffnet einer Partei die Möglichkeit, für den Fall des Unterliegens bereits einen Folgeprozess gegen einen Dritten vorzubereiten. Sie setzt deshalb voraus, dass die Partei entweder einen Regressanspruch gegen den Dritten - beispielsweise den Lieferanten der mangelhaften Sache oder einen Gesamtschuldner - zu haben meint oder eine Inanspruchnahme durch einen Dritten befürchtet.

Die Streitverkündung bietet zwei Vorteile:

  • Mit der Zustellung der Streitverkündungsschrift (§ 73 ZPO) wird die Verjährung des Anspruchs gegen den Dritten gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).

Wird beispielsweise ein Gesamtschuldner verklagt, muss er beachten, dass sein Innenausgleichsanspruch gegen die anderen Gesamtschuldner aus § 426 Abs. 1 BGB bereits mit der Hauptschuld entstanden ist, so dass die Verjährung schon während des ersten Prozesses läuft. Ohne die Streitverkündung läuft er folglich Gefahr, seinen Ausgleichsanspruch nicht mehr durchsetzen zu können (§ 214 Abs. 1 BGB).

Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens muss er im Blick behalten, dass die Hemmungswirkung sechs Monate später endet (§ 204 Abs. 2 BGB).

  • Ohne die Streitverkündung besteht zudem die Gefahr, dass die Partei im Vorprozess zwar verurteilt wird, im Folgeprozess aber trotzdem unterliegt, weil das dortige Gericht die Rechtslage anders beurteilt als das Gericht des Vorprozesses.

Wird beispielsweise der Verkäufer eine Sache zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verurteilt, weil die Sache mangelhaft sei, ist es denkbar, dass er im Regressprozess gegen den Lieferanten unterliegt, weil ein anderer Sachverständiger keinen Mangel feststellen kann. Auf die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess kann sich der Verkäufer nicht berufen, weil diese nur zwischen den Parteien gilt (§ 325 Abs. 1 ZPO).

Hier hilft ihm die sog. Interventionswirkung des § 68 ZPO, die gegen den Streitverkündeten eintritt (§ 74 Abs. 3 ZPO). Danach kann der Streitverkündete im Folgeprozess grundsätzlich nicht einwenden, dass das Urteil des Vorprozesses falsch sei, so dass beispielsweise keine erneute Beweisaufnahme über die Mangelhaftigkeit der Kaufsache durchgeführt werden dürfte.

Im Vorprozess steht es dem Streitverkündeten frei, ob er dem Rechtsstreit beitritt oder nicht. Tritt er bei, wird er zum Nebenintervenienten (§ 74 Abs. 1 ZPO), also nicht zur Partei, so dass er beispielsweise noch Zeuge sein kann. Dies wird er tun, wenn er meint, durch eigenes Zutun dafür sorgen zu können, dass es erst gar nicht zur Verurteilung des Streitverkünders kommt. Tritt er nicht bei, wird der Prozess ohne ihn fortgesetzt (Abs. 2). Die Interventionswirkung tritt aber trotzdem ein (Abs. 3).

Der Beitritt des Streitverkündeten als Nebenintervenient hat für den Streitverkünder grundsätzlich keine Kostennachteile. § 101 Abs. 1 ZPO bestimmt insoweit, dass der Gegner im Falle seines Unterliegens auch die Kosten des Nebenintervenienten tragen muss. Unterliegt der Streitverkünder, trägt der Nebenintervenient seine Kosten selbst.


  1. BGH (X ARZ 303/18)

  2. Im Regressprozess gegen den Lieferanten einer mangelhaften Sache hilft dem Kläger neben § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB zudem, dass nach § 445b Abs. 2 BGB die Rückgriffsansprüche aus § 445a BGB frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt eintritt, in dem er die Ansprüche des Käufers erfüllt hat.