Sonstige Erlöschensgründe
Sonstige Erlöschungsgründe
Neben der Erfüllung und einigen Erfüllungssurrogaten – Leistung an Erfüllungs statt, Hinterlegung bei Ausschluss der Rücknahme, Aufrechnung, Erlassvertrag und negatives Schuldanerkenntnis – gilt es, weitere rechtsvernichtende Einwendungen zu beachten.
Änderungsvertrag
Durch Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner kann ein Schuldverhältnis abgeändert werden.1 Das folgt aus der Vertragsfreiheit (§ 311 I BGB). Durch einen Änderungsvertrag wird das alte, schon bestehende Schuldverhältnis – im Gegensatz zur Novation (s. u.) – nicht aufgehoben, sondern nur geändert.2 Die Änderung kann eine Haupt- oder eine Nebenleistungspflicht betreffen. Wird eine Forderung herabgesetzt oder ganz aufgehoben, liegt insoweit ein teilweiser Erlass und damit eine Verfügung vor.3
Da die Schuld nur abgeändert wird, bleiben die für sie bestellten Sicherungsrechte erhalten und der Schuldner kann weiterhin alle gegen die Schuld bestehenden Einwendungen und Einreden geltend machen.
Aufhebungsvertrag
Mit einem Aufhebungsvertrag können die Vertragsparteien die Auflösung des (gesamten) Schuldverhältnisses vereinbaren.4 Im Gegensatz zum Erlassvertrag (§ 397 I BGB) ist der Aufhebungsvertrag auf die Beendigung des Schuldverhältnisses i.w.S. gerichtet. Es soll also nicht nur eine einzelne Forderung, sondern die gesamte vertragliche Beziehung abschließend geregelt werden. Dabei haben die Parteien größtmöglichen Gestaltungsspielraum; insbesondere können sie bestimmen, ob die Aufhebung rückwirkend (ex tunc) oder nur für die Zukunft (ex nunc) wirken soll.
Der Aufhebungsvertrag ist ein (schuldrechtliches) Verfügungsgeschäft.5 Er bedarf nicht zwingend der Form des aufgehobenen Vertrags; dies gilt insbesondere dann, wenn er sich auf die bloße Vertragsaufhebung beschränkt.
Novation
Unter einer Novation versteht man die vertragliche Begründung eines neuen Schuldverhältnisses unter gleichzeitiger Aufhebung eines früheren Schuldverhältnisses, wobei die neue Rechtsbeziehung die alte ersetzt.6 Man spricht insoweit auch von einer Schuldersetzung bzw. einer Schuldumwandlung.7
Da das alte Schuldverhältnis durch das neue komplett ersetzt wird, erlöschen die Sicherungsrechte für die alte Schuld. Zudem verliert der Schuldner seine Einwendungen und Einreden aus dem alten Schuldverhältnis. Deshalb wird eine Auslegung der Parteiabrede regelmäßig ergeben, dass keine Novation, sondern (nur) ein Änderungsvertrag gewollt ist.8 Von einer Novation ist nur dann auszugehen, wenn ein dahingehender Wille der Vertragsparteien deutlich erkennbar zum Ausdruck gebracht wird.9 Eine Novation kann abstrakt oder kausal ausgestaltet sein. Bei der kausalen Novation soll die Entstehung des neuen Schuldverhältnisses vom Bestand des alten Schuldverhältnisses abhängen und der Schuldner kann die Leistung verweigern, wenn die alte Schuld nicht existierte. Bei der abstrakten Novation ist das neue Schuldverhältnis vom Bestand des alten unabhängig und der Schuldner kann seine Leistung nicht mit dem Einwand verweigern, es habe vorher keine Schuld bestanden.
Konfusion
Konfusion ist das Zusammenfallen von Forderung und Schuld in ein und derselben Person.10 Regelmäßig erlischt die Forderung.
Beispiele: Der Gläubiger beerbt den Schuldner oder umgekehrt. Dem Schuldner wird die Forderung abgetreten.
Die Forderung erlischt ausnahmsweise dann nicht, wenn davon Rechte anderer betroffen wären.
Beispiele: An der Forderung besteht ein Pfandrecht eines Dritten. Im Gesamtschuldverhältnis hat die „Vereinigung der Forderung mit der Schuld“ (Konfusion) gemäß § 425 II BGB Einzelwirkung und führt daher nicht zum Erlöschen, sondern nach § 426 II BGB zu einem Forderungsübergang in Höhe der Ausgleichspflicht der übrigen Gesamtschuldner.
Unmöglichkeit, Zweckerreichung, Zweckfortfall
Das Erlöschen der Forderung kann auch deshalb eintreten, weil der geschuldete Leistungserfolg nicht mehr eintreten kann. Dies kann auf verschiedenen Gründen beruhen.
Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist (§ 275 I BGB).11 Die Befreiung von der Leistungspflicht tritt kraft Gesetzes ein. § 275 I BGB begründet eine Einwendung des Schuldners.12 Besteht das Leistungshindernis bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, liegt ein Fall der anfänglichen Unmöglichkeit vor. In diesem Fall wirkt § 275 I BGB rechtshindernd, lässt den Anspruch also gar nicht erst entstehen. Entsteht das Leistungshindernis hingegen erst nach Vertragsschluss, ist die nachträgliche Unmöglichkeit als rechtsvernichtende Einwendung zu prüfen.
Braucht der Schuldner nach § 275 I BGB nicht zu leisten, entfällt bei einem gegenseitigen Vertrag auch der Anspruch auf die Gegenleistung (§ 326 I 1 Hs. 1 BGB). Bei bereits erbrachten Teilleistungen bleibt der Gegenleistungsanspruch allerdings in entsprechender Höhe bestehen (§ 326 I 1 Hs. 2 i.V.m. § 441 III BGB).
Vom Gesetzgeber nicht gesehen, mit ähnlicher Interessenlage wie bei der Unmöglichkeit ausgestaltet, sind die Fälle der Zweckerreichung und des Zweckfortfalls.13 Eine Zweckerreichung liegt vor, wenn dem Schuldner die Leistungshandlung zwar noch möglich ist, sie den Leistungserfolg aber nicht mehr herbeiführen kann, weil dieser bereits ohne Zutun des Schuldners eingetreten ist. Im Gegensatz zu der Unmöglichkeit wird bei der Zweckerreichung das Gläubigerinteresse befriedigt.
Beispiel: Bevor der bestellte Hochseeschlepper eintrifft, kommt das auf eine Sandbank gelaufene Schiff von selbst wieder frei.14
Beim Zweckfortfall könnte der Schuldner die Leistungshandlung ebenfalls noch erbringen, allerdings ist das Objekt, an dem die geschuldete Leistung erbracht werden soll, weggefallen.
Beispiel: Bevor der bestellte Hochseeschlepper eintrifft, ist das Schiff gesunken.
In beiden Fällen gleicht der Interessenlage derjenigen bei der (nachträglichen) Unmöglichkeit. Deshalb ist § 275 I BGB analog anzuwenden, sodass der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei wird.
Im Gegensatz dazu findet § 313 BGB Anwendung, wenn der geschuldete Leistungserfolg zwar noch herbeigeführt werden kann, der Gläubiger an ihm aber kein Interesse mehr hat (Zweckstörung.
Sonstiges
Zum Erlöschen einer Forderung können ferner der Eintritt einer auflösenden Bedingung und der Zeitablauf (§§ 158 II, 163 BGB; >, der Rücktritt, der Widerruf und die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen führen.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 3.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 241.
- Wird durch den Änderungsvertrag eine neue Forderung begründet, ist diese Inhaltsänderung ein Verpflichtungsgeschäft.
- Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 242.
- Hier und zum Folgenden: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 590 f.
- Hier und zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 243 – 245.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 4.
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 4.
- BGH, Urt. v. 30.09.1999 – IX ZR 287/98, NJW 1999, 3708, 3709.
- Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 7; R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 246.
- Zum Folgenden: R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 365 – 367.
- Im Gegensatz dazu sind § 275 II, III BGB als Einreden ausgestaltet („Der Schuldner kann die Leistung verweigern, …“; R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 366).
- Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 17 Rn. 9 – 11.
- In diesen Fällen kommt eine analoge Anwendung des § 645 I 1 BGB in Betracht).