Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 GG
Aufbau der Prüfung - Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 GG
I. Schutzbereich
1. Persönlich
In persönlicher Hinsicht handelt es sich bei Art. 6 GG um ein Jedermann-Grundrecht.
2. Sachlich
a) Ehe
In sachlicher Hinsicht ist zunächst die Ehe geschützt. Dies ist die Gemeinschaft, die ein Mann und eine Frau nach beiderseitiger Absicht und im gegenseitigen versprechen umfassend, zumindest grundsätzlich lebenslang verbindet. Die Ehe wird dabei weit verstanden, der Gesetzgeber hat einen Gestaltungsspielraum, wie er „Ehe“ definiert. Erfasst sind danach auch „hinkende Ehen“, die nach einfachgesetzlichen Regelungen in Deutschland nicht anerkannt sind. Beispiel1: Heiratet der Deutsche M die Dänin F in Dänemark und gibt es Ehehindernisse in Deutschland, aber nicht in Dänemark, ist die Ehe dennoch über Art. 6 GG geschützt. Ferner sind Scheinehen erfasst. Dies sind Ehen, die nicht zur Herstellung einer Lebensgemeinschaft eingegangen werden, sondern nur, um formal den Status einer Ehe zu nach den hierfür geltenden Regeln zu erhalten. Nicht erfasst sind dagegen nicht-eheliche Lebensgemeinschaften sowie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, die (nur) den Schutz des Art. 6 GG nicht genießen. Es bleibt aber ein Schutz über Art. 2 GG, wonach auch einfachgesetzliche Regelungen getroffen werden können, in denen eine gewisse Gleichstellung erfolgt. Geschützt ist auch die negative Dimension, also das Recht, nicht heiraten zu wollen. Gibt es Regelungen über Zwangsehen, ist Art. 6 GG betroffen.
b) Familie
Familie meint das Beziehungsverhältnis zwischen Eltern und Kindern (ungeachtet einer Ehe). Dies wird auch weit verstanden, sodass ebenfalls Adoptivkinder und die Großfamilie (Großeltern leben mit Enkeln) erfasst werden.
c) Elternrecht, Art. 6 II 1 GG
Das Elternrecht sagt, dass die Eltern das Recht haben, um die Pflege und die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern. Dazu zählt auch die religiöse Erziehung. Dies wird insbesondere dann interessant, wenn im Schulunterricht bestimmte religiöse Handlungen stattfinden sollen oder im Hinblick auf die Religion bestimmte Dinge nicht passieren sollen. Beispiel2: Kind K soll im Hinblick auf seine Glaubenszugehörigkeit nicht mit der spärlichen Bekleidung im Schwimmunterricht konfrontiert werden, weil dies nicht mit dem Koran vereinbar ist und die Eltern wollen demnach nicht, dass K am Schwimmunterricht teilnimmt. Dies betrifft einerseits das elterliche Erziehungsrecht und andererseits die Glaubensfreiheit, die sich in solchen Fragen verbinden und in der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung gegenläufig mit dem staatlichen Bildungsauftrag (Schulwesen) nach Art. 7 GG in Einklang gebracht werden müssen. Die Eltern haben das Recht, sich um Pflege und Erziehung auch in religiöser Hinsicht zu kümmern. Die Eltern haben aber auch eine Pflicht, d.h. aus Art. 6 GG wird eine Pflicht der Eltern abgeleitet, die zu staatlichen Eingriffen ermächtigt, wenn die Pflicht von den Eltern vernachlässigt wird.
d) Schutzpflicht des Staates
Der Staat ist gehalten, bestimmte Regelungen zu treffen, um die Ehe und Familie zu schützen. Beispiel3: Regelungen über die Auseinandersetzung der Ehe (Scheidung) und die geordnete Abwicklung über den Zugewinnausgleich. Dies ist Ausdruck eines besonders formalisierten Auseinandergehens, was gut ist für die Beteiligten, Art. 6 I GG. Im Übrigen gibt es noch spezielle Schutzregelungen in Art. 6 IV, V GG wie der Mutterschutz oder der Schutz unehelicher Kinder.
II. Eingriff
Eingriff meint die Verkürzung des Schutzbereichs (klassisch oder modern). Zu beachten ist, dass es solche Regelungen geben kann, die nur die rechtliche Ausgestaltung der Ehe definieren, ohne zugleich Eingriffe zu sein. Der Gesetzgeber kann selbst definieren, wann nach seiner Ansicht eine Ehe formal vorliegt. Eine solche Ausgestaltung kann aber im Einzelfall über eine reine Definition hinausgehen und bereits einen Eingriff darstellen.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
1. Bestimmung der Schranken
Generell für Art. 6 I GG ergeben sich keine speziellen Schranken, das Recht auf Schutz von Ehe und Familie wird damit vorbehaltlos gewährleistet. Nur kollidierendes Verfassungsrecht ist geeignet, den Schutz von Ehe und Familie einzuschränken. Speziell für das Elternrecht gibt es einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt , Art. 6 II 1 GG, unter dessen Voraussetzungen der Staat zusätzlich eingreifen kann, wenn Eltern ihrer Elternpflicht nicht nachkommen (staatliches Wächteramt). Danach könnte der Staat den Eltern das Kind im schlimmsten Fall entziehen.
2. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage
a) Schrankenspezifische Anforderungen
Erfolgt ein Eingriff in Art. 6 I GG, bedarf es mindestens kollidierenden Verfassungsrechts, das eine Einschränkung rechtfertigt. Bei dem Elternrecht nach Art. 6 II GG ist zu prüfen, ob eine Vernachlässigung der Pflege oder der Erziehung vorliegt, die das staatliche Wächteramt auslöst.
b) Verhältnismäßigkeit
Die Regelung muss nach allgemeinen Grundsätzen verhältnismäßig sein.
c) Sonstige Anforderungen
Neben den allgemeinen Anforderungen aus Art. 19 I, II GG existiert eine weitere Schranken-Schranke. Art. 6 III GG enthält besondere Anforderungen, wenn es um die Entfernung eines Kindes geht.
3. Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes
Schließlich ist die Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes zu prüfen, insbesondere die Verhältnismäßigkeit der konkreten Maßnahme.