Schadensersatz statt der Leistung wegen nachträglicher Unmöglichkeit

Schadensersatz statt der Leistung wegen nachträglicher Unmöglichkeit (§§ 280 I, III, 283 BGB)

Nach Maßgabe der § 275 I – III BGB kann der Schuldner lediglich von seiner Primärleistungspflicht befreit sein. Auf der Sekundärleistungsebene kann er dem Schuldner dann aber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Wenn der Gläubiger die vereinbarte Leistung vom Schuldner gemäß § 275 I – III BGB nicht erhält und deshalb Schadensersatz verlangt, handelt es sich immer um einen Schadensersatzersatzanspruch statt der Leistung.1

Tritt das Leistungshindernis nachträglich ein, folgt der Anspruch aus den §§ 280 I, III, 283 BGB.2 Für den Fall der anfänglichen, d. h. schon bei Vertragsschluss vorliegenden Unmöglichkeit enthält § 311a II BGB eine spezielle Anspruchsgrundlage.

Voraussetzungen

Trotz der Leistungsbefreiung nach § 275 I – III BGB bleibt die Nichtleistung durch den Schuldner – jedenfalls im Falle nachträglicher Unmöglichkeit – eine Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB).3 Sie kann deshalb zu einer Schadensersatzpflicht führen. Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen nachträglicher Unmöglichkeit sind die §§ 280 I, III, 283 BGB. Der Anspruch setzt voraus:

Nach § 280 I 1 BGB muss zwischen dem Anspruchsteller und dem Anspruchsgegner ein Schuldverhältnis bestehen. Damit sind sowohl rechtsgeschäftliche als auch gesetzliche Schuldverhältnisse gemeint; es muss sich allerdings um ein Schuldverhältnis mit Leistungspflichten handeln.4

Ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 II, III BGB) mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB reicht deshalb nicht aus.

Die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB liegt in der Leistungsbefreiung des Schuldners nach § 275 I – III BGB. In Abgrenzung zu den Fällen des § 311a II BGB darf diese Leistungsbefreiung erst nach Entstehung des Schuldverhältnisses eingetreten sein.5

Der Schuldner muss das Leistungshindernis, das die Rechtsfolgen des § 275 BGB auslöst, zu vertreten haben. Das Vertretenmüssen wird gemäß § 280 I 2 BGB vermutet, d. h. der Schuldner muss sich exkulpieren. Was der Schuldner zu vertreten hat, richtet sich nach den §§ 276, 278 BGB.

Wird der Schuldner nur teilweise von seiner Leistungspflicht befreit, setzt der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zusätzlich voraus, dass der Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse mehr hat (§ 283 S. 2 i.V.m. § 281 I 2 BGB).

Im Falle unmöglicher Nacherfüllung bei vorheriger Schlechtleistung muss die Pflichtverletzung erheblich sein (§ 283 S. 2 i.V.m. § 281 I 3 BGB).

Rechtsfolgen

Der Gläubiger ist so zu stellen, als ob die Leistung wie geschuldet erbracht worden wäre.6 Der Anspruch ist auf das positive Interesse (= Erfüllungsinteresse) gerichtet. Zu ersetzen sind der Marktwert der ausgebliebenen Leistung, eventuell höhere Kosten für eine etwaige Ersatzbeschaffung („Deckungskauf“)7 sowie ein entgangener Gewinn aus einer geplanten Weiterveräußerung.

Im Gegenzug kann der Schuldner nach § 283 S. 2 i.V.m. § 281 V BGB bereits erbrachte Leistungen gemäß §§ 346 – 348 BGB zurückfordern.8

Bei gegenseitigen Verträgen stellt sich die Frage, wie der Schaden des Gläubigers zu berechnen ist. In jedem Falle ersatzfähig ist die Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung; der Wert der unmöglich gewordenen Leistung und der Wert der nicht mehr zu erbringenden Gegenleistung sind dann nur Rechnungsposten eines einseitigen Schadensersatzanspruchs (Differenztheorie). Nach der Surrogationstheorie darf der Gläubiger der unmöglich gewordenen Leistung seine Gegenleistung weiterhin erbringen und Schadensersatz wegen der gesamten ausgebliebenen Leistung verlangen; daran hat er immer dann ein Interesse, wenn er kein Geld, sondern einen Gegenstand schuldet und diesen loswerden will.

Für eine ausschließliche Anwendung der Surrogationstheorie könnte ins Feld geführt werden, dass sich der Gläubiger von seiner Gegenleistungspflicht nur durch den Rücktritt befreien können soll. Dagegen spricht jedoch die Vorschrift des § 325 BGB, nach der der Gläubiger Rücktritt und Schadensersatz frei miteinander kombinieren darf.9 Auch eine ausschließliche Anwendung der Differenztheorie überzeugt nicht. Für sie kann insbesondere nicht § 326 I 1 BGB herangezogen werden, weil dort nur geregelt ist, dass der Gläubiger seine Gegenleistung nicht mehr erbringen muss; inwieweit er seine Leistung nach der Surrogationstheorie noch erbringen kann, bleibt demgegenüber offen. Die h. M. geht deshalb zu Recht davon aus, dass der Gläubiger vor Erklärung des Rücktritts die freie Wahl zwischen der Schadensermittlung nach der Differenz- und der Surrogationstheorie hat. Hat der Gläubiger dagegen bereits den Rücktritt erklärt, so kann er grundsätzlich nur noch Schadensersatz im Wege der Differenzmethode, also wegen Nichterfüllung des Vertrags im Ganzen verlangen.

Prüfungsschema

Aus Vorstehendem ergibt sich für den Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, III, 283 BGB folgendes Prüfungsschema:

  1. Schuldverhältnis
  2. Nachträgliche Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht nach § 275 I – III BGB
  3. Keine Exkulpation des Schuldners nach § 280 I 2 BGB
  4. Bei Bedarf: § 283 S. 2 i.V.m. § 281 I 2 u. 3 BGB

RF: Schadensersatz (Ersatz des positiven Interesses)


  1. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 22 Rn. 47.
  2. Siehe hierzu den Fall: „Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit“.
  3. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I – AT, 21. Aufl. 2015, Rn. 419. Die Ursache der Pflichtverletzung spielt deshalb noch nicht bei der Pflichtverletzung, sondern erst beim Vertretenmüssen des Schuldners eine Rolle.
  4. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 22 Rn. 50.
  5. Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 22 Rn. 55.
  6. Hier und zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 22 Rn. 57 – 67.
  7. Hier ist allerdings kritisch zu hinterfragen, ob bei möglichem Deckungskauf tatsächlich ein Leistungsausschluss (insbesondere nach § 275 II BGB) in Betracht kommt.
  8. Bei § 281 V BGB handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung.
  9. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 18 m.w.N.