Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung
Schadenersatz statt der (ganzen) Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281 BGB
Bei einem behebbaren Leistungsmangel kann der Gläubiger nach §§ 280 I, III, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. § 281 BGB betrifft Sachlagen, in denen der Schuldner eine fällige und ihm mögliche Leistung nicht erbringt (Nichtleistung) oder nicht wie geschuldet erbringt (Schlechtleistung). Er berechtigt den Gläubiger in diesen Fällen, anstelle seines ursprünglichen Erfüllungsanspruchs Schadensersatz in Geld zu verlangen.1
Wird eine Leistung trotz Möglichkeit nicht erbracht, handelt es sich um eine Leistungsverzögerung.2
Voraussetzungen
§ 280 III BGB erweitert durch seinen Verweis auf § 281 BGB die allgemeinen Voraussetzungen, die § 280 I BGB für einen Anspruch auf Schadensersatz im Rahmen eines Schuldverhältnisses festlegt, um das zusätzliche Erfordernis der erfolglosen Fristsetzung für die Fälle, in denen der Schadensersatz an die Stelle der Leistung treten soll. Wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt, bilden die §§ 280 I, III, 281 BGB daher gemeinsam die Anspruchsgrundlage.3 Der Anspruch hat folgende Voraussetzungen:4
Zwischen den Parteien muss ein wirksames Schuldverhältnis bestehen.
§ 281 BGB ist grundsätzlich auf alle vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnisse anwendbar.5 Nach h. M. ist § 281 BGB auch auf den Vindikationsanspruch aus § 985 BGB anwendbar; allerdings sind die besonderen Haftungsregeln der §§ 989, 990 BGB zu beachten, sodass der Schuldner nur dann gemäß §§ 280 I, III, 281 BGB ersatzpflichtig ist, wenn er gemäß § 989 BGB für die Nichtleistung einzustehen hat.6
Der Schuldner muss eine Pflicht verletzt haben, indem er eine fällige Leistung (vgl. § 271 I BGB),nicht oder nicht wie geschuldet erbracht hat. Der Anspruch muss vollwirksam entstanden und auch durchsetzbar, insbesondere einredefrei sein.7
Der Anspruch setzt nicht voraus, dass der Schuldner in Verzug (§ 286 BGB) ist. Eine Mahnung ist nicht erforderlich. In der mit der Fristsetzung verbundenen Leistungsaufforderung ist aber zugleich eine Mahnung zu sehen, sodass sich der nach §§ 280 I, III, 281 BGB schadensersatzpflichtige Schuldner i.d.R. auch im Verzug befindet.8
Der Gläubiger muss dem Schuldner grundsätzlich erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt haben.
Die Nachfrist dient dazu, dem Schuldner eine letzte Chance zur korrekten Pflichterfüllung („Recht der zweiten Andienung“ ) zu geben.9 Die Frist ist einzelfallorientiert so zu bemessen, dass sie einerseits lang genug ist, damit der Schuldner etwas fertig zu stellen, was bereits nahezu vollendet ist; anderseits braucht sie aber nicht so lang zu sein, dass der Schuldner eine noch gar nicht begonnene Leistung rechtzeitig fertigstellen kann.10 Bei einer zu kurzen Frist wird eine angemessene Frist in Lauf gesetzt.11
Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn ein Fall des § 281 II BGB vorliegt.
Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung (§ 281 II Alt. 1 BGB) liegt vor, wenn der Schuldner durch sein Verhalten eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Aufforderung zur Leistung umstimmen ließe.12
Die Fristsetzung ist auch dann entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen (§ 281 II Alt. 2 BGB). Dieser Auffangtatbestand ist z. B. bei sog. „Just-in-time-Verträgen“ erfüllt, bei denen der eine Teil zu einem bestimmten Zeitpunkt an den anderen Teil liefern muss, wenn dessen Produktion ordnungsgemäß betrieben werden soll; in diesen Fällen sofort eine Ersatzbeschaffung vorgenommen werden können.13
Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung (§ 281 III BGB).
Dies betrifft insbesondere Unterlassungspflichten, weil bei diesen eine Fristsetzung keinen Sinn machen würde.14
Der Schuldner muss die Nicht- bzw. Schlechtleistung nach dem Maßstab der §§ 276 ff. BGB zu vertreten haben. Das Vertretenmüssen wird vermutet (§ 280 I 2 BGB), d. h. der Schuldner muss sich exkulpieren.
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vertretenmüssen ist derjenige des Fristablaufs.15 Ist die Fristsetzung entbehrlich (§ 281 II BGB), tritt an die Stelle des Fristablaufs der Zeitpunkt, in dem das Ereignis, welches die Frist entbehrlich gemacht hat, eingetreten ist.16
Rechtsfolgen
Nach Ablauf der gesetzten Frist kann der Gläubiger wählen, ob er an seinem Leistungsanspruch festhält oder Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Beide Ansprüche stehen in elektiver Konkurrenz nebeneinander. Sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt, ist der Anspruch auf die Leistung gemäß § 281 IV BGB ausgeschlossen. Der Schuldner hat dem Gläubiger dann das positive Interesse zu ersetzen und ihn so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde.
Beim „kleinen Schadensersatz“ (§ 281 I 1 BGB: „Schadensersatz statt der Leistung“) behält der Gläubiger die mangelhafte Leistung und verlangt im Übrigen so gestellt zu werden, als ob ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Im Fall der Schlechtleistung kann der Gläubiger wahlweise statt des kleinen den „großen Schadensersatz“ geltend machen, wenn die Schlechterfüllung nicht unerheblich ist (§ 281 I 3 BGB: „Schadensersatz statt der ganzen Leistung“). Bei Teilleistungen kommt der Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur in Betracht, wenn der Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse hat (§ 281 I 2 BGB). In beiden Fällen ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 – 348 BGB berechtigt (§ 281 V BGB).
Prüfungsschema
Prüfungsschema: Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281 BGB
(1) Wirksames Schuldverhältnis
(2) Fälliger und durchsetzbarer Anspruch auf Leistung
(3) Nichtleistung oder Schlechtleistung
(4) Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bzw. Abmahnung (§ 281 III BGB), sofern die Frist nicht entbehrlich ist (§ 281 II BGB)
(5) Keine Exkulpation
RF: Schadensersatz statt der Leistung (Ersatz des positiven Interesses)
- Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 1.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 363.
- Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 2.
- Zum Folgenden: Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 24 Rn. 9 – 12; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 5. Siehe zudem den Fall: „Rücktritt wegen verspäteter Zahlung“.
- Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 2.
- BGH, Urt. v. 18.03.2016 – V ZR 89/15, Rn. 11 ff.; Hk-BGB/Schulte-Nölke, 10. Aufl. 2019, § 985 Rn. 6.
- Allein das Bestehen der Einreden aus §§ 214, 320, 275 II, III BGB hindert die Durchsetzbarkeit; das ZbR nach § 273 BGB muss hingegen geltend gemacht werden (R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 716).
- BT-Drucks. 14/6040, S. 138; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 6.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 720.
- BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348, 1350.
- Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 10; Erman/Westermann, BGB, 15. Aufl. 2017, § 281 Rn. 13.
- BT-Drucks. 14/6040, S. 138; R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 721; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 10; a. A. Canaris, JZ 2001, 499, 510.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 724.
- R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 730; Hk-BGB/Schulze, 10. Aufl. 2019, § 281 Rn. 12.
- Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 281 Rn. 16; R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 730; str. (zum Streitstand siehe Harke, ZGS 2006, 9 ff.).
- Brox/Walker, SchuldR AT, 43. Aufl. 2019, § 24 Rn. 12; R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 730.