Rechtsvernichtende Einwendungen

Rechtsvernichtende Einwendungen

Die Prüfung von Ansprüchen erfolgt in drei Schritten. Es wird danach gefragt, ob der Anspruch (I.) entstanden, (II.) untergegangen und (III.) durchsetzbar ist. Dies gilt auch und insbesondere für vertragliche Ansprüche.

Rechtshindernde Einwendungen

Voraussetzung für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs ist zunächst eine Einigung zwischen den Parteien, die durch zwei korrespondierende Willenserklärungen – Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB) – zustande kommt. Wurde die Einigung bejaht, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob eine rechtshindernde Einwendung besteht. Rechtshindernde Einwendungen sind überwiegend im allgemeinen Teil des BGB normiert (z. B. § 105 I i.V.m. § 104 BGB und § 105 II BGB , §§ 116 S. 2, 117, 118 BGB, § 125 BGB, § 134 BGB, § 138 I BGB, § 138 II BGB, § 142 I BGB, § 158 I BGB. Auch im allgemeinen Schuldrecht finden sich Einwendungen, die bereits das Entstehen eines Anspruchs betreffen, etwa die anfängliche Unmöglichkeit (§ 275 I BGB), § 311b II BGB1 und § 311b IV BGB.2

Rechtsvernichtende Einwendungen

Hindert eine Einwendung nicht die Entstehung des Anspruchs, führt sie aber zu dessen Beseitigung, spricht man von einer rechtsvernichtenden Einwendung. Rechtsfolge einer solchen Einwendung ist das Erlöschen des zunächst entstandenen Anspruchs.3 Rechtsvernichtende Einwendungen finden sich teilweise im allgemeinen Teil des BGB (z. B. §§ 158 II, 163 BGB), überwiegend jedoch im allgemeinen Schuldrecht.

Die wichtigsten im allgemeinen Schuldrecht geregelten rechtsvernichtenden Einwendungen sind:

  • Erfüllung, § 362 BGB

  • Annahme an Erfüllung statt, § 364 BGB,

  • Hinterlegung, §§ 372 ff. BGB,

  • Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB,

  • Erlassvertrag und negatives Schuldanerkenntnis, § 397 BGB,

  • Änderungs- und Aufhebungsvertrag, Novation und Konfusion,

  • (nachträgliche) Unmöglichkeit, §§ 275 I, 326 I BGB,

  • Rücktritt, §§ 346 ff. BGB,

  • Widerruf, §§ 355 ff. BGB,

  • Kündigung von Dauerschuldverhältnissen, § 314 BGB),

  • Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.4

Rechtshemmende Einwendungen (Einreden)

Ist ein Anspruch entstanden und nicht wieder erloschen, stellt sich auf einer dritten und letzten Ebene der Anspruchsprüfung die Frage, ob der Anspruch durchsetzbar ist. Der Durchsetzbarkeit können rechtshemmende Einwendungen entgegenstehen. Da diese im Gegensatz zu rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern nur dann berücksichtigt werden, wenn sich der Schuldner auf sie beruft bzw. sie geltend macht, werden sie auch als Einreden bezeichnet. Solche Einreden finden sich im allgemeinen Teil des BGB (z. B. die Einrede der Verjährung, § 214 I BGB), Schuldrecht AT (§§ 273, 320 BGB, § 275 II, III BGB) und im Schuldrecht BT (z. B. §§ 439 IV, 821, 853 BGB).


  1. § 311b II BGB gilt seinem Wortlaut entsprechend („Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet“) für Verpflichtungsverträge und nicht für das nachfolgende Verfügungsgeschäft (R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 113).
  2. § 311b IV BGB beruht sowohl auf wirtschaftlichen als auch auf sittlichen Erwägungen. Die Vorschrift ist auf Verpflichtungsverträge anwendbar. Anders als in den Fällen des § 311b II BGB sind Verfügungen über den Nachlass eines noch Lebenden aber aus allgemeinen Erwägungen heraus unwirksam, weil vor dem Tod des Dritten noch kein Leistungssubstrat existiert, das übertragen werden könnte (R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 114 f.).
  3. R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 112.
  4. Bei der Störung der Geschäftsgrundlage kommen Rücktritt und Kündigung als rechtsvernichtende Einwendung gemäß § 313 III BGB allerdings nur als ultima ratio in Betracht (R. Schmidt, Schuldrecht AT, 13. Aufl. 2019, Rn. 116).