Rechtsgeschäfte

Rechtsgeschäfte

Definition des Rechtsgeschäfts und Abgrenzung zu sonstigen Rechtsinstituten

Das BGB befasst sich in den §§ 104 – 185 mit „Rechtsgeschäften“. Eine Definition dieses zentralen Begriffs findet man im Gesetz allerdings nicht. In der Rechtswissenschaft versteht man unter einem Rechtsgeschäft einen Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolges knüpft. 1

Kern des Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung.2 Sie ist nicht mit dem Rechtsgeschäft identisch. Dennoch werden die Begriffe des Rechtsgeschäfts und der Willenserklärung im Gesetz teilweise gleichlautend nebeneinander verwendet. Dies ist der Sache nach nur dann zutreffend, wenn sich der Tatbestand des Rechtsgeschäfts in einer Willenserklärung erschöpft (z. B. Anfechtungs- oder Kündigungserklärung). Setzt das Rechtsgeschäft hingegen mehrere Willenserklärungen (z. B. Vertrag) und/oder andere Tatbestandsmerkmale voraus (z. B. die Übergabe bei der Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB), sollte begrifflich klar zwischen dem Rechtsgeschäft und der Willenserklärung unterschieden werden.

Nicht zu den Rechtsgeschäften zählen die Rechtshandlungen.3 Zu ihnen gehören geschäftsähnliche Handlungen und Realakte. Rechtshandlungen unterscheiden sich vom Rechtsgeschäft dadurch, dass ihre Rechtsfolgen kraft Gesetzes, also unabhängig vom Willen des Handelnden eintreten; beim Rechtsgeschäft werden die rechtlichen Wirkungen hingegen ausgelöst, weil sie gewollt sind.

Geschäftsähnliche Handlungen sind Willensäußerungen oder Mitteilungen, die zwar regelmäßig in dem Bewusstsein oder gar in der Absicht vorgenommen werden, bestimmte Rechtsfolgen auszulösen, an die das Gesetz aber auch dann Rechtsfolgen knüpft, wenn sie nicht gewollt sind. Beispiele für geschäftsähnliche Handlungen: Mahnung i.S.v. § 286 I 1 BGB, Fristsetzung i.S.v. §§ 281 I 1, 323 I BGB.

Realakte sind Handlungen, bei denen das Gesetz die Rechtsfolge ausschließlich an einen tatsächlichen Vorgang knüpft; auf eine Willensäußerung (wie bei geschäftsähnlichen Handlungen) oder gar einen Rechtsfolgewillen (wie bei Rechtsgeschäften) kommt es nicht an. Beispiele für Realakte: Verbindung, Vermischung und Verarbeitung i.S.v. §§ 946 ff. BGB, Fund i.S.v. §§ 965 ff. BGB.

Arten der Rechtsgeschäfte

Das BGB kennt unterschiedliche Arten von Rechtsgeschäften.4 Teilweise bedarf es nur einer Willenserklärung (einseitige Rechtsgeschäfte). Häufiger sind mehrseitige Rechtsgeschäfte.

Einseitige Rechtsgeschäfte setzen nur eine Willenserklärung voraus. Diese kann empfangsbedürftig (z. B. Anfechtungserklärung i.S.v. § 143 BGB) oder nicht empfangsbedürftig (z. B. Auslobung, § 657 BGB) sein.

Zweiseitige Rechtsgeschäfte (Verträge) können ihrerseits in einseitig und zweiseitig verpflichtende Verträge unterteilt werden. Bei einseitig verpflichtenden Verträgen besteht nur für eine Vertragspartei eine Leistungspflicht (z. B. Schenkung, § 516 BGB; Bürgschaft, § 765 BGB). Bei zweiseitig verpflichtenden Verträgen (z. B. Kaufvertrag, § 433 BGB) sind hingegen beiden Vertragsparteien Leistungspflichten auferlegt. Bei ihnen leisten die Parteien i.d.R. nur um der Gegenleistung willen („do ut des“ = ich gebe, damit du gibst);5 stehen die Leistungen nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zueinander, spricht man von unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Rechtsgeschäften (z. B. Leihe, § 598 BGB; Auftrag, § 662 BGB).

Zu beachten ist, dass es auch bei gegenseitigen Verträge Pflichten gibt, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Beispiel: Der Mietvertrag (§ 535 BGB) ist ein gegenseitiger Vertrag. Die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung (§ 535 I 1 BGB) und die Pflicht des Mieters zur Zahlung der Miete (§ 535 II BGB) stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma); insoweit finden die Regeln über gegenseitige Verträge (§§ 320 ff. BGB) Anwendung. Die Pflicht des Mieters, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben (§ 546 I BGB), steht hingegen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis; insoweit finden folglich die §§ 320 ff. BGB keine Anwendung.

Mehrseitige Rechtsgeschäfte sind mehrseitige Verträge und Beschlüsse. Von mehrseitigen Verträgen spricht man immer dann, wenn mehr als zwei Personen Vertragspartner sind (Beispiele: Die Eheleute M und F kaufen von V mittels dreiseitigen Vertrags ein Haus; die Gesellschafter A, B, C und D schließen sich mittels vierseitigem (Gesellschafts-)Vertrag zu einer GbR i.S.v. § 705 BGB zusammen). Ein Beschluss setzt sich aus einer Vielzahl gleichlautender Willenserklärungen zusammen,6 die – im Gegensatz zu Verträgen – einander nicht entsprechen und auch nicht gleichlautend sein müssen (z. B. Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH, § 47 I GmbHG).


  1. Erman/H. F. Müller, BGB, 16. Aufl. 2020, Einl. § 104 Rn. 2.
  2. Hier und zum Folgenden: Erman/H. F. Müller, BGB, 16. Aufl. 2020, Einl. § 104 Rn. 3.
  3. Hier und zum Folgenden: Erman/H. F. Müller, BGB, 16. Aufl. 2020, Einl. § 104 Rn. 6 – 9.
  4. Zum Folgenden: Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 177 – 179.
  5. Die Gegenseitigkeit der Verpflichtungen i.S.v. §§ 320 ff. BGB wird als Synallagma bezeichnet. Gegenseitige Verträge werden dementsprechend auch synallagmatische Verträge genannt.
  6. Schack, BGB AT, 17. Aufl. 2023, Rn. 407.