Prozessvergleich
Exkurs ZPO I 13: Erledigung des Rechtsstreits, Prozessvergleich
Wegfall des Klageanlasses
Hält der Kläger seine Klage deshalb für aussichtslos, weil er aufgrund eines Ereignisses vor Schluss der mündlichen Verhandlung davon ausgeht, dass sein Anspruch nicht mehr bestehe, kann er hierauf unterschiedlich reagieren.
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übereinstimmende Erledigungserklärungen
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Hat der Kläger Grund zu der Annahme, dass sich der Beklagte einer Erledigungserklärung anschließen würde, wird er die Erledigung des Rechtsstreits erklären. Die Zustimmung des Beklagten führt dazu, dass die Rechtshängigkeit der Klage entfällt (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog) und das Gericht nur noch durch Beschluss darüber entscheidet, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Für beide Erklärungen besteht auch vor dem Landgericht kein Anwaltszwang (§ 91a Abs. 1 Satz 1, 78 Abs. 3 ZPO). Die Zustimmung des Beklagten wird fingiert, wenn innerhalb der Notfrist von zwei Wochen seit Zustellung des Schriftsatzes, der die Erledigungserklärung enthält, nicht widersprochen hat (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO).
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Maßstab für die Kostenentscheidung ist der bisherige Sach- und Streitstand, wobei dem Gericht ein Ermessen eröffnet ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Rechtsstreit tatsächlich erledigt hat. Es kommt nur darauf an, wie der Prozess ausgegangen wäre, wenn die Erledigung nicht erklärt worden wäre. Hätte der Kläger obsiegt, trägt der Beklagte die Kosten, und umgekehrt. Lässt sich nicht feststellen, wer gewonnen hätte, weil Beweis erhoben worden wäre, werden die Kosten gegeneinander aufgehoben (vgl. § 92 Abs. 1 ZPO). Eine Beweisaufnahme darf nicht mehr durchgeführt werden, weil es durch den Wegfall der Rechtshängigkeit keinen Rechtsstreit mehr gibt. Auch ansonsten ist eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich (§ 128 Abs. 4 ZPO).
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Einseitige Erledigung
Schließt sich der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht an (einseitige Erledigung), findet § 91a ZPO keine Anwendung. Vielmehr ändert sich die ursprüngliche Klage in eine Klage auf Feststellung, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.
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Diese Klageänderung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO ohne weitere Voraussetzungen stets zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich daraus, dass er nur mit dieser Feststellungsklage die Möglichkeit hat, nicht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt zu bekommen, nämlich dann, wenn er mit der Klage gewinnt (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Für die Begründetheit der Feststellungsklage kommt es darauf an, ob sich die Hauptsache im Rechtssinne erledigt hat. Dies ist der Fall, wenn
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die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war und
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durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit
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unzulässig oder unbegründet geworden ist.
Kann diese Entscheidung nur nach einer Beweisaufnahme getroffen werden, ist diese durchzuführen.
Hat der Beklagte lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil (Versäumnisurteil, angefochtenes Urteil) geleistet, steht die Erfüllung unter der Bedingung, dass das Urteil rechtskräftig wird. Eine Erledigung tritt hier nicht ein. Dasselbe gilt für die Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, einem Arrestbefehl oder einer einstweiligen Verfügung und selbst dann, wenn dadurch eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist.
Bei einem Gestaltungsrecht liegt das erledigende Ereignis erst in seiner Ausübung, nicht in seiner Rückwirkung. Erklärt der Beklagte im Prozess die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, führt dies zwar dazu, dass die Klageforderung schon als vorprozessual erloschen gilt (§ 389 BGB). Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil diese Aufrechnungslage erst durch die Erklärung relevant wird. Dasselbe gilt für die Erhebung der Verjährungseinrede im Prozess und die Anfechtung eines Vertrages.
- Das Gericht entscheidet über die Feststellungsklage durch Urteil nach mündlicher Verhandlung.
- Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit
Stellt sich heraus, dass das erledigende Ereignis bereits vor Rechtshängigkeit (Zustellung) eingetreten war, kommt keine Erledigung in Betracht, sondern nur die Klagerücknahme, wobei eine Erledigungserklärung in eine Rücknahme umgedeutet werden kann.
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Lag der Zeitpunkt der Erledigung sogar schon vor Anhängigkeit (Eingang) der Klage, muss der Kläger die Kosten des Rechtsstreits tragen (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
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Lag er zwischen Eingang und Zustellung der Klage, entscheidet das Gericht gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstand durch Beschluss. Hierbei gelten dieselben Grundsätze wie im Rahmen von § 91a ZPO. Allerdings gilt für die Wirksamkeit der Rücknahme wiederum § 269 Abs. 1 ZPO, so dass ggf. die Einwilligung des Beklagten erforderlich ist. Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Auslegung der Vorschriften, auch wenn die Regelung des Abs. 3 Satz 3 eher in § 91a ZPO gepasst hätte.
- Bsp.: Im Verhandlungstermin erklärt der Beklagte, dass er dem Kläger den mit der Klage begehrten Kaufpreis wie vereinbart überwiesen habe. Der Kläger prüft daraufhin sein Konto und stellt fest, dass der Beklagte Recht hat.
- Für den Fortgang des Prozesses ist zunächst zu prüfen, welche Folge diese Zahlung hat. Der Kläger hat mit der Klage einen Kaufpreiszahlungsanspruch nach § 433 Abs. 2 ZPO geltend gemacht. Dieser Anspruch könnte jedoch erloschen sein. In Betracht kommt hier allein die Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB. Hierzu müsste der Beklagte die geschuldete Leistung bewirkt haben. Eine Zahlungsverpflichtung ist bewirkt, wenn der Schuldner den Geldbetrag in das Vermögen des Gläubigers übertragen hat. Der geschuldete Betrag befindet sich auf dem Konto des Klägers. Die Parteien hatten auch eine Überweisung vereinbart. Damit hat der Beklagte die von ihm geschuldete Leistung bewirkt und der Klageanspruch ist durch Erfüllung erloschen.
Mit seiner Zahlungsklage kann der Kläger also keinen Erfolg mehr haben, so dass er auf die Erfüllung prozessual reagieren muss.
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Er könnte den Rechtsstreit für erledigt erklären. Würde sich der Beklagte anschließen, müsste das Gericht nur noch einen Kostenbeschluss erlassen (§ 91a Abs. 1 ZPO). Wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte, würde sich danach richten, wie der Rechtsstreit ohne die Zahlung ausgegangen wäre. Dabei können neben der Frage, wann das Geld auf dem Konto des Kläger eingegangen ist, insbesondere Verzugsgesichtspunkte eine Rolle spielen oder die Regelung des § 93 ZPO über das sofortige Anerkenntnis entsprechend herangezogen werden.
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Würde sich der Beklagte einer Erledigungserklärung nicht anschließen, käme es zu einer Änderung der Zahlungs- in eine Klage auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Hiermit hätte der Kläger nur dann Erfolg, wenn seine Zahlungsklage zulässig und begründet war, durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit aber unzulässig oder unbegründet geworden ist. Es kommt also entscheidend darauf an, zu welchem Zeitpunkt das Geld auf dem Konto des Klägers eingegangen ist. War das erst nach Rechtshängigkeit der Fall, läge ein Fall der Erledigung im Rechtssinne vor, ansonsten nicht, so dass der Kläger mit der Feststellungsklage unterliegen würde. In diesem Fall dürfte er also gar nicht erst die Erledigung erklären, sondern müsste die Klage zurücknehmen, wofür er ggf. die Einwilligung des Beklagten benötigt.
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War das Geld bereits bei Eingang der Klage auf dem Konto, müsste der Kläger die Kosten des Rechtsstreits tragen (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
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Ist es dagegen erst in dem Zeitraum zwischen Eingang und Zustellung eingegangen, würde das Gericht über die Kostentragung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO wiederum durch billiges Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes durch Beschluss entscheiden.
Prozessvergleich
Gemäß § 278 Abs. 1 ZPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein. Die gütliche Beilegung erfolgt in der Regel durch einen Prozessvergleich, der einen Vollstreckungstitel darstellt (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und den Prozess grundsätzlich beendet. Vergleichen sich die Parteien dagegen zwar während des Prozesses, aber ohne Mitwirkung des Gerichts (außergerichtlich), kann dies zu übereinstimmenden Erledigungserklärungen oder einer Klagerücknahme führen. Ein Titel liegt jedoch nur dann vor, wenn es sich um einen Anwaltsvergleich iSv § 796a Abs. 1 ZPO handelt, der auf Antrag einer Partei vom Prozessgericht für vollstreckbar erklärt werden kann (§ 796b ZPO).
- Abschluss des Prozessvergleichs
Vor dem erkennenden Gericht kommt ein Vergleichsschluss vor allem im Termin in Betracht. Nehmen die Parteien einen Vorschlag des Gerichts an, wird der Vergleich in das Sitzungsprotokoll diktiert (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dieses Diktat muss den Parteien vorgelesen bzw. vorgespielt und von ihnen genehmigt werden (§ 162 Abs. 1 ZPO). Auch dies ist im Protokoll zu vermerken (Satz 3, „v.u.g.“). Der Vergleich ist aber auch dann wirksam, wenn dieser Genehmigungsvermerk fehlt.
Ein Vergleich kann aber auch außerhalb eines Termins geschlossen werden, indem die Parteien dem Gericht übereinstimmend einen schriftlichen Vergleichsvorschlag machen oder das Gericht den Parteien einen solchen Vorschlag macht. Inhalt und Zustandekommen des Vergleichs werden durch Beschluss festgestellt (§ 278 Abs. 6 ZPO).
Darüber hinaus können sich die Parteien auch vor dem Güterichter vergleichen, an den sie das erkennende Gericht verwiesen hat (§ 278 Abs. 5 ZPO).
- Streit über die Gültigkeit eines Prozessvergleichs
Kommt es zwischen den Parteien zum Streit über die Gültigkeit des Prozessvergleichs, hängt das weitere Vorgehen davon ab, ob eine Partei die Nichtigkeit des Vergleichs geltend macht oder ob es um die nachträgliche Beseitigung der Wirkungen des Vergleichs geht.
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Soll der Vertrag nichtig sein, wird auf Antrag einer Partei das Verfahren fortgesetzt. Das Gericht prüft die Wirksamkeit des Vergleichs, und zwar in prozessualer und materieller Hinsicht (Doppelnatur). In materieller Hinsicht kommt es auf die allgemeinen Regeln zum Vertragsschluss an (beispielsweise Stellvertretung) sowie auf die Voraussetzungen des § 779 BGB. Ist der Vergleich unwirksam, lebt die ursprüngliche Klage wieder auf. Ist er wirksam, stellt das Gericht durch Urteil fest, dass das Verfahren durch den Vergleich wirksam beendet wurde.
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Macht eine Partei keine rechtshindernden, sondern rechtsvernichtende Einwendungen gegen den Vergleich geltend (Unmöglichkeit, Erfüllung, Störung der Geschäftsgrundlage), muss sie ein neues Verfahren durch Klageerhebung einleiten. In Betracht kommen eine Klage auf Feststellung der nachträglichen Ungültigkeit oder eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO.
- Grundstückskaufvertrag und Auflassung im Prozessvergleich
Ebenfalls examensrelevant ist die Konstellation, dass die Parteien in einem Prozessvergleich einen Grundstückskaufvertrag schließen und zugleich die Auflassung erklären.
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Der Grundstückskaufvertrag bedarf für seine Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 311b Satz 1 BGB). Gemäß § 127a BGB kann diese Beurkundung bei einem Prozessvergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt werden. Nach Auffassung des BGH gilt § 127a BGB auch für den Vergleichsbeschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO.
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Auch die Auflassung kann statt in einer notariellen Urkunde (§ 925 Satz 2 BGB) in einem Prozessvergleich erklärt werden (Satz 3). Allerdings ordnet Satz 1 hierfür die gleichzeitige Anwesenheit beider Parteien an. Eine Auflassung in einem Vergleichsbeschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO ist deshalb unwirksam.
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Die Unwirksamkeit der Auflassung in einem Vergleichsbeschluss hätte nach dem Abstraktionsprinzip nur dann Einfluss auf die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages, wenn ein Fall der Fehleridentität vorläge. Die gleichzeitige Anwesenheit beider Parteien ist jedoch nur für die Auflassung erforderlich. Deshalb bleiben die Parteien aus dem Grundstückskaufvertrag zur Abgabe der Auflassungserklärungen verpflichtet (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB).
BGH VI ZB 44/10
Instruktiv BGH I ZR 157/98.
zum Besitz bei Klage nach § 985 BGB BGH NJW 2014, 2199
Zu Aufrechnung und Verjährung BGH NJW 2010, 2422
BGH NJW 1999, 2806 (str.) /p>
BGH VII ZR 48/12
BGH NJW 2017, 1946
OLG Jena 3 W 452/14