Prozessvergleich

Aufbau der Prüfung - Prozessvergleich

In diesem Exkurs wird der Prozessvergleich behandelt. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur, er besteht aus zwei Komponenten: der prozessualen Wirksamkeit und der materiell-rechtlichen Wirksamkeit.

I. Prozessuale Wirksamkeit

Zunächst ist im Rahmen des Prozessvergleichs mithin die prozessuale Wirksamkeit zu prüfen. Diese wird auch formelle Wirksamkeit genannt und in vier Schritten geprüft: Abschluss vor einem deutschen Gericht oder einer deutschen Gütestelle, Streitverfahren anhängig, aber noch nicht abgeschlossen, Vorliegen der allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen und Einhaltung der Formvorschriften der §§ 160 ff. ZPO.

1. Abschluss vor einem deutschem Gericht/einer deutschen Gütestelle

Ein Prozessvergleich kann nur vor einem deutschen Gericht oder einer deutschen Gütestelle, nicht jedoch privat geschlossen werden. Das wäre ein Vergleich, aber eben kein Prozessvergleich. Dies erfordert somit übereinstimmende Prozesserklärungen, die vor Gericht abgegeben werden.

2. Streitverfahren anhänig, aber noch nicht abgeschlossen

Weiterhin muss das Streitverfahren anhängig sein, darf aber noch nicht abgeschlossen sein. Abgeschlossen ist das Verfahren, wenn ein Urteil ergeht. Anhängig ist es hingegen, wenn die Klage bei Gericht eingeht. Mithin kann ein Prozessvergleich zwischen Eingang bei Gericht und Urteil abgeschlossen werden. Sonst kann dies nur ein privater Vergleich sein, der natürlich auch schon vor Anhängigkeit der Klage und auch noch nach Urteilsverkündung geschlossen werden kann.

3. Vorliegen de allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen

Ferner müssen für die prozessuale Wirksamkeit des Prozessvergleichs die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen. Dies sind Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit und Postulationsfähigkeit. Die Postulationsfähigkeit erfordert bei dem Vorhaben,  einen Prozessvergleichs vor dem Landgericht zu schließen, dass die Betroffenen jeweils durch einen Anwalt vertreten sind, vgl. § 78 ZPO.

4. Einhaltung des Formvorschriften, §§ 160 ff. ZPO

Darüber hinaus müssen auch die Formvorschriften der §§ 160 ff. ZPO eingehalten werden. Das bedeutet, dass der Prozessvergleich ordnungsgemäß protokolliert sein muss. Insbesondere ist auf die Vorschriften §§ 160 III Nr. 1, 162 I ZPO zu achten. In aller Regel muss ein Prozessvergleich danach vorgelesen und genehmigt sein oder vorgespielt und genehmigt sein. Dies muss sich aus dem Protokoll vermerkt sein als „v.u.g.“. Ist dies nicht geschehen, fehlt es an der prozessualen Wirksamkeit.

Liegt eine der vorgenannten vier Voraussetzungen nicht vor, hat dies zur Folge, dass der Prozessvergleich prozessual unwirksam ist. Das gilt allerdings nur insoweit, dass ein materiell-rechtlicher Teil gegebenenfalls übrig bleiben kann. Daraus ergibt sich, dass der materiell-rechtliche Teil unter Umständen wirksam bleiben kann. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Gegebenenfalls wollen die Parteien, dass der Prozessvergleich als normaler Vergleich bestehen bleibt. Weitere Folge der prozessualen Unwirksamkeit ist, dass das anhängige Streitverfahren nicht beendet und daher fortzusetzen ist.

II. Materiell-rechtliche Wirksamkeit

Sodann ist das Vorliegen der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Prozessvergleichs zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt in vier Schritten: Einigung gemäß den §§ 145 ff. BGB, Wirksamkeit der Einigung, Voraussetzungen des § 779 BGB, kein Widerruf, keine Anfechtung und kein Rücktritt.

1. Einigung, §§ 145 ff. BGB

Der Prozessvergleich ist ein Vertrag, weshalb auch die Voraussetzungen der §§ 145 ff. BGB, Angebot und Annahme, vorliegen müssen.

2. Wirksamkeit der Einigung

Diese Einigung muss auch wirksam sein. Beispiele für die Unwirksamkeit einer Einigung sind die §§ 104 ff., 134, 138 BGB. Die Formvorschriften, vgl. § 125 BGB, werden durch die gerichtliche Protokollierung in aller Regel ersetzt. Der Prozessvergleich ist zwar ein Vertrag.

3. Voraussetzungen des § 779 BGB

Im Unterschied zum normalen Vertrag müssen jedoch auch die zwei Voraussetzungen des § 779 BGB gegeben sein: Streit oder Ungewissheit und Beseitigung durch gegenseitiges Nachgeben.

4. Nichtvorliegen von Widerruf, Anfechtung, Rücktritt

Zuletzt dürfen weder ein Widerruf, noch eine Anfechtung oder ein Rücktritt vorliegen. Es darf insoweit zunächst kein wirksamer Widerruf vorliegen. Bei einem Prozessvergleich kann ein Widerrufsvorbehalt vereinbart sein. Liegt ein wirksamer Widerruf vor, so führt dies zur materiell-rechtlichen Unwirksamkeit des Prozessvergleich. Darüber hinaus darf auch keine Anfechtung nach den §§ 119, 123 BGB gegeben sein, auch dann wäre der Prozessvergleich materiell-rechtlich unwirksam. Gleiches gilt bei Eintritt einer vereinbarten auflösenden Bedingung oder feststeht, dass eine aufschiebende Bedingung endgültig nicht eintreten kann, vgl. § 158 BGB. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass ein vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht ausgeübt wird. Auch dann tritt die materiell-rechtliche Unwirksamkeit des Prozessvergleichs ein.

Folge des Fehlens einer dieser vier Voraussetzungen ist, dass der Prozessvergleich insgesamt unwirksam ist. Daraus folgt, dass das anhängige Streitverfahren nicht beendet und daher fortzusetzen ist.

Beachte: Ist der Prozessvergleich wegen Vorliegen der formellen und materiellen Voraussetzungen wirksam, beendet er den Rechtsstreit. Dies bedeutet, dass ein Rückgriff auf die alte Rechtslage verboten ist. Des Weiteren ist der Prozessvergleich nach § 794 I Nr. 1 ZPO ein Vollstreckungstitel.Insoweit steht der Prozessvergleich einem Urteil gleich. Anders als ein Urteil erwächst der Prozessvergleich allerdings nicht in Rechtskraft. 

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