Prozessualer Tatbegriff i.S.d. § 264 StPO
Überblick - Prozessualer Tatbegriff i.S.d. § 264 StPO
In der StPO findet ein gesonderter prozessualer Tatbegriff Anwendung, der von dem Tatbegriff des materiellen Strafrechts zu unterscheiden ist. Ein solcher gesonderter prozessualer Tatbegriff ist in § 264 StPO normiert. Unter einer Tat im prozessualen Sinne versteht man den einheitlichen, geschichtlichen Lebensvorgang, dessen Aufspaltung künstlich erschiene. Ein prozessualer Tatbegriff i.S.d. § 264 StPO kann in drei Bereichen eine Rolle spielen.
I. Einstellung, §§ 153 ff., 170 II StPO
Zum einen kann ein prozessualer Tatbegriff im Rahmen der Einstellung nach den §§ 153 ff., 170 II StPO auftauchen.
II. Strafklageverbrauch, Art. 103 III GG
Ebenfalls kann ein prozessualer Tatbegriff beim Strafklageverbrauch (nebis in idem) eine Rolle speilen, vgl. Art. 103 III GG.
III. Nachtragsanklage und rechtlicher Hinweis, §§ 265, 266 StPO
Zuletzt kann ein prozessualer Tatbegriff auch für die Nachtragsanklage und den rechtlichen Hinweis relevant sein, vgl. §§ 266, 265 StPO.
IV. Beachte
Der materiell-rechtliche Tatbegriff, den man aus den Konkurrenzen kennt (§§ 52, 53 StGB), ist ein anderer als der prozessuale Tatbegriff. Allerdings ist er weitgehend identisch. Liegt materiell-rechtlich eine Tat vor, wird üblicherweise auch prozessual eine Tat vorliegen. Sind materiell-rechtlich zwei Taten gegeben, liegen regelmäßig auch prozessual zwei Taten vor. Es existieren jedoch auch Fälle, in denen ein prozessualer Tatbegriff und der materiell-rechtliche Tatbegriff auseinander fallen. Beispiel BGH-Fall: Jemand baut einen Unfall, fährt fahrlässig eine Person zu Tode und entfernt sich anschließend vom Unfallort. Materiell-rechtlich ist das eine Strafe nach den §§ 222, 142, 53 StGB, da der Unfall eine Zäsur darstellt und somit zwei materiell-rechtliche Taten vorliegen. Nach der weiten Definition des prozessualen Tatbegriffs ist dies jedoch eine Geschichte, ein Lebenssachverhalt und stellt damit eine prozessuale Tat dar.