Prozessaufrechnung

Exkurs ZPO I 13: Prozessaufrechnung und Widerklage

Hat der Beklagte gegen den Kläger eine eigene Forderung (Gegenforderung), kann er diese auf unterschiedliche Weise in den Prozess einführen. Handelt es sich bei Klage- und Gegenforderung um Zahlungsansprüche, kommt vor allem eine Aufrechnung in Betracht. Ansonsten kann der Beklagte seinen Anspruch auch mit einer eigenen Klage im laufenden Prozess geltend machen (Widerklage). Darüber hinaus kann er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, das allerdings nicht zur Abweisung der Klage, sondern lediglich zur Zug-um-Zug-Verurteilung führt (§§ 274 Abs. 1, 322 Abs. 1, 348 BGB).

Aufrechnung

Bei der Aufrechnung kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Beklagte sie erklärt.

- Vorprozessuale Aufrechnung

Hat er bereits vor Prozessbeginn wirksam aufgerechnet, war die Klageforderung schon bei Klageerhebung erloschen (§ 389 BGB). Diesen Umstand kann der Beklagte als Einwendung im Prozess geltend machen.

- Prozessaufrechnung

Erklärt der Beklagte die Aufrechnung erst im Laufe des Prozesses, müssen neben den materiellen auch die prozessualen Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen (Doppelnatur). Hier kommt es darauf an, ob die Aufrechnung das einzige Verteidigungsmittel des Beklagten darstellt oder ob er weitere geltend macht. Im ersten Fall spricht man von einer Primäraufrechnung, im zweiten von einer Eventual- bzw. Hilfsaufrechnung.

Die Hilfsaufrechnung steht dabei unter der Bedingung, dass der Beklagte mit seinen weiteren Verteidigungsmitteln keinen Erfolg hat. Das ist zulässig, da es sich um eine innerprozessuale Bedingung handelt, deren Eintritt das Gericht selbst feststellen kann. Im Gegensatz zur Primäraufrechnung darf sich das Gericht erst dann mit der Gegenforderung befassen, wenn es die sämtlichen weiteren Verteidigungsmittel des Beklagten geprüft und für unerheblich gehalten hat. Andernfalls würde die Gefahr bestehen, dass der Beklagte seine Gegenforderung verliert, obwohl er sie für seinen Prozesserfolg gar nicht benötigte.

Widerklage

Die Widerklage des Beklagten kann Leistungs-, Feststellungs- oder Gestaltungsklage sein. Sie unterscheidet sich im Grunde nicht von der Klage des Klägers, weist aber dennoch einige Besonderheiten auf, die daraus resultieren, dass sie in einem laufenden Prozess des Klägers erhoben wird.

  • Erhebung der Widerklage

Gemäß § 261 Abs. 2 ZPO kann die Widerklage nicht nur durch Zustellung eines Schriftsatzes erhoben werden, sondern auch durch Antragstellung in einer mündlichen Verhandlung. Allerdings muss bei Erhebung der Widerklage die Klage noch rechtshängig sein. Ein späterer Wegfall der Rechtshängigkeit ist dagegen unerheblich.

  • Zuständigkeit des Gerichts der Klage

Das Gericht der Klage muss für die Widerklage örtlich und sachlich zuständig sein.

  • Folgt die örtliche Zuständigkeit nicht bereits aus anderen Vorschriften, kann sie sich aus § 33 ZPO ergeben. Hierzu muss ein rechtlicher Zusammenhang (Konnexität) zur Klage oder einem sonstigen Verteidigungsmittel des Beklagten bestehen. Ersteres kommt bspw. in Betracht, wenn Klage und Widerklage auf demselben Vertrag gründen, letzteres, wenn der Beklagte mit einer Gegenforderung hilfsweise die Aufrechnung erklärt und den die Klage übersteigenden Teil der Forderung mit der Widerklage geltend macht.

  • Wird vor dem Amtsgericht eine Widerklage erhoben, deren Wert 5.000,00 Euro übersteigt, verweist das Gericht den gesamten Rechtsstreit auf Antrag einer Partei an das Landgericht (§ 506 ZPO). Dagegen ist das Landgericht auch für eine Widerklage mit einem Wert bis 5.000,00 Euro zuständig.

  • Konnexität keine allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung

Der BGH hat jedenfalls für die Drittwiderklage entschieden, dass in Bezug auf den Dritten ein rechtlicher Zusammenhang mit der Klage bestehen müsse. Für die Widerklage, die sich nur gegen den Kläger richtet, besteht ein solches Erfordernis nicht. Unabhängig davon stellt § 33 ZPO lediglich eine Zuständigkeitsnorm dar. Dies folgt bereits aus seinem Wortlaut und der systematischen Stellung. Darüber hinaus regelt § 145 Abs. 2 ZPO den Fall der nicht konnexen Widerklage dahin, dass über Klage und Widerklage in getrennten Verfahren zu entscheiden ist.

- Parteierweiternde Drittwiderklage

Eine Widerklage, die sich gegen den Kläger und einen bislang am Prozess nicht beteiligten Dritten richtet, ist unter den folgenden Voraussetzungen gegenüber dem Dritten wirksam:

  • Sie muss unbedingt erhoben werden.

  • Sie muss in einem Schriftsatz erhoben werden.

  • Kläger und Dritter müssen Streitgenossen nach §§ 59, 60 ZPO sein.

  • Sie muss mit der Klage in einem rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 33 ZPO, str.).

  • Es müssen die Voraussetzungen einer Parteiänderung vorliegen, also entweder die Einwilligung des Dritten oder die Sachdienlichkeit der Klageerhebung als Widerklage (§ 263 ZPO analog, str.).

Richtet sich die Widerklage dagegen nur gegen einen Dritten (isolierte Drittwiderklage), ist sie grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Gegenstände von Klage und Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und schutzwürdige Interessen des Drittwiderbeklagten nicht verletzt werden. Die Rechtsprechung nimmt das vor allem dann in solchen Konstellationen an, in denen der Kläger aus abgetretenem Recht des Drittwiderbeklagten vorgeht.


  1. BGH II ZR 77/61; V ZR 148/73

  2. BGH Xa ARZ 191/10

  3. Zu den Ausnahmen BGH NJW 2014, 1670.