Prozessaufrechnung, § 322 II ZPO (Überblick)
Überblick - Prozessaufrechnung, § 322 II ZPO
In diesem Exkurs wird die Prozessaufrechnung gemäß § 322 II ZPO erörtert.
I. "Doppelnatur"
Die Prozessaufrechnung hat eine Doppelnatur. Zunächst ist die Prozessaufrechnung eine Prozesshandlung. Darüber hinaus entfaltet sie auch materiell-rechtliche Wirkung, da sie nach § 389 BGB einen Erlöschensgrund darstellt. Beispiel: A verklagt B auf Zahlung von 10.000 Euro. B verteidigt sich gegen die Klage mit einer Hilfsaufrechnung. Dies bedeutet, dass B zunächst andere Argumente gegen die Klage anführt, jedoch für den Fall, dass diese Argumente nicht durchgreifen, hilfsweise die Aufrechnung mit Gegenforderungen in Höhe von 10.000 Euro erklärt. Die Erklärung der Hilfsaufrechnung ist eine Prozesshandlung. Geht die Hilfsaufrechnung zudem durch, führt sie materiell-rechtlich zum Erlöschen der Klageforderung.
II. Arten der Prozessaufrechnung
Es ist zwischen mehreren Arten der Prozessaufrechnung zu differenzieren. Von der Prozessaufrechnung abzugrenzen ist die vorprozessuale Aufrechnung.
1. Hilfsaufrechnung (bedingte Aufrechnung)
Zu den Arten der Prozessaufrechnung gehört zunächst die Hilfsaufrechnung, die auch bedingte Aufrechnung genannt wird. In diesem klausurtypischen Fall verteidigt sich der Beklagte primär mit anderen Einwendungen und nur hilfsweise, für den Fall der Erfolglosigkeit der anderen Einwendungen, mit der Hilfsaufrechnung. Beispiel: Der Beklagte führt an, dass die Klage unbegründet sei, da bereits Verjährung eingetreten sei. Für den Fall, dass die Verjährungseinrede nicht greift und die Klage begründet ist, erklärt er hilfsweise die Aufrechnung. Wird über die Hilfsaufrechnung entschieden, so erwächst die Entscheidung über die Hilfsaufrechnung in Rechtskraft. In diesem Fall ist die Hilfsaufrechnung verbraucht. Sie kann nicht noch einmal an anderer Stelle erklärt werden, vgl. § 322 II ZPO. Mit der Entscheidung über die Hilfsaufrechnung erhöht sich der Gebührenstreitwert gemäß § 45 III GKG. Bei einer erfolgreichen Hilfsaufrechnung kommt es in der Kostenentscheidung zu einer Quotenbildung. Beispiel: A verklagt B auf Zahlung von 10.000 Euro. B erklärt hilfsweise die Aufrechnung in Höhe von 10.000 Euro. Die Klage ist begründet, jedoch geht auch die Hilfsaufrechnung durch. Die Klage wird dann zwar abgewiesen, allerdings haben beide Parteien in Höhe von jeweils 10.000 gewonnen und verloren. Deshalb werden die Kosten zur Hälfte geteilt oder es kommt zur Kostenaufhebung.
2. Hauptaufrechnung (Primäraufrechnung)
Neben der Hilfsaufrechnung gehört auch die Hauptaufrechnung zur Prozessaufrechnung. Die Hauptaufrechnung wird auch Primäraufrechnung genannt. In diesem Fall vereidigt sich der Beklagte einzig und allein mit der Aufrechnung. Soweit über diese Hauptaufrechnung entschieden wird, hat dies zur Folge, dass auch diese Entscheidung in Rechtskraft erwächst, vgl. § 322 II ZPO. Bei erfolgreicher Hauptaufrechnung trägt der Kläger vollständig die Kosten. Dies ist ein Unterschied zur Hilfsaufrechnung.
Von der Hilfsaufrechnung und der Hauptaufrechnung ist die vorprozessuale Aufrechnung abzugrenzen. Hierbei wurde die Aufrechnung bereits vor dem Prozess erklärt. Die vorprozessuale Aufrechnung stellt ein materiell-rechtliches Verteidigungsmittel in Form eines Erlöschensgrundes gemäß § 389 BGB dar. Im Falle der außergerichtliche Aufrechnung erhöht sich der Gebührenstreitwert nicht.