Problem - Unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts

Problem – Unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts

Im Rahmen der Rechtsakte der EU kann sich die unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts als Problem stellen. Dies betrifft die Frage, ob eine unmittelbar Anwendbarkeit des Primärrechts gegeben ist oder ob der nationale Rechtsanwender sich vor Anwendung und Auslegung des Primärrechts an eine Stelle auf europäischer Ebene wenden muss.

I. Voraussetzung

Voraussetzung für eine unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts ist, dass die betreffenden Vorschriften hinreichend bestimmt sind. Dies ist dann der Fall, wenn sie „self-executing“ sind. Es darf somit kein weiterer Vollzugsakt erforderlich sein. Dies bedeutet, dass die unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts sich nach der jeweiligen Norm richtet.

II. Art. 107 AEUV

Beispiel 1: Art. 107 AEUV. Diese Norm betrifft Regelungen über Beihilfen und deren Zulässigkeit. Fraglich ist, ob hier eine unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts greift. Laut EuGH sind diese Regelungen nicht hinreichend bestimmt. Wenn ein nationaler Rechtsanwender überlegt, ob er eine Beihilfe gewähren kann, dann darf der Rechtsanwender dies nicht selbst subsumieren. Dies folgt aus Art. 107 II, III AEUV. Denn bei der Frage, ob eine Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist, gibt es Ausnahmen, insbesondere Ermessensausnahmen, die eine Subsumtion erforderlich machen. Diese muss nach Art. 108 III AEUV die Kommission durchführen. Dürfte jeder Mitgleidstaat selbst subsumieren, ob eine nationale Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist, würde die Antwort immer „Ja“ lauten.  Daher ist bezüglich dieser Norm eine unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts zu verneinen.

III. Art. 108 III AEUV

Beispiel 2: Art. 108 III AEUV. Dieser regelt die Notifizierungspflicht, also Pflicht des Mitgliedsstaats, der Kommission Bescheid zu geben, bevor er eine nationale Beihilfe auszahlt. Diese Vorschrift wird als hinreichend bestimmt erachtet, sie bedarf mithin keiner weiteren Konkretisierung. In diesem Fall ist eine unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts folglich zu bejahen.

IV. Art. 28 ff. AEUV

Beispiel 3: Die Grundfreiheiten der Art. 28 ff. AEUV. Auch die Grundfreiheiten werden als hinreichend bestimmt angesehen, sodass in diesen Fällen eine unmittelbare Anwendbarkeit des Primärrechts gegeben ist.

 

Schlagwörter und verwandte Lerneinheiten