Problem - Rechtsfolge beim Scheinkaufmann

Problem – Rechtsfolge beim Scheinkaufmann

Im Rahmen der Kaufleute kann sich das Problem der Rechtsfolge beim Scheinkaufmann stellen. Fraglich ist somit, welche Rechtsfolge an den Scheinkaufmann geknüpft wird. Scheinkaufmann ist derjenige, der einen zurechenbaren Rechtsschein setzt, er sei Kaufmann, und der Dritte darauf vertraut. Es stellt sich die Frage, was die genaue Rechtsfolge dieses Instituts ist. Beispiel: A bestellt regelmäßig Pizzabedarf bei B. Es liegen lauter offene Forderungen vor. A verkauft aus seinem geöffneten Küchenfenster Pizza an Passanten und erzielt dabei einen Jahresumsatz von 10.000 Euro. Dennoch verwendet A Briefpapier mit dem Briefkopf „e.K.“ (eingetragener Kaufmann), um Eindruck zu schinden. Nun wird es B zu bunt. Daher erkennt A gegenüber B seine Schulden i.H.v. 1.000 Euro an. Dies geschieht mündlich. A weist hierbei ausdrücklich auf seine Kaufmannseigenschaft hin, um sich später auf die Formunwirksamkeit berufen zu können und nicht aus § 781 BGB zahlen zu müssen. B möchte nun aus dem Schuldanerkenntnis vorgehen. In dieser Anspruchsprüfung wird sich die Frage stellen, welche Rechtsfolge beim Scheinkaufmann eintritt.

B könnte gegen A einen Anspruch aus Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB haben.

I. Anspruch entstanden

1. Einigung

Die Entstehung dieses Anspruch setzt zunächst voraus, dass eine wirksame Einigung vorliegt. Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich A und B mit dem Inhalt eines Schuldanerkenntnisses geeinigt haben.

2. Wirksamkeit

Fraglich ist jedoch, ob diese Einigung auch wirksam ist, da das Schuldanerkenntnis mündlich erfolgt ist. Das könnte zur Formunwirksamkeit nach § 125 S. 1 BGB führen.

a) Verstoß

§ 125 S. 1 BGB setzt zunächst einen Verstoß gegen eine gesetzliche Formvorschrift sein. Dies könnte § 781 BGB selbst sein, der vorsieht, dass die Anerkenntniserklärung schriftlich erfolgen muss. Allerdings enthält § 350 HGB eine Sonderregel für Kaufleute. Danach reicht es auch, dass das Anerkenntnis mündlich abgegeben wird, wenn das Schuldanerkenntnis auf Seiten des Schuldanerkennenden ein Handelsgeschäft ist.

aa) § 1 HGB

A müsste somit Kaufmann sein. Dies wäre gemäß § 1 HGB dann der Fall, wenn A ein Handelsgewerbe betriebe. Aufgrund des geringen Jahresumsatzes ist hinsichtlich des Umfangs ein kaufmännisch eingerichteter Gewerbebetrieb jedoch nicht erforderlich, sodass A nicht Ist-Kaufmann ist.

bb) §§ 2, 3 HGB

Weiterhin setzen sowohl die Vorschriften über den Kann-Kaufmann nach den §§ 2, 3 HGB als auch der Fiktiv-Kaufmann nach § 5 HGB eine Handelsregistereintragung voraus.

cc) § 5 HGB

dd) § 6 HGB

Ferner betreibt A sein Gewerbe auch nicht in der Form einer Handelsgesellschaft i.S.d. § 6 HGB.

ee) Scheinkaufmann, § 242 BGB

A könnte jedoch Scheinkaufmann sein.

(1) Voraussetzungen

Wie oben bereits dargestellt, ist Scheinkaufmann derjenige, der einen zurechenbaren Rechtsschein setzt, er sei Kaufmann, und der Dritte darauf vertraut.

(a) Zurechenbarer Rechtsschein

Hier hat A durch die Verwendung des Briefkopfes „e.K.“ einen solchen zurechenbaren Rechtsschein gesetzt.

(b) Gutgläubigkeit

Darüber hinaus hat B auch auf die Kaufmannseigenschaft des A vertraut.

(2) Rechtsfolge

An dieser Stelle stellt sich die Frage der Rechtsfolge beim Scheinkaufmann. Strittig ist insofern, ob die Rechtsfolge beim Scheinkaufmann zur Anwendung aller Vorschriften des HGB führt, oder ob beim Scheinkaufmann dahingehende Einschränkungen zu erfolgen haben.

(a) Eine Ansicht

Eine Ansicht geht davon aus, dass Rechtsfolge beim Scheinkaufmann sei, dass das HGB anwendbar sei. Mithin würden die Vorschriften des BGB verdrängt. Als Argument für diese Rechtsfolge beim Scheinkaufmann wird der Verkehrsschutz angeführt. Verhalte sich jemand so, als sei er Kaufmann, müsse er dies bei Gutgläubigkeit des Dritten in vollem Umfang gegen sich gelten lassen, obwohl er nur Scheinkaufmann sei.

(b) Andere Ansicht (h.M.)

Die herrschende Meinung geht hingegen davon aus, dass das HGB, soweit ein Scheinkaufmann vorliegt, als Rechtsfolge nur teilweise anwendbar sei. In Teilen gelte auch das BGB. Begründet wird diese Rechtsfolge beim Scheinkaufmann mit der Systematik bzw. dem Sinn und Zweck. Wenn man die Formvorschriften des BGB nicht einmal vertraglich abbedingen könne, könnten diese auch nicht im Wege des Rechtsscheins abbedungen werden. Denn dadurch würde der Schutzzweck dieser Norm umgangen. Formvorschriften dienten gerade dem Warn- und Hinweiszweck. Sei jemand nicht Kaufmann, sondern nur Scheinkaufmann, sei er nach wie vor schützenswert. Nach der herrschenden Meinung gelten als Rechtsfolge beim Scheinkaufmann solche Vorschriften des HGB nicht, die Ausnahmen von zwingenden Vorschriften des BGB regeln.
Vorliegend stellt § 350 HGB eine Ausnahme von § 781 BGB dar. Dies betrifft Formvorschriften. Formvorschriften sind jedoch nach allgemeinem Verständnis unabdingbar, stellen also zwingendes Recht dar. Folgt man der herrschenden Meinung, gilt als Rechtsfolge beim Scheinkaufmann § 781 BGB, sodass ein Verstoß gegen eine gesetzliche Formvorschrift vorliegt.

b) Heilung

§ 781 BGB sieht zudem keine Heilungsmöglichkeit vor.

c) § 242 BGB

Allerdings kann es im Einzelfall gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn sich jemand auf die Formunwirksamkeit beruft. Hieran sind hohe Anforderungen zu stellen. Unter anderem liegt dann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn eine gezielte Täuschung über die Formbedürftigkeit erfolgt, um sich später auf die Formunwirksamkeit berufen zu können. Hier ist der A gezielt als Kaufmann gegenüber B aufgetreten, um sich später auf die Formunwirksamkeit des Schuldanerkenntnisses berufen zu können. Trotz der Mündlichkeit ist das Schuldanerkenntnis wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben wirksam. Somit kommt auch die herrschende Meinung beim Scheinkaufmann zumindest in diesen Fällen zur Gültigkeit des Rechtsgeschäfts.

II. Anspruch nicht erloschen

III. Anspruch durchsetzbar

Da der Anspruch auch nicht erloschen und durchsetzbar ist, hat B gegen A einen Anspruch auf Zahlung von 1.000 Euro aus Schuldanerkenntnis.

 

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