Problem - Gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts

Problem – Gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts

Im Rahmen des gesetzlichen Pfandrechts kann sich die Frage stellen, ob ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts möglich ist. § 1257 BGB verweist auf § 1207 BGB, der wiederum auf die §§ 932 ff. BGB verweist. Daher könnte man denken, dass ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts möglich ist. Beispiel: A verkauft dem B unter Eigentumsvorbehalt eine Eismaschine. Es wird vereinbart, dass, wenn die Eismaschine kaputt geht, der B diese auf eigene Rechnung reparieren lassen soll. Dieser Fall tritt ein. B gibt die Eismaschine bei C in Reparatur. C repariert die Eismaschine im Gegenwert von 1.000 Euro. Jedoch kann B die Reparaturkosten nicht zahlen, ebenso wenig wie die Kaufpreisraten, sodass A vom Kaufvertrag unter Eigentumsvorbehalt zurücktritt, §§ 449 II, 323, 346 I BGB. Nach dem Rücktritt verlangt A von C die Herausgabe gemäß § 985 BGB.

I. Besitz des C

Dies setzt zunächst eine Vindikationslage voraus. Hier ist C unmittelbarer Besitzer der Eismaschine.

II. Eigentum des A

A war ursprünglich Eigentümer und hat das Eigentum weder an B noch an C verloren. B hat das Eigentum nicht erworben, da die Übereignung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung stand und die Bedingung nicht eingetreten ist. Auch C hat das Eigentum weder rechtsgeschäftlich noch gesetzlich erworben. Insbesondere hat keine relevante Verarbeitung stattgefunden.

III. Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB

Weiterhin dürfte C kein Recht zum Besitz haben.

1. § 986 I 1 1. Fall BGB

Hier kommt zunächst ein eigenes Besitzrecht gemäß § 986 I 1 1. Fall BGB in Gestalt eines Werkunternehmerpfandrechts in Betracht. Jedoch setzt § 647 BGB voraus, dass es sich um eine Sache des Bestellers handeln muss. Hier war B jedoch nicht Eigentümer der Eismaschine.

a) "Verpflichtungsermächtigung", § 185 I BGB analog

Es könnte jedoch eine Verpflichtungsermächtigung gemäß § 185 I BGB analog vorliegen, da vorgesehen war, dass B die Maschine auf eigene Rechnung reparieren lässt. Dies würde bedeuten, dass der A den B dazu ermächtig hat, den A zu verpflichten. Allerdings wäre dies ein Verstoß gegen das Offenkundigkeitsprinzip im Stellvertretungsrecht. B hätte A somit nur verpflichten können, wenn er in dessen Namen gehandelt hätte.

b) "Verfügungsermächtigung", § 185 I BGB analog

Das Problem könnte jedoch über die Figur der Verfügungsermächtigung gelöst werden, vgl. § 185 I BGB analog. Danach würde A den B ermächtigen, Dinge zu tun, die typischerweise zur Entstehung eines gesetzlichen Pfandrechts führen. Auch hier läge eine Verstoß gegen das Offenkundigkeitsprinzip vor. Zudem entspricht es auch nicht dem Willen des A, selbst Besteller zu werden.

c) Gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts, §§ 1257, 1207, 932 ff. BGB

Eventuell kann allerdings ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts Abhilfe schaffen. Hier könnte somit ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts vom Nichtberechtigten in Gestalt eines Werkunternehmerpfandrechts stattgefunden haben. Dann könnte C dem A ein Recht zum Besitz entgegenhalten. Ein solcher gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts würde sich nach den §§ 1257, 1207, 932 ff. BGB richten. Allerdings ist es umstritten, ob ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts möglich ist.

aa) Eine Ansicht

Eine Ansicht geht davon aus, dass ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts möglich sei. Dies wird mit dem Schutz des Werkunternehmers begründet. Wenn A von C die Maschine herausverlange und diese repariert sei, müsse dies ins Gewicht fallen. Daher müsse ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts den Schutz des Werkunternehmers garantieren.

bb) Andere Ansicht (h.M.)

Die herrschende Meinung ist hingegen der Auffassung, dass ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts nicht möglich ist und führt als Argument den Wortlaut des § 1257 BGB an. Dort steht, dass für ein bereits entstandenes Pfandrecht die §§ 1207 ff. BGB gelten sollten. Vorliegend sei das gesetzliche Pfandrecht jedoch noch nicht entstanden, vielmehr solle es zur Entstehung gebracht werden. Außerdem sei ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts gemäß § 366 III HGB für diese Fälle ausgeschlossen. Dort sei ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts in bestimmten Fällen für Kaufleute vorgesehen. Im Umkehrschluss müsse in den übrigen Fällen für Normalsterbliche gelten, dass ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts nicht möglich sei.

2. § 986 I 1 2. Fall BGB

Schließt man sich der herrschenden Meinung an und geht davon aus, dass ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit eines abgeleiteten Besitzrechts gemäß § 986 I 1 2. Fall BGB. Ursprünglich bestand ein abgeleitetes Besitzrecht, da B gegenüber A aus dem Kaufvertrag unter Eigentumsvorbehalt ein Recht zum Besitz hatte, sowie C gegenüber B aus dem Werkvertrag ein Recht zum Besitz hatte und A im Übrigen wollte, dass B die Maschine auf eigene Rechnung reparieren lässt. Nach dem Rücktritt riss jedoch der Faden, denn ab diesem Zeitpunkt hatte der B kein Recht mehr zum Besitz und C daher auch kein abgeleitetes Besitzrecht.

IV. Keine Einrede

C könnte jedoch die Einrede eines Zurückbehaltungsrechts nach den §§ 1000, 994 BGB zustehen. Dieser EBV-Anspruch gerichtet auf Verwendungsersatz wird überwiegend bejaht, obwohl eigentlich gilt, dass die Vindikationslage zum Zeitpunkt der Verwendung vorgelegen haben muss. Zu diesem Zeitpunkt, war A noch nicht zurückgetreten, ein abgeleitetes Besitzrecht bestand somit noch. Erst nach dem Rücktritt besteht die Vindikationslage. Die herrschende Meinung setzt sich über die Unstimmigkeiten hinweg und schützt an dieser Stelle den Werkunternehmer. C kann dem Anspruch des A somit einredeweise die getätigten Verwendungen i.H.v. 1.000 Euro entgegenhalten, sodass A Herausgabe nur Zug um Zug gegen Ersatz der Verwendungen verlangen kann.

 

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