Problem - Erlaubnistatbestandsirrtum

Problem – Erlaubnistatbestandsirrtum

Der Erlaubnistatbestandsirrtum wird auch als Rechtfertigungssachverhaltsirrtum bezeichnet. Bei dem Erlaubnistatbestandsirrtum handelt es sich um eines der größeren Probleme des Strafrechts. Beispiel: Der A sieht nach Jahren seinen alten Freund B wieder, erkennt ihn jedoch nicht. B kommt freudestrahlend auf den A zugestürzt, um ihn zu umarmen. A denkt, er werde von dem B angegriffen und verteidigt sich. Es ist eine Körperverletzung zu prüfen. Da eine Notwehrlage schon objektiv nicht vorliegt, ist die Irrtumsproblematik zu erörtern. Im Erlaubnistatbestandsirrtum gibt es die Möglichkeit, eine ausführliche oder eine klausurpraktische kurze Darstellung vorzunehmen. In beiden Varianten müssen zunächst die Voraussetzungen und dann die Rechtsfolge thematisiert werden.

A. Ausführliche Version

I. Voraussetzungen

Der Erlaubnistatbestandsirrtum setzt voraus, dass der Täter sich Umstände vorstellt, bei deren Vorliegen sein Handeln gerechtfertigt wäre.

II. Rechtsfolge

Streitig ist jedoch die Rechtsfolge des Erlaubnistatbestandsirrtums. Hier werden fünf Auffassungen vertreten.

1. Vorsatztheorie

Die Vorsatztheorie behandelt den Erlaubnistatbestandsirrtum wie folgt: Nach dieser Ansicht gehört das Unrechtsbewusstsein zum Vorsatz. Das wiederum bedeutet, dass nach dieser Auffassung § 16 I 1 StGB zur Anwendung kommt und somit aufgrund eines Tatbestandsirrtums der Tatbestandsvorsatz entfällt.

2. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen

Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen geht hingegen von einem zweistufigen Aufbau, Tatbestand und Schuld, aus und führt an, dass Rechtfertigungsgründe negative Tatbestandsmerkmale seien. Als Folge löst sie den Erlaubnistatbestandsirrtum auch über § 16 I 1 StGB, was den Tatbestandsvorsatz entfallen lässt.

3. Unrechtstheorie

Die sogenannte Unrechtstheorie bzw. Lehre vom Ausschluss des Vorsatzunrechts nimmt an, dass der Täter keinen Vorsatz im Hinblick auf das verwirklichte Unrecht habe. Das Vorsatzunrecht fehle somit. Der Erlaubnistatbestandsirrtum wird mithin gemäß § 16 I 1 StGB analog bewertet. Die Analogie folgt daraus, dass § 16 StGB nur den Vorsatz bezüglich der tatbestandlichen Merkmale erfasst, nicht jedoch das Vorsatzunrecht, welches folglich die Rechtswidrigkeit entfallen lässt.

4. Eingeschränkte Schuldtheorie

Die Rechtsprechung vertritt die sogenannte eingeschränkte Schuldtheorie. Diese besagt, dass bei Sachverhaltsirrtümern, wie dem Erlaubnistatbestandsirrtum, das Unrechtsbewusstsein entfalle, welches ein Teil der Schuld darstelle. Auch diese Theorie wendet daher  § 16 I 1  StGB analog an, welcher die Vorsatzschuld entfallen lässt.

5. Strenge Schuldtheorie

Zuletzt behandelt die strenge Schuldtheorie den Erlaubnistatbestandsirrtum als einen Irrtum über Rechtfertigungsgründe, welcher immer als Verbotsirrtum zu behandeln ist. Hiernach kommt § 17 StGB zur Anwendung. Nach dieser Norm entfällt die Schuld nur, wenn der Irrtum unvermeidbar war. Dies ist in der Regel nicht der Fall.

B. Kurze Version

I. Voraussetzungen

II. Rechtsfolge

Wird der Erlaubnistatbestandsirrtum hingegen in einer kurzen Version dargestellt, ist - nach dessen Voraussetzungen – die Rechtsfolge wie folgt zu prüfen: Entweder kann der Erlaubnistatbestandsirrtum über § 16 I 1 StGB (analog) behandelt werden. Argument hierfür ist die Qualifikation des Erlaubnistatbestandsirrtums als Sachverhaltsirrtum, da der Täter sich in tatsächlicher Hinsicht irrt. Dies lässt den Vorsatz (Tatbestandsvorsatz, Vorsatzunrecht bzw. Vorsatzschuld) entfallen. Oder es erfolgt eine Lösung über § 17 StGB. Hier ist die Vermeidbarkeit des Irrtums zu prüfen. Als Argument hierfür wird angeführt, der Erlaubnistatbestandsirrtum sei ein Irrtum über Rechtfertigungsgründe und dieser sei immer im Rahmen des § 17 StGB zu lösen. Für den Beispielsfall ergibt sich somit, dass eine Lösung über § 16 I 1 StGB (analog) keine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung annehmen, jedoch zu einer Prüfung des Fahrlässigkeitsdelikt gelangen würde. Die Gegenauffassung nähme hingegen eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung an, sofern der Irrtum vermeidbar war.

 

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