Problem - Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen

Problem - Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen

Im Rahmen des § 1365 BGB kann sich das Problem der Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, stellen. Fraglich ist somit, ob auch Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, von der Verfügung über das Vermögen im Ganzen erfasst werden. Beispiel: M und F sind verheiratet. F verschenkt ihr Grundstück an den X. Dieser wird daraufhin als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Als M dies erfährt, begehrt er von X die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung, vgl. § 894 BGB. Diese Norm setzt eine Diskrepanz zwischen formeller und materieller Rechtslage voraus.

I. Formelle Rechtslage

Formell ist X als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

II. Materielle Rechtslage

Fraglich ist, ob er auch in materieller Hinsicht Eigentümer ist.

1. Ursprünglich

Ursprünglich war F Eigentümerin des Grundstücks.

2. Eigentumserwerb des X, §§ 873, 925 BGB

Jedoch könnte X nach den §§ 873, 925 BGB das Eigentum an dem Grundstück erworben haben.

a) Einigung

Hierfür müsste zunächst eine dingliche Einigung mit dem Inhalt, dass das Eigentum an dem Grundstück übergehen solle, vorliegen. Eine solche Einigung ist vorliegend gegeben.

b) Eintragung

Zudem wurde X in das Grundbuch eingetragen.

c) Einigsein

X und F waren sich zu diesem Zeitpunkt auch noch über die Eigentumsübertragung einig.

d) Berechtigung

F müsste jedoch auch zur Übertragung des Eigentums berechtigt sein. Berechtigt, über ein Grundstück zu verfügen, ist der Eigentümer, sofern er keinen Verfügungsbeschränkungen unterliegt. Hier könnte F der Verfügungsbeschränkung des § 1365 BGB unterliegen.

aa) Wirsame Ehe

Dieser setzt zunächst eine wirksame Ehe nach den §§ 1303 ff. BGB voraus. Eine wirksame Ehe soll vorliegend gegeben sein.

bb) Zugewinngemeinschaft

Zudem verlangt die Verfügung über das Vermögen im Ganzen, dass die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass M und F im gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben.

cc) Verfügung über das Vermögen im Ganzen

Ferner fordert § 1365 BGB, dass eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen vorliegt. Hier hat F nicht ihr gesamtes Vermögen veräußert, sondern nur das Grundstück, das nahezu das gesamte Vermögen ausmacht (90 %). An dieser Stelle stellt sich das Problem der Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen.

(1) Eine Ansicht

Eine Ansicht vertritt die Auffassung, dass Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, nicht von § 1365 BGB erfasst würden. Dies wird mit dem Wortlaut des § 1365 BGB begründet, der ausdrücklich die Verfügung über das Vermögen im Ganzen enthalte. Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, seien daher nicht erfasst.

(2) Andere Ansicht (h.M.)

Die herrschende Meinung geht hingegen davon aus, dass § 1365 BGB auch Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, erfasse. Als Argument wird der Sinn und Zweck der Vorschrift angeführt. § 1365 BGB wolle das eheliche Vermögen schützen und insbesondere den späteren Zugewinnausgleichsanspruch sichern. Das eheliche Vermögen werde jedoch auch dann substantiell geschmälert, wenn über Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, verfügt werde.

Folgt man der herrschenden Meinung und sieht auch Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, als von § 1365 BGB erfasst an, stellt sich die Folgefrage, ob der Erwerber Kenntnis davon haben muss, dass eine Verfügung über Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, vorliegt.

(3) Eine Ansicht

Eine Ansicht ist der Meinung, dass es auf die Kenntnis des Erwerbers davon, dass eine Verfügung über Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, getätigt werde, nicht ankomme. Zum einen erwähne § 1365 BGB eine solche Kenntnis nicht. Zum anderen sei Sinn und Zweck dieser Vorschrift das eheliche Vermögen zu schützen.

(4) Andere Ansicht (h.M.)

Die herrschende Meinung geht hingegen davon aus, dass die Kenntnis des Erwerbers von der Tatsache, dass Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, betroffen seien, vorausgesetzt werden müsse. Dehne man § 1365 BGB auch auf Einzelgegenstände aus, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, habe eine Einschränkung zum Schutze des Rechtsverkehrs dahingehend zu erfolgen, dass der Erwerber Kenntnis davon haben müsse, dass eine Verfügung über Einzelgegenstände, die (nahezu) das gesamte Vermögen ausmachen, tangiert seien.

e) Ergebnis

Folgt man der herrschenden Meinung, hat X vorliegend das Eigentum an dem Grundstück erworben, da er nicht wusste, dass das Grundstück nahezu das gesamte Vermögen der Eheleute ausmachte.

II. Ergebnis

Mithin hat M gegen X keinen Anspruch auf Grundbuchberechtigung nach § 894 BGB, da eine Diskrepanz zwischen formeller und materieller Rechtslage nicht gegeben ist.

 

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