Problem - Abhandengekommene Willenserklärung
Problem – Abhandengekommene Willenserklärung
Im Rahmen des Wirksamwerdens einer Willenserklärung kann bei der Abgabe die abhandengekommene Willenserklärung als Problem auftauchen. Beispiel: A fragt in einem Repetitorium an, ob Einzelunterricht möglich ist. Der Repetitor ist sich noch nicht sicher, verfasst aber bereits einen Vertragsentwurf, den er nicht als solchen kennzeichnet. Abends sieht seine Sekretärin diesen Text und geht davon aus, dass er wieder einmal vergessen hat, etwas zuzusenden, tütet den Entwurf ein und schickt ihn an A. A erhält den Text und nimmt an. Fraglich ist nun, ob diese abhandengekommene Willenserklärung einen Vertrag zustande kommen lässt. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob auch die abhandengekommene Willenserklärung wirksam abgegeben wurde.
I. Eine Ansicht
Eine Ansicht lässt auch eine abhandengekommene Willenserklärung für eine wirksame Abgabe ausreichen.
II. Andere Ansicht (h.M.)
Eine andere Ansicht geht hingegen davon aus, dass eine abhandengekommene Willenserklärung nicht wirksam abgegeben werden kann.
III. Stellungnahme
Die erste Ansicht argumentiert mit dem Verkehrsschutz. Es sehe für den Empfänger schließlich so aus, als sei die Erklärung willentlich in den Rechtsverkehr entäußert worden. Die andere Ansicht führt als Argument hingegen die fehlende Willentlichkeit an. Abgabe werde definiert als willentliche Entäußerung der Erklärung in den Rechtsverkehr, sodass unter normalen Umständen mit Zugang zu rechnen sei. Die abhandengekommene Willenserklärung könne wegen der mangelnden Willentlichkeit bereits nicht abgegeben worden sein. Der Empfänger wird jedoch auch bei dieser Ansicht nicht schutzlos gestellt, da quasi-vertragliche Ansprüche nach culpa in contrahendo, vgl. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB, bestehen. Man lässt nämlich keine Vertragsentwürfe dergestalt herum liegen, dass nicht instruierte Sekretärinnen auf die Idee kommen, diese abzuschicken. Auf diesem Wege wird ein Verkehrsschutz trotz des fehlenden Vertragsschlusses erzielt.