Polizeirechtliche Generalklausel, § 8 I PolG/§ 14 OBG
1. Examen/ÖR/NRW
Prüfungsschema: Polizeirechtliche Generalklausel, § 8 I PolG/§ 14 I OBG
I. Ermächtigungsgrundlage
1. Spezialgesetz
a) Versammlungsgesetz
- § 5 VersG (Verbot von Versammlungen in geschlossenen Räumen)
- § 13 VersG (Auflösung von Versammlungen in geschlossenen Räumen)
- § 15 VersG (Verbot und Auflösung von Versammlungen unter freiem Himmel)
- § 18 III VersG (Maßnahmen gegen einzelne Versammlungsteilnehmer)
b) BImSchG
- § 17 BImSchG (genehmigungsbedürftige Anlage)
- § 20 BImSchG
- §§ 22, 24 BImSchG (genehmigungsfreie Anlage)
- § 25 BImSchG
c) GewO
- § 15 II GewO (erlaubnispflichtige Gewerbe)
- § 35 I GewO (Unzuverlässigkeit)
- § 51 GewO (Generalklausel) ggf. Entschädigung
d) BauO NRW
- § 61 I 2 BauO NRW li>
2. Standardmaßnahmen, §§ 9 ff. PolG/§ 24 OBG
- Standardmaßnahmen sind ganz besonders bestimmte Ermächtigungsgrundlagen im grundrechtssensiblen Bereich.
3. Generalklausel, § 8 I PolG/§ 14 OBG
II. Formelle Rechtmäßigkeit
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
a) Schutzgut
aa) Öffentliche Sicherheit
- Geschriebenes Recht
- Individualgüter
- Staat und seine Einrichtungen
- Kollektivgüter
bb) Öffentliche Ordnung
- Summe aller ungeschriebenen Regeln, die für ein geordnetes Zusammenleben allgemein als unerlässlich angesehen werden und allgemein (ggf. gebietsbezogen) anerkannt sind.
- Problem: Bestimmtheit
- aA: (-); Arg.: Rechtstaatsprinzip
- h.M.: (+), Arg.: Art. 13 VII GG; Konkretisierung durch die Rechtsprechung
- Beispiele: Flitzerfälle, simulierte Tötungsspiele, Zwergenweitwurf, aggressives Betteln
b) Gefahr
aa) Normalfall
- Kurzdefinition: Hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verletzung eines Schutzguts
- Langdefinition: Zum Zeitpunkt des Einschreitens müssen objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit, bei ungestörtem Fortgang die Verletzung eines Schutzguts eintritt, und ex post gesehen muss eine solche Gefahr vorgelegen haben.
bb) Sonderfälle
(1) Anscheinsgefahr
- Bei der Anscheinsgefahr bestand ex post gesehen keine Gefahr.
- Die Anscheinsgefahr ist polizeirechtlich eine echte Gefahr. Arg.: Effektivität der Gefahrabwehr
(2) Scheingefahr (Putativgefahr)
- Bei der Scheingefahr liegen keine objektiven Anhaltspunkte vor.
- Die Scheingefahr ist polizeirechtlich keine Gefahr. Das polizeiliche Handeln ist stets rechtswidrig.
(3) Gefahrenverdacht
- Bei dem Gefahrenverdacht besteht nur die Möglichkeit eines Schadenseintritts.
- Der Gefahrenverdacht ist polizeirechtlich eine echte Gefahr. Arg.: Effektivität der Gefahrabwehr
c) Ordnungspflichtigkeit, §§ 4-6 PolG/§§ 17-19 OBG
aa) Verhaltensstörer, § 4 PolG/§ 17 OBG
- Verhaltensstörer ist der unmittelbare Verursacher, also wer die zeitlich letzte Ursache setzt und damit die Gefahrschwelle selbst überschreitet (Unmittelbarkeitstheorie)
- Problem: Zweckveranlasser (mittelbarer Störer), der durch sein Verhalten das Verhalten der unmittelbaren Störer überhaupt erst hervorruft.
- aA: subjektive Theorie (Überschreitung der Gefahrenschwelle gewollt)
- hM: objektive Theorie (Überschreitung der Gefahrenschwelle vorhersehbar); aber: kein Unterlaufen der Grundrechte des Veranlassers.
bb) Zustandsstörer, § 5 PolG/§ 18 OBG
- Eigentümer oder der Besitzer der Sache
- Problem: Überschreitung der Opfergrenze
- h.M.: unbeachtlich; Arg.: Effektivität der Gefahrabwehr; Lösung über die Sekundärebene
- Problem: Latenter Störer, bei dem sich erst durch Änderung der Umweltbedingungen die Gefahr realisiert (Bsp. Ahnenbrühefall); Voraussetzung: erhöhte Gefahrentendenz (Vorhersehbarkeit)
cc) Notstandspflichtigkeit, § 6 PolG/§ 19 OBG
- Insbesondere nicht ausreichende eigene Kräfte und Mittel der Behörde
- Beispiele: Gegendemonstrationsfälle, Einweisungsfälle
- Beachte: Ausgleichsansprüche gem. § 67 PolG/§ 39 I lit. a OBG möglich
2. Rechtsfolge: Ermessen
a) Entschließungsermessen
- Das Entschließungsermessen betrifft das „Ob“ des Einschreitens.
- Beispiele: Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 I GG oder Bindungswirkung von Genehmigungen
b) Auswahlermessen
- Das Auswahlermessen betrifft das „Wie“ des Einschreitens.
aa) Störerauswahl
- Oberstes Gebot: Effektivität der Gefahrabwehr
- Im Übrigen: Gebot der Gerechtigkeit, insbesondere:
- Verhaltensstörer vor Zustandsstörer
- Doppelstörer vor Einfachstörer
- Berücksichtigung von Verursachungsbeiträgen
bb) Mittelauswahl
- Verhältnismäßigkeit
- Beachte: Bei Gefahrenverdacht i.d.R. nur Gefahrerforschungseingriffe zulässig