Polizeirechtliche Generalklausel, § 8 I PolG, § 14 I OBG
Aufbau der Prüfung - Polizeirechtliche Generalklausel, § 8 I PolG/ § 14 I OBG
Die polizeirechtliche Generalklausel ist in § § 8 I PolG/ § 14 I OBG geregelt. Beispiel: A läuft mit verdrehten Augen und erhobener Waffe Richtung Bank. Geschildert wird die Situation eines Banküberfalls. P ist Polizist und ruft: „Halt!“ Hier ist die Rechtmäßigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes zu prüfen.
I. Ermächtigungsgrundlage
Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes setzt zunächst eine Ermächtigungsgrundlage voraus.
1. Spezialgesetz
Bevor auf die polizeirechtliche Generalklausel der § 8 I PolG/ § 14 I OBG zurückgegriffen werden kann, ist zu erörtern, ob nicht eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage greift. Beispiele: §§ 5, 15 VersG. Solche spezialgesetzlichen Regelungen kommen im obigen Beispielsfall nicht in Betracht.
2. Standardmaßnahmen, §§ 9 ff. PolG; § 24 OBG
Weiterhin ist zu prüfen, ob sogenannte Standardmaßnahmen gemäß den §§ 9 ff. PolG; § 24 OBG vorliegen, da auch diese die polizeirechtliche Generalklausel verdrängen. Standardmaßnahmen sind ganz besonders bestimmte Ermächtigungsgrundlagen im grundrechtssensiblen Bereich. Beispiel: Sicherstellung, Betreten und Durchsuchen von Wohnungen.
3. Generalklausel
Greift weder eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage noch eine Standardmaßnahme, ist die polizeirechtliche Generalklausel zu prüfen.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Die polizeirechtliche Generalklausel setzt in ihrer formellen Rechtmäßigkeit zunächst voraus, dass die Vorschriften für die Zuständigkeit, das Verfahren und die Form eingehalten worden sind.
1. Zuständigkeit
Grundsätzlich sind die allgemeinen Ordnungsbehörden zuständig, also diejenigen ohne Uniform, vgl. §§ 1 ff. OBG. Die spezielle Zuständigkeit der Polizei folgt aus § 1 I 3 PolG. Hiernach ist die Polizei dann zuständig, wenn es um eine unaufschiebbare Maßnahme geht, wenn also eine effektive Gefahrenabwehr durch die allgemeinen Ordnungsbehörden nicht möglich ist. Beispiel: Maßnahmen, die besonders schnell und/oder vor Ort erfolgen müssen. Im obigen Beispielsfall ist der Polizist nach § 1 I 3 PolG zuständig.
2. Verfahren
3. Form
Des Weiteren ist die Form in § 20 OBG geregelt.
III. Materielle Rechtmäßigkeit
Weiterhin fordert die polizeirechtliche Generalklausel, dass auch die materielle Rechtmäßigkeit gegeben ist.
1. Voraussetzungen
Es müssen mithin die Voraussetzungen der § 8 I PolG/ § 14 I OBG geprüft werden.
a) Schutzgut
Die polizeirechtliche Generalklausel erwähnt als Schutzgut die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung.
aa) Öffentliche Sicherheit
Im Beispielsfall sind das geschriebene Recht und Individualrechtsgüter als Teil der öffentlichen Sicherheit betroffen.
bb) Öffentliche Ordnung
b) Gefahr
Weiterhin verlangt die polizeirechtliche Generalklausel eine Gefahr für das Schutzgut. Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Im obigen Fall spricht alles dafür, dass A die Bank alsbald überfallen wird und die genannten Schutzgüter betroffen sind.
c) Ordnungspflichtigkeit, §§ 4-6 PolG/ §§ 17-19 OBG
Zuletzt fordert die polizeirechtliche Generalklausel die Ordnungspflichtigkeit des Betroffenen. Dies wird auch „Polizeipflichtigkeit“ oder „richtiger Störer“ genannt. Nach den §§ 4-6 PolG/ §§ 17-19 OBG geht es darum, dass der richtige Störer herangezogen wird. Beispiel: Gehen aufgrund von Baumängeln Gefahren vom Haus des B aus, darf nur gegen B vorgegangen werden, nicht gegen einen willkürlichen Dritten. Im obigen Fallbeispiel zum Banküberfall ist A Verhaltensstörer gemäß den § 4 PolG/ § 17 OBG. Es können folglich nur gegenüber A Maßnahmen ergriffen werden.
2. Rechtsfolge: Ermessen
Die polizeirechtliche Generalklausel räumt der Polizei auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen ein. Dieses Ermessen hat zwei Bezugspunkte, das Entschließungsermessen und das Auswahlermessen.
a) Entschließungsermessen ("Ob")
Zum einen räumt die polizeirechtliche Generalklausel ein Entschließungsermessen ein. Im Rahmen des Entschließungsermessens geht es um das „Ob“ des Einschreitens. Veranlassung zu dessen Erörterung besteht nur in wenigen Fällen, beispielsweise wenn die Behörde sich durch ein bestimmtes Vorverhalten in der Vergangenheit selbst gebunden hat und wegen Art. 3 I GG nicht handeln darf. Beispiel: Nichteinschreiten in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen in der Vergangenheit. Gleiches gilt, wenn eine Behörde in der Vergangenheit ein konkretes Verhalten genehmigt hat und später eine andere Behörde dieses Verhalten untersagt. Die Genehmigung der ersten Behörde entfaltet dann eine Bindungswirkung für die später handelnde Behörde.
b) Auswahlermessen ("Wie")
Die polizeirechtliche Generalklausel räumt zudem ein Auswahlermessen ein. Dies betrifft das „Wie“ des Einschreitens, und zwar bezüglich der Störerauswahl und hinsichtlich der Mittelauswahl.
aa) Störerauswahl
Der Prüfungspunkt der Störerauswahl wird nur dann relevant, wenn es mehrere Störer gibt. Beispiel: A schüttet giftiges Dioxin auf das Grundstück des B. Fraglich ist, gegen wen hier vorgegangen werden muss.
bb) Mittelauswahl
Bei der Mittelauswahl geht es um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, vgl. Art. 20 III GG. Die Maßnahme nach § 8 I PolG/ § 14 I OBG muss somit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.